Zum Abschluss der auserkorenen „Mini-WM“ trafen die Österreicher im Ernst-Happel Stadion auf den Rekordweltmeister Brasilien. Dabei wollte man nach den letzten beiden Siegen gegen... Analyse: Österreich gegen Brasilien chancenlos

Zum Abschluss der auserkorenen „Mini-WM“ trafen die Österreicher im Ernst-Happel Stadion auf den Rekordweltmeister Brasilien. Dabei wollte man nach den letzten beiden Siegen gegen die beiden WM-Teilnehmer Russland und Deutschland ein weiteres positives Ergebnis erreichen, bevor es nach einer anstrengenden Saison in den wohlverdienten Urlaub geht. Für Brasilien hingegen stellte sich dieser Test als Generalprobe für das erste Gruppenspiel in einer Woche dar, wo nochmal im Wettkampfmodus getestet werden sollte und man die Österreicher auswählte, da sie einen ähnlich Spielstil wie die Schweiz und Costa-Rica pflegen. Daher trat man auch in Bestbesetzung auf und Superstar Neymar feierte nach langer Verletzungspause sein Comeback in der Startelf.

Österreich und das strategische Dilemma

Die rot-weiß-roten Gastgeber starteten wie in den letzten Spielen aus einer 5-4-1/3-4-2-1 Formation heraus, die relativ flexibel war und hie und da auch mal zu einem 4-5-1 wurde, sobald Flügelverteidiger Alaba nämlich ins Mittelfeld rückte und Hinteregger seine Position übernahm. Die meiste Zeit verbrachte man allerdings in einem 5-4-1, da man die Mannschaftsteile sehr tief positionierte und meist nur auf ein tiefes Abwehrpressing setzte. Man wollte gegen die spielstarken Brasilianer die Räume vor allem in Tornähe so eng wie möglich gestalten und nahm dabei in Kauf, dass die Südamerikaner auf viel Ballbesitz kamen. Das war insofern in Ordnung, als dass man diesen Ballbesitz in ungefährlichen Räumen zuließ, um dann eben in den relevanten & entscheidenden Regionen in Richtung Tor da zu sein. Man versuchte mit der Fünferkette hinten und der Viererreihe davor so eng beieinander zu stehen wie nur möglich, um einen kompakten Block zu bilden und den Zwischenlinienraum so gut es geht zu verknappen, welchen die Brasilianer ja ganz gerne anvisieren.

Im Ballbesitz galt es nach dem Ballgewinn schnell in die Spitze zu spielen und zu versuchen, sich mit wenigen Kontakten aus dem Gegenpressing des Gegners zu befreien. Es wurde jedoch auch gelegentlich probiert, den Ballbesitz zu sichern und den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen, um die Defensive etwas zu entlasten und die passende Mischung zu finden. Dabei fiel vor allem ein Mittel auf, wie man gedachte, die Abwehr des Gegners zu knacken. Immer wieder wurde Flügelverteidiger Alaba mit schnellen Spielverlagerungen gesucht und angespielt, und im Anschluss daran versuchte der Bayern-Legionär sehr oft bereits aus dem Halbfeld Flanken in den Strafraum auf Arnautovic zu schlagen, der in diesen Situationen sofort in die Spitze durchstarten und den Rückraum der Abwehr attackieren sollte.

So gut durchdacht ein Matchplan auch sein mag, zu einem guten Teil hängt er natürlich auch davon ab, wie der Gegner agiert und darauf antwortet. Der Rekordweltmeister kam mit einem 4-3-3/4-1-4-1 System in den Prater angereist und brachte das beste Personal auf den Platz. Dabei agierte Brasilien von Anfang an dominant, nahm das Spiel in die Hand und versuchte, sich die Österreicher gewissermaßen zu Recht zu legen. Das Prunkstück war dabei die linke Seite, worauf auch der strategische Fokus gelegt wurde. Mit Linksverteidiger Marcelo, Achter Coutinho und Flügelstürmer Neymar hatte man da ein spektakuläres Dreieck zur Verfügung, welches man sich auch zunutze machen wollte. Daher spielte sich auch die meiste Zeit des Ballbesitzes der Gäste in diesen Regionen ab und das Trio nahm dabei die Zügel in die Hand. Auf der rechten Seite hingegen stellte sich die Lage anders dar. Diese Region wurde nur als Durchgangsstation genutzt und sollte für schnelle Verlagerungen parat stehen. Daher positionierte sich Flügelstürmer Willian die meiste Zeit auch sehr breit und stand weit draußen, um aus dieser Breite angespielt zu werden und sofort ins Dribbling gehen zu können. Ausbalanciert wurde dessen Rolle von Rechtsverteidiger Danilo, der stattdessen sehr oft in Richtung Zentrum verschob und sich im rechten Halbraum aufhielt, um für die passende Verbindung zwischen den Spielern und ausreichend Präsenz in der Spielfeldmitte zu sorgen.

Abgesichert wurden die ganzen Überlegungen im Ballbesitz von einem aggressiven Gegenpressing, in das man nach Ballverlust sofort ging und danach trachtete, den Ball wieder so schnell es geht zurückzuerobern. Auch dadurch stellten die Brasilianer die Österreicher laufend vor ein Dilemma. Aber auch durch das tiefe Verteidigen der Österreicher, wurde man im Spiel recht inaktiv und bekam nur selten Zugriff auf die Südamerikaner, gleichwohl auch die Wege nach vorne sehr weit  wurden – daher waren auch die Kontersituationen schwerer zu fahren. Sowohl gegen den Ball, als auch nach Ballgewinn konnte man sich aus der Umklammerung der Brasilianer kaum einmal befreien, wodurch die Gäste von Minute zu Minute dominanter wurden. Um dem etwas entgegenzusetzen, entschloss man sich nach ungefähr einer Viertelstunde vermehrt höher zu attackieren und den Rekordweltmeister unter Druck zu setzen. Doch dabei zeigten die Brasilianer ein Lehrbeispiel darin, wie man ein Pressing umspielen kann. Teamchef Foda gab nach dem Spiel zu Protokoll, dass man dem Team die Müdigkeit anmerkte und man deswegen nicht wirklich ins Pressing kam. Doch das war nur die halbe Wahrheit, denn bereits früh in der Partie gingen die Pressingversuche laufend schief – trotz körperlicher Frische.

Dass man im Pressing keinen Zugriff bekam, hing nämlich eher damit zusammen, dass man auf die Herausforderungen der Brasilianer keine passende strategische Antwort fand. Das größte Fragezeichen hatte man nämlich mit dem Torhüter der Gäste Alisson. Der spielstarke Schlussmann wurde im Ballbesitz gezielt eingesetzt und mit ihm bildeten die Brasilianer eine Raute in der Mitte – gemeinsam mit den beiden Innenverteidigern und Sechser Casemiro. Dadurch hatten die Südamerikaner gegen die erste Pressinglinie der Österreicher eine Vier vs. Drei Überzahlsituation, die sie auch problemlos ausspielen konnten. Dadurch standen die rot-weiß-roten Gastgeber wiederum vor einem Dilemma, wie reagiert man nämlich darauf? Durch das mannorientierte Pressing der Österreicher stand ein Brasilianer immer frei und konnte oft problemlos angespielt werden. Man reagierte darauf, indem Kapitän Baumgartlinger oft herausrückte und versuchte Casemiro zuzustellen. Dadurch stellte man zwar eine Gleichzahl her, dafür wurde aber im Rücken von Baumgartlinger  wiederum ein riesiger Raum geöffnet. Das hing vor allem damit zusammen, da die drei Stürmer der Brasilianer sehr weit nach vorne schoben und damit einerseits das Feld streckten, andererseits aber auch die Abwehr der Österreicher vor dem Nachrücken abhielt, da man ansonsten viel Rückraum geöffnet hätte und in der letzten Linie völlig entblößt gewesen wäre.

Ein weiteres Dilemma also für die Österreicher: Nachrücken und den Raum hinter dem Mittelfeld schließen? Oder doch bei den Gegenspielern bleiben und die letzte Linie geschlossen halten? Die Gastgeber entschieden sich meist für letzteres, weshalb eben ein riesiges Loch im Zentrum klaffte. Dieses konnten die Brasilianer zum Leidwesen der Österreicher immer wieder dank ihrer technischen Klasse bespielen, wobei speziell Casemiro oft Übersicht bewies und mit dem ersten Kontakt den Raum hinter Baumgartlinger anvisierte und so Paulinho freispielte. Egal also was die Österreicher machten – sie bekamen einfach keinen Zugriff auf die Brasilianer, weder wenn man hinten stand, noch wenn man weiter vorne attackierte.

Zwar wurden die Österreicher nach gut 20 Minuten etwas mutiger und nahmen mehr Risiko im Offensivspiel, allerdings blieben das nur kurze Lichtblicke und an der Charakteristik des Spiels sollte sich wenig ändern. Auch der Plan mit den vielen Halbfeldflanken war zwar im Ansatz interessant, doch brachte es die Gäste nicht wirklich in die Bredouille. Die Brasilianer dominierten in jeglicher Hinsicht das Geschehen und zeigten sich sehr spielfreudig, wodurch man selbst enge Situationen dank der technischen Klasse auflösen konnte und den Zwischenlinienraum immer wieder erfolgreich bespielte. Auch in der Defensive agierte man überaus stabil, da sich Sechser Casemiro auch ab und zu nach hinten fallen ließ und die Abwehr dadurch zu einer Fünferkette wurde. Nach 36 Minuten war es dann auch soweit und die „Selecao“ erzielte den ersten Treffer der Partie. Nach einem verunglückten Schussversuch von Marcelo landete der Ball auf Umwegen bei Gabriel Jesus, der den Ball überlegt zum 1:0 ins lange Eck schlenzte. Damit gingen die Brasilianer auch mit dieser Pausenführung in die Halbzeit.

Brasilien schaltet einen Gang runter und entscheidet Partie mit einem Doppelschlag

Nach der Halbzeitpause verlegten die Brasilianer das Spiel in Richtung verwalten und man ließ den Gegner vermehrt kommen bzw. verteidigte nun etwas tiefer als in der ersten Halbzeit. Dadurch kamen die Österreicher auch zu mehr Spielanteilen und fanden besser in das Spiel hinein. Man passte auch etwas das Anlaufverhalten im Pressing an und ließ Torhüter Alisson nun offen.  Arnautovic sollte sich stattdessen strikter um Sechser Casemiro kümmern, damit man sich nicht mehr so leicht ausspielen lässt und kein Sechser mehr gezwungen ist aufzurücken und hinter sich ein Loch zu hinterlassen. Man konnte das Spiel nun etwas offener gestalten und kam zu längeren Ballbesitzphasen, ließ das Spielgerät zumindest in den ersten beiden Dritteln des Feldes gut in den eigenen Reihen zirkulieren. So richtig Lösungen fand man in dieser Phase gegen die gutstehende Abwehr die Brasilianer nicht, weshalb die Südamerikaner kaum vor Probleme gestellt wurden. Nach zwei etwas härteren Einsteigen der Gastgeber nahmen die Brasilianer die Zügel wieder fester in die Hand und holten sich die Kontrolle über das Spielgeschehen wieder zurück. Kurz darauf schlug man auch ein weiteres Mal zu. Nach einem Ballverlust des eingewechselten Burgstaller und einer schlechten Absicherung des eigenen Angriffs, konnten die Brasilianer eine 4 gegen 3 Überzahlsituation im Konter fahren, in der dann Superstar Neymar Dragovic austanzte und sehenswert zum 2:0 traf. In der Phase merkte man den Österreichern auch den körperlichen Verschleiß an, da trotz verzögertem Angriff der Brasilianer keiner rechtzeitig nach hinten eilte und entsprechend in die Defensive umschaltete. In den folgenden Minuten hingen die Gastgeber auch in den Seilen und die Brasilianer fuhren einen gefährlichen Angriff nach dem anderen. Einen davon vollendete dann Coutinho nach einem sehenswerten Spielzug der Brasilianer zum 3:0, womit das Spiel auch endgültig entschieden war. Durch die vielen Wechseln auf beiden Seiten nahm der Spielfluss etwas ab und es blieb letztlich bei dem 3:0 der Brasilianer.

Fazit

Letztlich muss man aus Sicht der Österreicher konstatieren, dass die Brasilianer an diesem Nachmittag mindestens eine Nummer zu groß waren. Der Rekordweltmeister präsentierte sich in einer blendenden Verfassung, wirkte gut eingestellt und sehr fokussiert, wodurch man alle Phasen des Spiels dominierte und vor allem die technische Klasse einfach überwältigend war, weshalb sich die Gäste selbst aus den engsten Situationen immer wieder befreien konnten. Die Österreicher fanden dagegen kaum eine Lösung und wirkten bereits früh in der Partie etwas überfordert, wobei später noch der körperliche Verschleiß nach der langen Saison hinzukam und man den topfiten Südamerikanern nur mehr wenig entgegensetzen konnte. Dennoch sind solche Tests genau dazu da dass man sieht, wo noch Defizite zur Weltspitze herrschen und in welchen Bereichen man sich noch verbessern muss. Aus diesem Blickwinkel heraus können die Spieler und das Trainerteam viel für die Zukunft mitnehmen und wichtige Schlüsse aus diesem Spiel ziehen.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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