Endlich geht sie los, die Qualifikationsphase zur Europameisterschaft 2020. Die Österreicher mussten dabei zum Auftakt gegen den wohl härtesten Konkurrenten in der Gruppe G ran, nämlich Polen. Für die Österreicher war es daher wichtig, einen guten Start in diese Qualifikationsphase hinzulegen, auch wenn man sich der Stärke des Gegners durchaus bewusst war. Teamchef Foda kündigte eine kontrollierte österreichische Mannschaft an, die über die eigene Kompaktheit und Stabilität kommen möchte und nicht zu viel Risiko gehen würde. Gegen die starken Stürmer der polnischen Nationalmannschaft nicht die schlechteste Idee, lauerte da doch die große Stärke bei den Gästen.
Österreich diktiert die Anfangsphase
Mit durchaus Spannung erwartete man die Aufstellung von Teamchef Foda für dieses Spiel, denn die große Frage lautete bei den Österreichern, ob man mit einer Dreier- oder Viererkette auflaufen würde. Foda entschied sich für die Dreierkette und ein 3-4-3, mit Dragovic, Hinteregger und Wöber in der Innenverteidigung, Alaba und Lainer als Flügelverteidiger und für die drei Angreifer Sabitzer, Lazaro und Arnautovic. Gegen den Ball wurde aus dem 3-4-3 klarerweise dann rasch ein 5-4-1 und man versuchte mit allen Spielern schnell hinter den Ball zu kommen. Zu Beginn gab es bei den Österreichern jedoch vermehrt das 3-4-3 zu sehen, da man längere Ballbesitzphasen verzeichnete. So fächerte im Aufbauspiel die Dreierkette auf, die Flügelverteidiger rückten auf und die beiden Sechser Grillitsch und Baumgartlinger besetzten das Zentrum vor der Abwehr. Das Positionsspiel der Österreicher in der Spieleröffnung kann man beim ersten Bild gut erkennen:
Die Staffelung der Österreicher im Ballbesitz und Aufbauspiel, eine klare Dreierkette, die beiden Flügelverteidiger geben Breite und die beiden Sechser besetzen das Zentrum.
Durch diese Staffelung im Aufbauspiel, hatte Österreich eine recht große Tiefenpräsenz, denn oft standen gleich sieben Spieler recht „nah“ und kompakt beieinander. Ergo erleichterte das klarerweise die Ballzirkulation, da man ausreichende Anspielstationen in den tieferen Regionen hatte und die eigene Formation nicht so gestreckt und die Abstände eben kurz waren. Die Polen verzichteten mit ihrer 4-4-2 Formation zunächst auch auf ein höheres Attackieren, weshalb die Gastgeber das Spielgerät behutsam und überlegt in den eigenen Reihen laufen lassen konnten. Das Ziel der Österreicher war es dabei, aus dem Aufbauspiel heraus die drei Angreifer in Szene zu setzen und so den Übergang nach vorne zu schaffen. Sabitzer und Lazaro rückten oft von einer breiten Position aus im richtigen Moment in die Halbräume ein, um sich in den Schnittstellen des Mittelfelds des Gegners anzubieten. Das kann man beim nächsten Bild ebenfalls gut erkennen:
Österreich in Ballbesitz, Polen verteidigt tief und abwartend, während in dieser Szene sowohl Sabitzer, als auch der weit eingerückte Lazaro im Zwischenlinienraum lauern, um als Anspiel- und Übergangsstation in die nächste Zone zu fungieren. Wöber hat dadurch sowohl vertikal, als auch diagonal eine Passoption und bringt folglich auch ein schönes, diagonales Zuspiel auf Lazaro an.
Die rot-weiß-roten Gastgeber verstanden es in der Anfangsphase äußerst gut, einen variablen Spielaufbau aufzuziehen und für einen sauberen Übergang in die gegnerische Hälfte zu sorgen. Das lag nicht zuletzt an der aufbaustarken Innenverteidigung der Österreicher, die mit ihren gezielten Pässen die freien Mitspieler relativ problemlos fanden. Sofern die Polen mit ihrer Formation etwas auffächerten, visierte man die Halbräume an und versuchte so in den Zwischenlinienraum zu kommen. Rückten sie beispielsweise zusammen, spielte man folglich Spielverlagerungen auf den aufrückenden Alaba, der die Situationen immer wieder gut antizipierte und im richtigen Moment startete. Abgesehen davon, dribbelte auch mal Hinteregger ins Mittelfeld und sorgte für Verwirrung beim Gegner, oder die beiden Sechser boten sich jeweils kurz an und drehten dann auf. Kurzum, die Österreicher nutzten ein breites Arsenal an Mustern und Vorgehensweisen im Aufbauspiel. In höheren Zonen war es für die Gastgeber dann allerdings nicht mehr so leicht Durchbrüche zu kreieren, speziell wenn man nicht mit Dynamik daherkam. Die Polen zogen sich – je näher sie in Richtung des eigenen Tores standen – extrem eng zusammen und bauten zwei kompakte Viererketten auf. Da wurde es dann für die Gastgeber schwer, Lösungen und offene Räume dagegen zu finden. Man versuchte es zwar mittels Dreiecksbildung auf den Flügeln und folglich dadurch Durchbrüche zu kreieren, oder mit frühen, teils flachen Halbfeldflanken in den Rücken der Abwehr. Allerdings verschoben die Polen gut zur Seite und verknappten den Raum dadurch passend, wie man das anhand des folgenden Ausschnittes gut sehen kann:
Österreich im Angriff, Polen zieht sich mit ihren zwei Viererketten zurück und steht sehr eng und kompakt, wodurch man den Zwischenlinienraum gut verknappen kann und es für Österreich kein Durchkommen gibt.
Problematisch war für Österreich die hohe Tiefenpräsenz, wodurch man klarerweise in höheren Zonen Abstriche machen musste und dort nur wenige Spieler vor dem Ball anzutreffen waren. Das war sozusagen der pragmatische und auf Stabilität abzielende Ansatz von Teamchef Foda, der gegen die konterstarken Polen eine passende Absicherung haben bzw. nicht ein zu hohes Risiko eingehen wollte. Dennoch kam man zu zwei, drei guten Situationen im Strafraum, wo man sich schnell und direkt durch die gegnerischen Reihen kombinieren konnte. Unterstützt wurde dies durch ein situativ gutes Gegenpressing, wodurch man auch einige schöne Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte einfahren konnte.
Die ersten 20 Minuten schien also alles in Richtung der Österreicher zu laufen. Polen agierte recht passiv, spielte viele lange Bälle und hatte Probleme beim Zugriff auf den Spielaufbau der Gastgeber, weshalb der Ballbesitzanteil auch auf über 60 Prozent stieg. Doch nach und nach wurde die Polen munterer und wachten etwas auf. Man versuchte einen kontinuierlichen Spielaufbau aufzuziehen, setzte da auf eine asymmetrische Formation in der ersten Aufbaulinie (Rechtsverteidiger blieb tief, Linksverteidiger rückte auf) und auf zwei sehr tiefe Sechser, die sich die Bälle von den Innenverteidigern abholten. Des Weiteren begann sich Kapitän und Starstürmer Lewandowski vermehrt in das Spielgeschehen einzuschalten. Da er kaum brauchbare Bälle in die Spitze kam, ließ er sich immer häufiger nach hinten fallen und gab dadurch situativ den „Zehner“ und Spielmacher. Dadurch schuf er eine sichere Anspielstation für seine Mitspieler, was den Übergang vom Aufbauspiel in höhere Zonen für die Polen merklich erleichterte.
Lewandowski in seiner neuen Rolle als tiefer Spielmacher, hier fast auf einer Höhe mit dem Sechser Krychowiak.
Dadurch konnten sich die Gäste vermehrt Spielanteile zurückholen und kämpften sich zurück in diese Partie. Die Österreicher agierten in der Phase zwar auch nicht mehr so sauber in ihrem Spiel mit dem Ball und leisteten sich häufiger Fehler, allerdings passten sich die Polen auch besser auf die Formation der Gastgeber und den Gegebenheiten an. So rückte etwa einer der beiden zentralen Mittelfeldspieler öfter nach vorne, um einen Sechser der Österreicher zu stellen, wodurch man mehr Zugriff bekam. Aber auch das Mittelfeld konzentrierte sich darauf, die Passwege ins Zentrum bzw. die Halbräume abzudecken, während gleichzeitig die Außenverteidiger mutiger beim Herausrücken wurden und so nach einem Pass auf die Flügelzone schneller präsent waren. Die Polen streuten aber auch mehr Pressingsequenzen in ihr Spiel ein und brachten speziell das Gegenpressing in Gang, wodurch man das Spielgerät schneller zurückerobern und die Gastgeber unter Druck setzen konnte.
Durch diese Maßnahmen, wurden die Österreicher immer öfter in ihre tiefe 5-4-1 Formation gedrängt und konnten nicht mehr kontinuierlich und in Ruhe den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren lassen. Durch die tiefe Abwehrformation, wurden gleichzeitig die Wege nach vorne für die Gastgeber wesentlich weiter und es wurde schwerer, sich durch die gegenpressende Polen durchzuspielen. Die Polen wurden dadurch also wesentlich gefährlicher, als es in der Anfangsphase noch der Fall war und kamen nun auch zu einigen guten Szenen in der gegnerischen Hälfte, wobei ihnen kein Treffer gelang. So ging es mit einem 0:0 in die Kabinen.
Polen schlägt zu, Österreich läuft hinterher
Der polnische Nationaltrainer entschloss sich, vor dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit bereits einen Wechsel vorzunehmen. Der wenig involvierte Stürmer Milik musste weichen und für ihn kam Flügelspieler Frankowski in das Spiel hinein. Dadurch rutschte Zielinski ins Zentrum und übernahm die Spielmacher-Rolle neben Kapitän Lewandowski, damit eben dieser seine Rolle nicht mehr so tief auslegen musste und sich vermehrt seinen Hauptaufgaben widmen konnte. Bei den Österreichern gab es keine Wechsel und man lief mit dem gleichen Personal auf.
Relativ gleich blieb auch dieser Rhythmus der Partie, was man bereits in der ersten Halbzeit sehen konnte. Es gab jedoch jetzt keine zwei Abschnitte, wo eine Mannschaft besser spielte, sondern von Anfang an blieb es recht wechselhaft und beide Mannschaften verbuchten ihre Spiel- und Ballbesitzanteile. Polen konnte sich in der Phase leichte Vorteile im Ballbesitzspiel erarbeiten, während Österreich vor allem über das Umschaltspiel immer Dynamik in Richtung gegnerisches Tor aufnehmen konnte und so gefährlich wurde. Die Polen griffen speziell über die Flügelpositionen immer wieder gefährlich an und suchten ihren Zielspieler Lewandowski, während auf der anderen Seite ebenfalls vieles über Zielspieler Arnautovic ging. Alles in allem blieb es recht ausgeglichen und abwechslungsreich, weshalb sich keine der beiden Mannschaften klare Vorteile herausspielen und die Kontrolle übernehmen konnte. Das änderte sich mit dem ersten Treffer in diesem Spiel, der auf Seiten der Gäste fiel. Der eingewechselte Piatek traf nach einer Standardsituation und brachte die Polen damit mit 1:0 in Front.
Dadurch mussten die Österreicher klarerweise wieder mehr Initiative zeigen, während sich die Polen etwas weiter zurückziehen und die Gastgeber kommen lassen konnten. Österreich versuchte es zunächst weiter mit einer kontrollierten Offensive, wobei Alaba immer mehr zum klaren Flügelstürmer und Wöber zum Linksverteidiger wurde, während Sabitzer ins Zentrum rückte – wodurch die Formation zu einem 4-4-2 wurde. Man hätte in dieser Phase auch einen Elfmeter wohl bekommen müssen, doch die Pfeife des Schiedsrichters blieb stumm. In den letzten zehn Minuten erhöhten die Gastgeber dann merklich das Risiko, wechselten zusätzliche Offensivkräfte ein und rückten noch aggressiver nach vorne. Man kam auch zu guten Ausgleichsgelegenheiten, doch keine von denen konnte man im gegnerischen Kasten unterbringen. So brachten die Polen letztlich das 1:0 über die Runden und tüteten damit den Auswärtssieg ein.
Fazit
Die Österreicher mussten also zum Auftakt der EM-Qualifikation eine bittere Niederlage gegen den wohl größten Gruppenkonkurrenten hinnehmen. Dabei startete man äußerst gut in diese Partie, agierte gefällig und dominant, auch wenn man sich keine Chancenflut herausspielen konnte. Jedoch verlor man dann zunehmend den Faden und die Kontrolle über dieses Spiel. Man ließ die Polen aufkommen, da man vor allem im eigenen Spiel wesentlich unsauberer wurde, wodurch das Spiel ausgeglichener wurde. In der zweiten Halbzeit agierten beide Teams dann auf Augenhöhe, weshalb letztlich eine Standardsituation herhalten musste, um einer Mannschaft einen Vorsprung zu verschaffen. Die Österreicher versuchten dann ihr möglichstes, erhöhten vor allem in der Schlussphase das Risiko und hätten sich zweifellos den Ausgleich verdient gehabt. So stand man letztlich mit leeren Händen da und damit ist auch der Druck im Hinblick auf das nächste Spiel in Israel bereits ziemlich angewachsen, weshalb ein Punktegewinn wohl Pflicht ist.
Die österreichischen Fans sind jedenfalls weiterhin eher optimistisch: Laut unserem Kooperationspartner tipp3 setzen 35% der Wetter auf einen Sieg, 46% glauben an eine Punkteteilung und nur 19% an eine Niederlage!
Kennt ihr übrigens schon den neuen tipp3-Werbespot mit Franco Foda?
Dalibor Babic, abseits.at
Dalibor Babic
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