Die Sensation geht weiter! Eine überragende defensive und kämpferische Leistung bringt Österreichs Damen in das Halbfinale der Europameisterschaft 2017. Nach 120 Minuten steht es... Analyse: Österreichs Frauen defensiv makellos ins Halbfinale

Die Sensation geht weiter! Eine überragende defensive und kämpferische Leistung bringt Österreichs Damen in das Halbfinale der Europameisterschaft 2017. Nach 120 Minuten steht es gegen die spanische Auswahl 0:0. Im Elfmeterschießen wird mit 5:3 die Oberhand behalten. Der Schlüssel zum Sieg in einem äußerst knappen und umkämpften Spiel war die mannschaftlich ausgezeichnete Leistung im defensiven Bereich. Nun wartet im Halbfinale mit Dänemark ein Team, dass man vor drei Wochen mit 4:2 besiegen konnte.

Aufstellungen

Teamchef Thalhammer schickte seine Damen erneut in einer 4-4-2/5-4-1 Hybrid-Formation auf den Rasen. Da erstmals im Turnier alle Spielerinnen von Beginn an einsatzfähig waren, musste er eine schwierige Entscheidung treffen. Letztendlich ließ er Kirchberger auf der Bank, Schnaderbeck und Wenninger bildeten die Innenverteidigung. Diese wurde situativ von Puntigam unterstützt wenn die Fünferkette gebildet wurde, ansonsten agierte sie mit Zadrazil im zentralen Mittelfeld. Auf den Außenverteidigerpositionen kamen rechts Schiechtl und links Aschauer zum Einsatz, offensiv sorgte rechts Feiersinger und links Makas für Betrieb. Im Sturm starteten Billa und Burger. Spanien agierte demgegenüber das ganze Spiel in einem klaren 4-2-3-1.

Aktiver Beginn, Probleme in der Offensive

In den ersten 5 Minuten begann die ÖFB-Auswahl sehr aktiv und probierte die Spanierinnen hoch zu attackieren, nachdem sie sich aber oftmals durch ihre Wendigkeit und technische Klasse aus Drucksituationen lösen konnten, zogen die Österreicherinnen ihren tiefen Abwehrblock auf.

Die Österreicherinnen hatten Probleme in der Offensive zu ihrem gewohnten Spiel zu kommen, da viele Luftduelle verloren gingen und auch der Zugriff auf den zweiten Ball nicht wie gewohnt klappte. Speziell die spanische Kapitänin Torrejon, die in der Innenverteidigung spielte, zeigte eine exzellente Leistung und gewann sehr viele Luftzweikämpfe gegen Burger.

Trotzdem konnten die Österreicherinnen vereinzelt nach Ballgewinn schnell Richtung Strafraum kombinieren, ohne jedoch gefährlich zum Abschluss zu kommen.

Das ganze Spiel über setzte die spanische Auswahl auf Schüsse aus der Distanz. Zinsberger war bei ihren Aktionen sehr sicher und strahlte das gesamte Spiel über eine enorme Ruhe aus, schloss sich somit nicht den vielen Torfrau-Patzern im Turnier an.

Beide Teams agieren mit wenig Risiko

Die Österreicherinnen verbrachten sehr viel Zeit in der eigenen Hälfte, da sie nicht wie gewohnt zu ihren Nadelstichen im hohen Anlaufen kamen. Hauptgrund dafür war das zu späte Nachschieben. Somit kamen sie immer einen Schritt zu spät und waren nicht in der Lage in Zweikämpfe zu kommen. Möglicher Grund dafür war aber auch, dass man einen Tick mehr defensive Stabilität erzeugen mochte, da somit die Mitte immer geschlossen blieb.

Spanien spielte mit viel Geduld und ohne großes Risiko in der gegnerischen Hälfte und ließ den Ball oft lange laufen, ehe man versuchte, vertikale Lösungen zu finden. Dies zeigte sich vor allem darin, dass meist vier bis fünf Spielerinnen hinter dem Ball blieben. Ihnen war bewusst, dass es sehr schwer werden würde, ein mögliches Gegentor zu egalisieren. Daher wählte man ebenfalls einen eher risikoarmen Ansatz. In der gegnerischen Hälfte versuchten sie immer ein aggressives Gegenpressing zu spielen, exzellent war auch immer ihre Rückwärtsbewegung nach Ballverlusten: In Sekundenschnelle waren bis zu acht Spielerinnen hinter dem Ball.

Spanien spielt geduldig um den österreichischen Block herum. Die zwei Innenverteidigerinnen sind gar nicht im Bild und befinden sich ebenfalls hinter dem Ball.

Offensiv ging bei den Österreicherinnen nur etwas, wenn Feiersinger den Ball nach Umschaltsituationen erhielt. Die enorm laufstarke Deutschland-Legionärin rieb sich aber oft gegen mehrere Gegenspielerinnen ohne Unterstützung ihrer Teamkolleginnen auf, zeigte sich oft ein wenig unglücklich in ihrer Entscheidungsfindung.

Gegen Ende der ersten Halbzeit konnte man sich bei Ballgewinnen nach langen Bällen der Spanierinnen gefährlich in den Strafraum spielen. Sie blieben in einer sehr gestreckten Formation stehen und offenbarten so große Lücken im Zentrum die von der ÖFB-Auswahl sofort ausgenutzt wurden, bevor man an der spanischen Abseitsfalle scheiterte.

Generell waren die Thalhammer Damen defensiv sehr stabil, das lag auch am Positionsspiel der Spanierinnen, indem die Außenverteidigerinnen oft sehr tief bleiben und somit ideal für das 5-4-1 attackierbar waren. Hohe Außenverteidigerinnen wären ein gutes Mittel um ein 5-4-1 zu knacken, indem man die Fünferkette bindet und mit den einrückenden Flügelspielerinnen die Halbräume überlädt um Angriffe zu initiieren. Durch ihre meist tiefe Position konnten das ganze Spiel über Verlagerungen immer recht gut verteidigt werden.

Die rechte Verteidigerin erhält den Ball, Aschauer und Makas können ohne Probleme mannorientiert verschieben.

Kurz vor der Halbzeit wurde es nochmals brenzlig für unsere Mädels. Nachdem sich die Spanierinnen im Ballbesitz im linken Halbraum befanden und kein Druck auf den Ball gemacht wurde, startete eine Spielerin aus dem rechten Halbraum einen diagonalen Lauf, der Billa aus der linken zentralen Position zog. Der Ball kam genau in diesen Raum zu einer Spielerin die direkt abzog und haarscharf an der Stange vorbeischoss.

Nadelstiche und Stabilität

Anfang der zweiten Halbzeit hatte Prohaska nach einem Eckball eine Riesenmöglichkeit per Kopf. Den Österreicherinnen gelang es nun ein Stück besser den Spielfluss der spanischen Mannschaft zu unterbinden und sie weiter vom eigenen Tor wegzuhalten. Thalhammer trieb sein Team an der Outlinie enorm an, mehr herauszurücken und wieder situativ höher zu attackieren. Die spanische Torfrau erwies sich unter Druck sehr fehleranfällig und beförderte einige Bälle ins Out und zum Gegner. Das mangelnde Nachrücken bemängelte er auch nach dem Spiel. Er sprach davon, dass man nicht in die gewünschten Pressingsituationen kam, da man zu weit auseinander stand.

Situatives hohes Anlaufen von Österreich

Die Kräfte der Spielerinnen ließen langsam nach, daher wurden die Räume größer und das Spiel ein bisschen offener, ohne dass taktisch etwas verändert wurde. Beide Teams hatten aber Probleme zu qualitativ hochwertigen Chancen zu kommen und mussten sich mit ungünstigen Abschlusspositionen begnügen.

Die Österreicherinnen gingen auch immer nachlässiger mit ihren Ballgewinnen um, oft wurde der Ball vertändelt bzw. leichtfertig verloren.

Spanien kontrolliert das Spiel

Spanien brachte in der 76.Minute Jennifer Hermoso die in diesem Sommer vom FC Barcelona zum französischen Spitzenklub Paris Saint-Germain wechselt. Sie brachte sich sofort positiv ins spanische Spiel ein: Nominell auf der Zehn aufgestellt, bewegte sie sich sehr intelligent im Zwischenlinienraum und sorgte so für einige Unruhe zwischen der österreichischen Abwehr- und Mittelfeldreihe. Ständig in einer offenen Position versuchte sie durch Ablagen und Lochpässe die Abwehr auszuhebeln.

Zadrazil macht zu spät Druck. Hermoso ist im „Zehner-Raum“ anspielbar. Dahinter lauern zwei Spielerinnen auf den Pass in die Tiefe

In der Schlussphase der regulären Spielzeit konnten die Spanierinnen wieder mehr Ballkontrolle erlangen und die ÖFB-Auswahl mehr nach hinten an den Sechzehner drücken. Mitverantwortlich war auch die verbesserte Positionierung der Spielerinnen im Zwischenlinienraum, was dazu führte, dass die Österreicherinnen gezwungen waren, sich enger zusammenzuziehen.

Die Wechsel bei den Österreicherinnen wirkten sich nur wenig aus. Prohaska kam für die verletzte Makas. Sie zeigte sich sehr aktiv und konnte einige Male Bälle gut behaupten. Ihrer große Stärke, der sofortige, direkte Pass in die Tiefe kam trotz einiger Versuche knapp nicht an. Kirchberger kam nach 80 Minuten für die ermüdete Billa, Schnaderbeck ging dafür ins Mittelfeld, Zadrazil rückte in den Angriff. Das österreichische Abwehrbollwerk blieb weiterhin standfest.

Die Österreicherinnen riefen in der Defensive eine außerordentliche Leistung ab. Über 120 Minuten war man top organisiert und hochkonzentriert. Umso bemerkenswerter, da man einen Großteil der Spielzeit am eigenen Strafraum verbrachte und dort die mentale Anspannung nochmal eine Spur höher ist.

In der Verlängerung plätscherte das Spiel ein wenig dahin, beide Teams gingen noch weniger Risiko und waren sehr auf Sicherheit bedacht. Die Spanierinnen probierten es noch mit hohen Bällen in den Strafraum doch die bärenstarke Strafraumverteidigung der Österreicherinnen wurde auch dadurch nicht in Bedrängnis gebracht und ließ keine einzige Großchance zu.

Im Elfmeterschießen konnten die lockerer wirkenden Österreicherinnen alle fünf Elfmeter verwandeln, während Zinsberger den dritten Strafstoß parierte. Somit war der Einzug ins Halbfinale perfekt in dem am Donnerstag Dänemark wartet, das sich überraschenderweise mit 2:1 gegen Deutschland durchsetzen konnte.

Österreich ist unter den besten 4 Europas

Eine defensive Leistung auf Weltklasseniveau und die nötige Coolness im Elfmeterschießen bringt Österreich ins EM-Halbfinale. Obwohl es offensiv eine sehr zähe Partie war, überzeugen die jungen Österreicherinnen mit unglaublicher Leidenschaft und Willensstärke, sowie einer außergewöhnlich guten Organisation gegen den Ball. Wieder einmal biss sich ein Gegner am 5-4-1 die Zähne aus.

Obwohl das Spiel sehr viel Kraft kostete, scheint es als ob der Betreuerstab in der Regeneration die richtigen Wege geht, die äußerst intensive Spielweise konnte sogar über 120 Minuten auf den Platz gebracht werden. Sollte man bis Donnerstag die Akkus komplett aufladen können, steht der nächsten Überraschung gegen Dänemark absolut nichts im Wege.

Alexander Diridl, abseits.at

Alexander Diridl

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