Österreich gewinnt in einem teilweise kuriosen Qualifikationsspiel in Nordmazedonien hochverdient mit 4:1 und konnte damit die ungeliebten „Juni-Spiele“ erfolgreich abschließen, wodurch der schwache Start... Analyse: Österreichs klarer Auswärtssieg in Nordmazedonien

Österreich gewinnt in einem teilweise kuriosen Qualifikationsspiel in Nordmazedonien hochverdient mit 4:1 und konnte damit die ungeliebten „Juni-Spiele“ erfolgreich abschließen, wodurch der schwache Start in die EM-Qualifikation wettgemacht werden konnte und die Chance auf die erste Endrundenteilnahme seit 2016 weiter lebt.
Sechs Punkte waren vor den beiden Spielen gegen Slowenien und Nordmazedonien das einzige Ziel, dieses wurde mit passenden Strukturen im Ballbesitz, neugewonnener Dynamik dank RB-Input und systemtechnischer Variabilität auch ziemlich souverän erreicht. Die Chancenverwertung und das kollektive Spiel gegen den Ball müssen aber auf der Agenda von Teamchef Franco Foda stehen, um den eingeschlagenen Weg in den entscheidenden Spielen im Herbst prolongieren zu können.
Wir analysieren kurz die österreichischen Ballbesitz-Staffelungen samt der erfolgreich vorgenommenen Umstellungen, die strategische Herangehensweise der Nordmazedonier und wir schauen zum Abschluss auch kurz auf ein paar interessante Daten und Metriken.

Simple Balleroberungen sorgen für Großchancen

In der Analyse zum Slowenien-Match haben wir bereits geschrieben, dass das Thema der Kreativität das ÖFB-Team noch längere Zeit begleiten wird. Vor allem gegen defensiv eingestellte Gegner, die sich auf eine passive Strafraumverteidigung fokussieren und dann bei Ballgewinnen auf eine rasche Überbrückung des Raumes aus sind. Schließlich konnte man auch von einer ähnlichen Herangehensweise der Nordmazedonier ausgehen.

Diese trat dann auch so ein. Die Heimmannschaft ordnete sich in einem tiefen 4-4-2 Mittelfeldpressing an, mit zwei recht tiefen Viererketten und zwei Stürmern davor, die sich im Regelfall ebenfalls häufig recht tief in die eigenen Hälfte fallen ließen und das Mittelfeld unterstützten. Die Mechanismen aus dieser Grundordnung heraus waren ebenfalls recht klassisch. Die Außenspieler Nikolov und Elmas rückten bei Spielaufbau von Österreich in die Halbräume ein und versuchten so, Pässe auf Ulmer und Lainer zu provozieren. Dort sollte dann der Pressingdruck maximiert werden, was aufgrund der Ausweichmöglichkeiten von Ulmer und Lainer über die beiden Innenverteidiger aber häufig ins Leere ging. Das gab der Mannschaft von Trainer Igor Angelovski aber Struktur und Sicherheit, zumindest optisch. Genauso wie die Mannorientierungen im zentralen Mittelfeld. Gegen die österreichische 4-1-4-1 Ordnung, die das Team zu Spielbeginn noch nutzte, orientierten sich die beiden Sechser Ademi und Bardhi stark mannorientiert an den Achtern Schlager und Laimer. Durch die Umstellung auf ein 4-2-3-1 / 4-4-2 und den vielen Positionsrochaden konnten die ÖFB-Kicker diese Zuordnungen aber ziemlich rasch sprengen, was mitunter ein ausschlaggebender Grund für die österreichische Dominanz und Spielkontrolle war.

Die großen Torchancen (die auch reihenweise kläglich vergeben wurden) in den ersten 30 Minuten entstanden aber nach simplen Balleroberungen und darauf folgenden vertikalen Umschaltmomenten. Das kuriose daran war, dass Österreich nicht einmal etwas dafür tun musste, um in diese aussichtsreichen Umschaltsituationen zu kommen. Man konnte quasi gar nicht anders, als zu einer Torchance zu kommen. Die Ballverluste im Spielaufbau der Nordmazedonier waren katastrophal, vor allem weil diese Bälle häufig im Spielfeldzentrum verloren gingen.

Das österreichische „Pressing“ reichte dafür zu Spielbeginn vollkommen aus. Die ÖFB-Elf positionierte sich in ihrer 4-1-4-1 Struktur etwas tiefer und abwartender als noch gegen Slowenien. Soll heißen, dass die Ballzirkulation und der Aufbau zwischen den Innenverteidigern zugelassen wurden und die flachen, vertikalen Pässe in das Mittelfeld so provoziert werden konnten. Ein aggressiveres Anlaufverhalten (wo das ÖFB-Team wie schon gegen Slowenien mehrmals Probleme mit der Kompaktheit hatte) wäre in dieser Phase wohl kontraproduktiv gewesen, weil die Nordmazedonier dann öfters zum langen Ball gegriffen hätten und die Räume der Balleroberungen für das ÖFB-Team wesentlich unattraktiver gewesen wären.
Vereinzelt gab es aber auch in dieser Phase schon aktivere Pressingszenen. Marko Arnautovic stellte dabei mit einer seitlich versetzten Position einen gegnerischen Innenverteidiger zu (meist war es der halblinke IV Velkoski), der freie rechte Innenverteidiger wurde dann entweder vom vorschiebenden Achter Laimer oder vom linken Flügelspieler Sabitzer unter Druck gesetzt. Sabitzer bewies in diesen Situationen einmal mehr gutes Raumgefühl und den effektiven Einsatz seines Deckungsschattens, womit er oftmals gleich Zugriff auf drei gegnerische Akteure halten konnte.
Aber wie bereits beschrieben, reichte diese abwartende Ausrichtung der Österreicher zu Spielbeginn vollkommen aus, um in aussichtsreiche Umschaltsituationen und zu hochkarätigen Torchancen zu kommen. Aber auch in längeren Ballbesitzphasen wusste das Team von Foda durchaus zu überzeugen.

Gute Mischung aus Geduld und Tiefgang

Die größte Gefahr gegen einen sehr tiefstehenden Gegner ist ja, dass das Spiel im Ballbesitz zu sehr in die Breite getragen wird und so das Tempo verschleppt wird. Häufig mangelt es am Spiel in die Tiefe, auch weil die Räume zwischen bzw. hinter der letzten gegnerischen Linie sehr knapp sind. Die ÖFB-Elf hat aber diesbezüglich eine recht gute Balance gefunden, besser als noch in der ersten Partie gegen Slowenien (was zu einem wesentlichen Teil natürlich auch an der Qualität des Gegners lag).

Wie erwähnt, startete das Nationalteam mit einer 4-1-4-1 Ordnung. Stefan Ilsanker gab den Sechser und war für die Innenverteidiger meist die erste Anspieloption. In den ersten Minuten kippte er sogar zwischen die Innenverteidigung ab und baute das Spiel aus der Dreierkette heraus auf. Ein derartiges Abkippen war aber nicht wirklich notwendig, sodass er seine Position bald korrigierte und er durch ein höheres Stellungsspiel bessere Verbindungen zu den offensiven Mittelfeldspielern schaffen konnte. Ansonsten gab es ähnliche Staffelungen wie zuletzt. Die Außenverteidiger gaben konstant Breite, Lazaro blieb auf der rechten Seite ebenfalls wieder breiter und besetzte zusammen mit Lainer den Flügel doppelt. Mittelstürmer Arnautovic positionierte sich maximal hoch und versuchte so, die gegnerische Viererkette nach hinten zu drücken. Dazwischen bewegten sich die umtriebigen Laimer und Schlager, die de facto überall zu finden waren und mit ihren Läufen in die Tiefe immer wieder Durchschlagskraft erzeugen konnten. Auch die so effektiven Halbraum-Verlagerungen (so wie beim 1:1 Ausgleich durch Lazaro) streuten die beiden immer wieder ein.
Marcel Sabitzer zog es da schon immer stärker in das Zentrum und ab der ca. 25. Minute war es ein recht klares 4-2-3-1. Sabitzer besetzte die fluide Zehner-Position, Schlager ging auf die zweite Sechser-Position neben Ilsanker und Konrad Laimer auf den linken Flügel. Von da weg wurde das Spiel noch ein Stück flexibler, ohne dass dabei die grundsätzliche Raumaufteilung aus den Augen verloren wurde.

Fazit

Österreich gewinnt hochverdient gegen einen mehr als durchschnittlichen Gegner, der sich das Leben mit unnötigen Fehlpässen im Spielaufbau noch zusätzlich selbst schwer gemacht hat. Von diesem Gesichtspunkt her war die Leistung von Arnautovic und Co. gut, in Euphorie verfallen wird und darf im ÖFB-Lager aber niemand.
Logischerweise sprechen auch die nackten Zahlen für den Erfolg. Bei den Expected Goals weist Österreich einen Wert von 4,67 aus, Nordmazedonien 0,40, was dem tatsächlichen Ergebnis schon sehr nahe kommt. Daneben hatte Österreich 58% Ballbesitz, bei einer Passgenauigkeit von 85%.
Interessant ist auch die durchschnittliche Pressinghöhe in Metern. Österreich positionierte seine erste Pressinglinie über die gesamten 90 Minuten 63 Meter vom eigenen Tor entfernt, bei Nordmazedonien waren es 46 Meter, was dem beschriebenen „tiefen Mittelfeldpressing“ entspricht.
Der PPDA-Wert (Passes per Defensive Action), der die Pressingintensität misst, spiegelt auch die Spielstruktur gut wieder. Österreich ließ im Schnitt 7,3 gegnerische Pässe im Aufbau zu, die Nordmazedonier ganze 19,3 Pässe. Diese Metrik erfasst die zugelassenen gegnerischen Pässe bei einer Defensivaktion in den letzten gegnerischen 60% des Spielfeldes (wobei es mehrere Varianten und Berechnungen gibt).
Die sechs Punkte aus den beiden Spielen waren daher absolut verdient. Die nächsten Partien im Herbst werden interessant, sowohl aus dem qualitativen als auch dem quantitativen Blickwinkel.

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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