Die Fortsetzung der Anekdotenserie wäre Nichts ohne dem ehemaligen ÖFB-Teamchef, Fußballfachmann und Spaßmacher, der heute bereits zum sechsten Mal Dreh- und Angelpunkt einer Geschichte... Anekdote zum Sonntag (154) – Storys von Šťastný (III)

Die Fortsetzung der Anekdotenserie wäre Nichts ohne dem ehemaligen ÖFB-Teamchef, Fußballfachmann und Spaßmacher, der heute bereits zum sechsten Mal Dreh- und Angelpunkt einer Geschichte sein soll: Leopold Šťastný grüßte sonntäglich bereits heiße Würstel, verteilte Furzkissen bei „Anatevka“, schrieb „anonyme“ Leserbriefe oder duellierte sich verbal mit Walter „Max“ Horak, seines Zeichens Ex-Sportclubkicker und Nachtportier, bis sich beide vor Lachen die Bäuche hielten. Auch in dieser Geschichte kommt Horak eine tragende Rolle zu, deswegen wollen wir vorab klären, wer Šťastnýs kongenialer Schmähbruder eigentlich war:

Getauft wurde Horak zwar auf den althochdeutschen Namen Walter, doch seit Kindertagen riefen ihn alle nur „Max“. Schuld daran war – lange vor Šťastný – seine Freundschaft zu einem Buben, mit dem er allerlei ausheckte, sodass die Beiden für ihre Umwelt nur mehr unter der Bezeichnung „Max und Moritz“ firmierten. Horak spielte ab seinem 23. Lebensjahr für den Wiener Sportclub und holte drei Meisterschaften mit den Schwarz-Weißen. 1958 netzte der Stürmer 33-mal und wurde Torschützenkönig. „Ich war ein Brecher und manchmal musste ein Verteidiger auf der Bahre vom Platz getragen werden.“, fasste der Wiener seine aktive Zeit einmal zusammen. Später lief er u.a. für Wacker Wien, den GAK und die Austria auf, ehe er den Sprung ins Ausland wagte und in Frankreich für Sochaux und Racing Club Paris die Schuhe schnürte. Zurück in Österreich beendete Horak seine Karriere im Wiener Unterhaus und begann als Portier im Hotel Fürstenhof, nahe des Wiener Westbahnhofs, zu arbeiten. Dort zündete er regelmäßig ein Pointenfeuerwerk, wenn es zu Tom-und-Jerry-Szenen mit dem „Weißen Riesen“ aus Pressburg kam.

Ursprünglich als Notlösung gedacht, blieb Šťastný dem Hotel Fürstenhof als Gast treu. Rund sieben Jahre lang residierte der 1911 Geborene im Eckzimmer mit der Nummer 26, wenn er sich in Österreich aufhielt. Šťastný hatte 1968 Max‘ Lieblingstrainer Pesser (unter dem der Sportclub seinerzeit in über zwei Jahren nur ein Pflichtspiel verloren hatte) als rot-weiß-roter Teamchef abgelöst und sollte die österreichische Nationalmannschaft 49 Spiele lang betreuen. Wenn spielfrei war, fand er seinen Ausgleich in intensiven Blödeleien mit Freund Max: Man neckte sich, fachsimpelte und hatte eine gute Zeit. Der Ex-WSC-Offensivspieler fungierte auch als persönlicher Sekretär des Teamchefs und versuchte ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Einmal wollte er dem „Chef“ etwas besonders Gutes tun:

Nahe des Fürstenhofs, in unmittelbarer Nähe zum Gürtel, machten die ersten Rotlichtlokale auf und die Halbwelt mit ihren Strizzis und Peitscherlbuben, die nur in Geschichten wie dieser als kommode Zeitgenossen rüberkommen, in Realität aber oft Menschenhändler sind, begannen das Viertel zu regieren. Als Nachtportier lernte auch Horak Figuren des Milieus kennen und verzapfte seinen Schmäh auch in diesen Kreisen. Eines Abends kam er auf die Idee Šťastný eine Dame des horizontalen Gewerbes aufs Zimmer zu schicken. Max stiftete eine seiner Bekanntschaften an, dem weißhaarigen Fußballfachmann spontan und ungezwungen ihre Dienste anzubieten. Šťastný, der übrigens seit 1944 verheiratet war, wurde daraufhin tatsächlich auf dem Nachhauseweg von einer hübschen Frau angesprochen, ob sie nicht mit auf sein Zimmer kommen könnte. Der Teamchef machte einen Dackelblick. „Das geht leider nicht. Ist ja schon viel zu spät.“, murmelte der Endfünfziger. Die Dame verzog das Gesicht: „Aber wieso? Es ist doch noch nicht einmal zehn Uhr!“ Šťastný beugte sich leicht nach vorne und grinste: „Gnädigste! Es geht hier nicht um Stunden, sondern um Jahre.“ Sprachs und machte sich allein in sein Hotelzimmer auf. Horak, der von der Szene natürlich erfuhr, war verblüfft.

Genau dieser Sprachwitz, sein kindischer Humor und seine Vorliebe für Neckereien waren bei Leopold Šťastný aber auf traumatische Ereignisse zurückzuführen: Der langjährige ÖFB-Coach war Jude und überlebte nur mit viel Glück in der von Hitler zerschlagenen Tschechoslowakei. Als er von der Deportation seiner Eltern 1944 erfahren hatte, hatte sich der Fußballfachmann in Tötungsabsicht in eine Glastür geworfen und nur schwer verletzt überlebt. Tiefe Narben auf der Seele waren zurückgeblieben, die Šťastný in seinen späteren Jahren mit Gags zu verdrängen versuchte. Er nahm das Leben mit Humor, schließlich bedeutete sein Name auf Slowakisch „glücklich“.

Marie Samstag