Im letzten Pflichtspiel des Jahres 2014 stand das österreichische Nationalteam in der Partie gegen Russland vor einer schweren Aufgabe. Der WM-Teilnehmer gilt als einer... Anpassung im Zentrum Schlüssel zum Sieg: Österreich baut mit 1:0 gegen Russland Tabellenführung aus

Rubin Okotie (SK Sturm Graz)Im letzten Pflichtspiel des Jahres 2014 stand das österreichische Nationalteam in der Partie gegen Russland vor einer schweren Aufgabe. Der WM-Teilnehmer gilt als einer der Hauptkonkurrenten um das direkte Ticket für die EM 2016 in Frankreich. Zudem musste man den Ausfall von David Alaba verkraften. In einem taktisch abwechslungsreichen Spiel gewann das ÖFB-Team glücklich mit 1:0.

Es waren wohl die mitreissensten Momente des ÖFB-Jahres, die sich eine gute Viertelstunde vor dem Schlusspfiff auf dem Rasen des Ernst Happel Stadions abspielten. Nach einer Standardsituation drücken die Österreicher das Leder zur vermeintlichen Führung hinter die Linie, die Pfeife des Schiedsrichters blieb aber stumm. Während sich die meisten Zuschauer noch über diese Entscheidung aufregten, schloss der eingewechselte Rubin Okotie – aus abseitsverdächtiger Position – nur wenige Augenblicke später schließlich doch das erlösende 1:0.

Neue ÖFB-Doppelsechs, Capello überrascht

Dieser Sieg ist vor allem ein Zeichen dafür, dass das ÖFB-Team mittlerweile auch in der Breite sehr gut aufgestellt ist und Ausfälle von Schlüsselspielern im Kollektiv auffangen kann. Neben Alaba musste Teamchef Marcel Koller kurz vor Spielbeginn nämlich auch Julian Baumgartlinger vorgeben, sodass es eine neue Besetzung auf der Doppelsechs gab. Stefan Ilsanker übernahm die Rolle des Mainz-Legionärs und Christoph Leitgeb bekam den Vorzug gegenüber Veli Kavlak auf der Alaba-Position.

Russlands Teamchef Fabio Capello krempelte seine Mannschaft einmal mehr um. Zum einen gab Kapitän Roman Shirokov sein Comeback, obwohl dieser nach einer längeren Verletzung erst drei Ligaspiele absolvierte. Zum anderen überraschte bei der Besetzung der Flügelpositionen, wo er mit Denis Cheryshev und Oleg Shatov zwei Spieler aufbot, die in dieser Konstellation noch nie zusammenspielten. Als Solospitze lief Aleksandr Kokorin auf – eine Rolle, die dieser im Nationalteam bisher ebenfalls selten bekleidete.

Russen kontrollieren Zentrum und Zwischenlinienraum

Kokorin hatte auch die beste Möglichkeit der ersten Hälfte, als er überraschend schnell aus der Distanz abzog und die Stange traf. Generell hatten die Russen das Spiel in dieser Phase im Griff, was vor allem darauf zurückzuführen war, dass sie das Zentrum und den Zwischenlinienraum kontrollierten. Mit Shirokov und Viktor Fayzulin besetzten zwei Spieler die Achterpositionen, die eine sehr hohe Reichweite in ihrem Spiel haben und taktisch sehr flexibel sind.

Gegen den Ball stellten sie die Passwege ins Zentrum gut zu, standen dabei zeitweise sogar höher als die Flügelspieler. Im Kombinationsspiel waren die beiden vor allem aufgrund ihres vertikalen Pendelns gefährlich, mit denen sie mit Tempo in die Halbräume kamen. Die drei anderen Offensivspieler bewegten sich passend dazu. Kokorin, der von Capello auch oft als Zehner gebracht wurde, löste sich immer wieder gut von den Innenverteidigern und fiel in den Zwischenlinienraum zurück. Dabei rückten Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregger keinesfalls schlecht mit heraus, der Russe brachte aber meist seinen Körper zwischen Ball und Gegner, spielte dann schnell weiter.

Die Nominierung von Shatov und Cheryshev auf den Außenpositionen war zudem ein Zeichen dafür, dass die Russen ihren üblichen frühen Fokus auf die Außen fallen ließen und stattdessen oft zentral durch das zweite Drittel kamen. Die beiden Flügelspieler rückten stark ein, zogen die Außenverteidiger mit und gingen dann mit Dynamik von innen nach außen in den geöffneten Raum. Insbesondere von Cheryshev ging in dieser Hinsicht Gefahr aus, während Shatov rechts weniger direkt agierte.

Staffelungsprobleme auf Zentralachse

Dass die Russen entlang der Zentralachse so viel Kontrolle hatten, lag allerdings auch an taktischen Problemen der Koller-Elf, was vor allem an der neuen Besetzung der Doppelsechs lag. Während Alaba und Baumgartlinger die Rollenverteilung mittlerweile sehr variabel gestalten, gab es zwischen Ilsanker und Leitgeb eine recht klare Trennung, die wohl auch von ihrem Zusammenspiel bei Red Bull Salzburg rührt. Dort ist Ilsanker für die defensive Stabilität und Balance zuständig, während Leitgeb viel pendelt.

Darüber hinaus spielte Zlatko Junuzovic gewohnt hoch, vor allem gegen den Ball, was in Summe zu einer sehr klaren, aber problematischen Staffelung auf der Zentralachse führte. Im obigen Bild sieht man diese. Ilsanker, Leitgeb und Junuzovic stehen auf einer vertikalen Linie. Insbesondere der Bremer kann aufgrund seiner Position überhaupt keinen Zugriff auf den Ball entwickeln. Diesen haben die Russen, erobern den Ball im Gegenpressing und kommen in eine gute Abschlussposition.

Diese klare Sechser-Achter-Zehner-Staffelung sah man auch im Ballbesitz- bzw. Aufbauspiel, vor allem in diesem Bild ist sie klar zu erkennen. Ilsanker kippte sehr weit ab, wodurch der Abstand zu Leitgeb enorm groß wurde. Die Russen spielten wieder im gewohnten Mittelfeldpressing, weshalb sie Ilsankers Abkippen nicht verfolgten und stattdessen Leitgeb zustellten. Klar herausgespielte Chancen sah man daher kaum. Die Möglichkeiten der Gastgeber entstanden vielmehr nach Umschaltmomenten, wo man die tiefe Stellung der russischen Innenverteidigung ausnutzte, oder einfachen Spielzügen. Der Ausgangspunkt für das Siegtor war beispielsweise ein simpler langer Ball von Robert Almer, der verlängert wurde.

Anpassungen in der Halbzeitpause

Die Russen hatten im Spielaufbau eine bessere Aufteilung, wodurch sie zunächst auch zu mehr und qualitativ besseren Chancen kamen. Die Außenverteidiger schoben nicht so weit vor wie jene Österreichs und Denis Glushakov kippte folglich nicht so stark ab wie Ilsanker. Da die Österreicher aber wie gewohnt im 4-4-2 und hoch pressten ergab sich dadurch eine Überzahlsituation im Zentrum zugunsten der Gäste, wie man zum Beispiel in der nachstehenden Aktion sehen kann. Damit kamen die Russen nicht nur schnell durchs Mittelfeld, sondern hatten auch eine recht gute Absicherung.

Österreich hätte dem mit einer engeren Stellung der Flügelspieler entgegenwirken können, was Koller auch in der Halbzeitpause ansprach und sich sein Team in der zweiten Hälfte dementsprechend verhielt. Ilsanker kippte im Aufbauspiel nicht mehr so stark ab, Marko Arnautovic und Martin Harnik standen im Pressing tiefer, aber enger. Zu vielen klaren Torchancen kam man zwar weiterhin nicht, jedoch hatte man dadurch mehr Kontrolle. Die russischen Angriffsversuche wurden früh abgefangen, die eigenen Ballbesitzzahlen stiegen und dank eines Lucky Punch wurde schließlich der Sieg fixiert.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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