Auch mal ein Auge zudrücken: Marko Arnautovic ist wieder ÖFB-Teamspieler! Aber wie soll's jetzt weitergehen?
Nationalteam 28.August.2011 Daniel Mandl 0
Marko Arnautovic wurde für die Länderspiele gegen Deutschland und die Türkei ins ÖFB-Nationalteam nachberufen. Zuvor war der Werder-Bremen-Legionär auf Abruf gestellt worden. Als „Begnadigung“ kann man diese Nachberufung allerdings nicht bezeichnen…
…denn Arnautovic stand ja bereits im erweiterten Teamkader. Wie bereits vor einigen Tagen berichtet, war dies eine absolut unlogische Entscheidung des Teamchefs. Entweder er belässt es dabei, dass Arnautovic aus disziplinären Gründen nicht dabei ist, oder er holt ihn ins Team und lässt ihn spielen. Nach Rücksprache mit Werder-Coach Thomas Schaaf darf Arnautovic nun also wieder Rot-Weiß tragen, zumal der Langzeittrainer der Norddeutschen ihm deutliche Fortschritte attestierte.
Der „Verrückte“ beginnt zu treffen!
Diese Rücksprache ist allerdings kritisch zu betrachten. Dass Arnautovic „Fortschritte“ machte, bemerkt man sogar, wenn man sich vor dem Fernsehgerät die Live-Konferenz zur deutschen Bundesliga ansieht – immerhin traf Arnautovic sowohl letzte Woche gegen den SC Freiburg, als auch diese Woche gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Wenn sich Arnautovic beim 5:3 gegen Freiburg in der Schlussphase den Ball schnappt, um den später von Aaron Hunt verwandelten Elfmeter zu schießen und vielleicht danach noch den Querpass des Abschlusstorschützen Wesley vors leere Tor bekommt, steigt er aus der Partie als Einwechselspieler womöglich sogar mit drei Toren aus. Seinen Instinkt zeigte Arnautovic auch gegen Hoffenheim, in einer Szene als er wegen Abseits zurückgepfiffen wurde, durch einen cleveren Laufweg plötzlich vor dem gegnerischen Keeper auftauchte und nur um Sekundenbruchteile zu spät startete. Arnautovic präsentiert sich in der deutschen Bundesliga weiterhin als Mann der Extreme: Entweder ganz oder gar nicht, entweder dominant und torgefährlich oder nicht vorhanden.
Arnautovic wäre kein Fremdkörper – auf der richtigen Position
Allgemein lässt sich der 22jährige Offensivspieler als flexibel bezeichnen. Er ist einer, den man in verschiedenen Systemen auf verschiedenen Positionen bringen kann. Bei Werder spielte er jedoch in den letzten beiden Partien auf seiner Idealposition als klassische Spitze. Arnautovics läuferischer Aufwand ist verhältnismäßig gering, doch eben deswegen ist er an vorderster Front so gefährlich, kann dem Gegner durch kurze, dynamische Aktionen Nadelstiche versetzen. Auch im Nationalteam wäre die Position der Solospitze eine ideale Variante, zumal dahinter hart arbeitende Spieler wie Harnik, Alaba oder Junuzovic Räume schaffen und zahlreiche Torchancen kreieren können. Während aber Twente-Bomber Marc Janko oder Neo-Bulle Stefan Maierhofer oft wie Fremdkörper wirken, wäre mit Arnautovic die Bindung zwischen Mittelfeld und Angriff eher gegeben. Auch weil der gebürtige Floridsdorfer nicht unbedingt wie ein Stürmer denkt, selbst in Vergangenheit zahlreiche Positionen bekleidete, die dafür vorgesehen sind, Torchancen zu erzeugen.
Er muss selbst „wollen“!
Was macht diesen Marko Arnautovic so launisch? 2008/09 erzielte er 19jährig 13 Saisontore für den FC Twente, wurde über den grünen Klee gelobt. U21-Teamchef Herzog bezeichnete ihn als einen Spieler, der wohl von allen österreichischen Kickern der Neuzeit das größte spielerische Potential hat. Das Hauptproblem des Marko Arnautovic ist eines, welches zuvor schon viele talentierte Kicker scheitern ließ. Der Stürmer hört nun seit gut vier Jahren regelmäßig wie toll und talentiert er ist. Er hört, dass er einer der größten Fußballer ist, den unser Land hervorgebracht hat, ein Hoffnungsträger, wie man ihn in Österreich zuvor selten sah. Aber vom Hochjubeln alleine, wurde noch kein Spieler ein gestandener Profi oder gar ein Spieler von internationalem Format. Arnautovic muss endlich selbst „wollen“, das verfrühte Lob bestätigen, seine Kritiker Lügen strafen. Wenn man jedoch ein sensibler und zugleich extrovertierter Charakter ist – eine teuflische Mischung -, gestaltet sich das ziemlich schwierig, wenn die Medien sich zwischen oder während Spielen wegen jeder Verfehlung wie Hyänen auf den jungen Kicker stürzen. Es ist ein Teufelskreis, durch den sich die Katze in den Schwanz beißt. Arnautovic hört in den Medien, dass er genial ist. Arnautovic hört in den Medien, dass er ein hirnloser Trottel ist. Seinen mentalen Zustand könnte man dadurch aus der Ferne als zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt einschätzen.
Die Wahrheit liegt immer auf dem Platz
Für einen Spieler wie Arnautovic ist Vertrauen das Wichtigste. Wenn man ihn lässt, wird er dieses Vertrauen früher oder später mit Toren und guten Leistungen danken. Klar ist es gerade im modernen Fußball wichtig, dass Fußballer mit einer gewissen Vorbildwirkung auftreten. Nie zuvor stand man im Fußballgeschäft stärker in der Öffentlichkeit als heutzutage. Doch es kommt am Ende immer darauf an, was auf dem Feld passiert – nicht ob man auf Damen mit Tattoos und Silikonbrüsten steht oder ob man in spätjugendlichem Leichtsinn ein Auto verschrottet, das sich Normalos ihr Leben lang nicht leisten können. Als Trainer ist man in der Arbeit mit dem exzentrischen Österreicher sicher hin- und her gerissen – vor allem wenn man Thomas Schaaf heißt und seinen Klub nicht nur für Erfolge und Geld coacht, sondern auch aus sentimentalem Idealismus heraus. Man möchte das Beste für seinen Klub, für seine Mannschaft, trägt ein großes Maß an Verantwortung dafür, wie die Außendarstellung eines Spielers ist und wie er sich gegenüber seinen Teamkollegen verhält. Also muss ein Trainer wie Schaaf seinem Schützling schon mal einen Riegel vorschieben, wenn seine öffentliche Präsenz mal wieder nicht passt. Auch wenn er selbst weiß, welch großes Potential in ihm schlummert und er ihn gerade in einer verkorksten und schwierigen Saison wie 2010/11 auf dem Feld brauchen könnte und von den Fähigkeiten des Fußballers Arnautovic überzeugt ist. Nicht umsonst grinste Klaus Allofs bei Arnautovics Spielerpräsentation wie ein kleines Kind, das man über Nacht in einem Süßigkeitenladen einschloss. Bei Werder weiß jeder, was passieren kann, wenn Arnautovic explodiert.
Positivbeispiel Twente Enschede
Gegenbeispiel Twente: In Enschede lernte Arnautovic das Fußballspielen, debütierte fünf Tage vor seinem 18.Geburtstag in der Eredivisie gegen PSV Eindhoven. Dass sich der Österreicher in den Niederlanden in seinem Umfeld wohl fühlte merkte man nicht nur an seinen späteren Treffern für den heutigen Janko-Klub, sondern auch an durchwegs vernünftigen Interviews in perfektem Niederländisch. Im verrückten Holland sagte man sich eben: Ok, der Arnautovic hat sicher einen kleinen Knacks, aber was zählt sind die 90 Minuten am Wochenende. Und Arnautovic dankte diese Einstellung ihm gegenüber mit Toren. Es kommt nicht nur darauf an, was ein Spieler seiner Mannschaft geben kann, sondern auch was man selbst dem Spieler entgegenbringen kann – und das ist in Arnautovics Fall nicht immer der nötige Respekt. Mit einem Spieler, der regelmäßig negativ auffällt, fährt man als disziplinliebender Trainer schon mal aus Ärger „Schlitten“. Bei Inter Mailand war die Situation mit einem Weltklassetrainer und einem stargespickten Team eine andere. Hierbei handelte es sich um ein Level auf dem Arnautovic nicht bestehen konnte.
Constantini in dankbarer Lage
Fakt ist aber auch, dass die Arbeit mit Arnautovic für einen Trainer wie Constantini eine wesentlich stressfreiere ist, als für einen Trainer wie Schaaf. Er muss den Spieler nicht jeden Tag streicheln und ihm ins Gewissen reden, sondern hat ihn nur für einen sehr begrenzten Zeitraum unter seinen Fittichen. Und in ebendiesem begrenzten Zeitraum sollte man über die vielen persönlichen Unzulänglichkeiten hinwegsehen und sich gemeinsam mit dem Spieler darauf konzentrieren, auf was es ankommt, nämlich den Fußball. Constantini hat als Teamchef im Bezug auf einzelne Spieler wie Arnautovic einen relativ dankbaren Job, sollte die Situation aber nicht erschweren – sowohl für sich selbst als auch für den Spieler – indem er auf den Zug derer aufspringt, die Arnautovic das Hirn absprechen und ihn auf seine Blödheiten abseits des Platzes reduzieren. Im Fall des Marko Arnautovic gibt es also nur eine Devise: Spielen lassen, Vertrauen schenken, auch mal ein Auge zudrücken, wenn er sein Ego raushängen lässt. Im Klub fruchtet es schön langsam – Arnautovic erzielte zum Start der deutschen Bundesligasaison 2011/12 in drei Spielen oder 115 Minuten zwei Treffer.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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