Das beste Spiel in der Koller-Ära: Österreich nach 1:0 gegen Montenegro Tabellenführer
Nationalteam 13.Oktober.2014 Alexander Semeliker 1
Das österreichische Nationalteam steht in der Qualifikation für die EM an der Tabellenspitze der Gruppe G! Am Sonntagabend setzte sich die Truppe von Marcel Koller gegen die Auswahl aus Montenegro im Ernst Happel Stadion mit 1:0 durch. Für den Teamchef war es, über 90 Minuten gesehen, das beste Spiel seiner Amtszeit.
Vor 44.200 Zuschauern dominierte das ÖFB-Team vor allem in der ersten Halbzeit, hatte zahlreiche Chancen, um das Ergebnis deutlicher ausfallen zu lassen. Aufgrund der mangelhaften Chancenauswertung wurde es letztlich ein Zittersieg, bei dem Montenegro gegen Ende hin zu der einen oder anderen guten Chance kam. Das rot-weiße-rote Siegtor erzielte Rubin Okotie.
Okotie bekommt Vorzug vor Hinterseer
Der Legionär von 1860 München ersetzte den gesperrten Marc Janko als Solospitze in der 4-2-3-1-Grundformation und bekam somit den Vorzug gegenüber Lukas Hinterseer. Die Wahl zugunsten Okoties, so Koller, fiel aufgrund dessen, dass er ein klassischer Stürmer sei, während Hinterseer eher aus der Tiefe kommt. Tatsächlich fiel auch Okotie in diesem Spiel das eine oder andere Mal zurück, allerdings um die Kombinationen im Mittelfeld zu unterstützen. Ansonsten bespielte er die Schnittstellen der Viererkette und orientierte sich tief in den Strafraum, wenn der Ball auf den Flügeln war.
Bis auf die erwartete Umstellung in der Innenverteidigung, wo Martin Hinteregger nach seiner kurzen Verletzungspause wieder anstelle von Sebastian Prödl spielte, sah man das erwartete Personal. Am rechten Flügel kehrte Martin Harnik nach seiner starken Leistung in Moldawien zurück in Startelf und war mit seiner tororientierten Spielweise auch in diesem Spiel an einigen gefährlichen Szenen entscheidend beteiligt.
Verlagerungen und Durchbrüche auf den Seiten
Die Österreicher bestimmten von Anfang an den Rhythmus dieser Partie, da sich Montenegro zunächst passiv zeigte. Wie schon in Moldawien erzeugten die Koller-Elf viel Gefahr nach Durchbrüchen auf den Seiten. Während es am Donnerstag in erster Linie formationsbedingte Gründe waren, war es in diesem Spiel ein Mix aus besseren individuellen Qualitäten und guten taktischen Abläufen. Es kam nämlich sehr oft zu Seitenverlagerungen bzw. Diagonalpässen im Spielaufbau.
Insbesondere die rechte Seite der Montenegriner wurde dadurch oft entblößt, da der dortige Flügelspieler, Fatos Beciraj, am passiven Flügel nicht konsequent nach hinten arbeitete. So konnte Christian Fuchs immer wieder problemlos hinterlaufen. Auf der anderen Seite sorgte Harnik mit seiner hohen Feldposition und seinen diagonalen Läufen einerseits für Gefahr, anderseits wurde dadurch auch der offensiv starke Linksverteidigers Montenegros hinten gebunden. Darüber hinaus zeigte Florian Klein als Rechtsverteidiger erneut eine gute Leistung, war in seinem Bewegungsspiel auch variabler als Fuchs.
Erneut sehr hohe Fluidität
Anders als der ÖFB-Kapitän rückte der VfB-Legionär nämlich – wie schon in Moldawien – phasenweise auch in Mitte bzw. bot sich im Halbraum an, wie man zum Beispiel im nachstehenden Bild sieht.
Man erkennt hier auch, dass das Positionsspiel des ÖFB-Teams erneut sehr fluid war. Okotie ist in dieser Szene beispielsweise auf die Position des Rechtsverteidigers gegangen, während Harnik und Zlatko Junuzovic das Sturmzentrum besetzen. Marko Arnautovic als nomineller linker Flügelspieler steht relativ tief. Dadurch hat er einen großen Abstand zum montenegrinischen Rechtsverteidiger und kann bei einer potenziellen Verlagerung mit Tempo auf diesen zu dribbeln.
Extreme Flexibilität – vor allem im Zentrum
Der Grundstein für diesen wichtigen Sieg legten die Österreicher im Zentrum, wo Julian Baumgartlinger, David Alaba und Junuzovic jeweils überragende Leistungen ablieferten. Zu Beginn der Partie waren die Aufgaben der drei noch relativ klar verteilt. Alaba kippte im Spielaufbau ab, während Baumgartlinger dabei meist überspielt wurde und in erster Linie als Balancegeber fungierte. Die Rolle von Junuzovic war weniger spektakulär, da er diesmal weniger spielmachende Aufgaben übernahm und es kaum zu Pressingaktionen kam, bei denen er seine Stärke im Laufspiel einbringen konnte.
Er zog in erster Linie Räume für seine Nebenleute frei, was aber nicht weniger wichtig war. Insbesondere seine Verschiebungen zum aktiven Flügel waren interessant. Damit sorgte er dort nämlich für eine lokale Überzahl. Folgte ihm sein Gegenspieler, gab das auf der anderen Seite Räum für Verlagerungen, was das ÖFB-Team wie erwähnt in der ersten Halbzeit gerne und oft annahm. Mit der Fortdauer des Spiels veränderten sich diese Rollenverteilungen aber.
Es kam nun häufiger zu Rochaden zwischen dem Mittelfeldtrio, was das wacklige Montenegro-Zentrum vor große Schwierigkeiten stellte. Alaba ging häufiger vertikal nach vorne, besetzte die Halbräume – ähnlich wie Junuzovic. Baumgartlinger stand tiefer und es entstand über weite Strecken ein 4-1-4-1, beim der Mainz-Legionär im Gegenpressing unüberwindbar wirkte. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte leitete er mit einem derartigen Ballgewinn im gegnerischen Sechserraum auch direkt eine gute Chance ein. Noch krasser war jedoch eine Aktion zu Beginn der zweiten Halbzeit, als Baumgartlinger die Rolle des Stürmers übernahm und ins Pressing ging.
Dass man die zuvor erwähnte Fluidität und die Positionsrochaden der Zentrumsspieler in der Entstehung des 1:0 sah, war eine logische Konsequenz. Junuzovic ließ sich im Aufbau ebenso zurückfallen wie Okotie, der hier schon wieder mit Tempo in die Spitze läuft. Dadurch öffnet er den Raum für den einrückenden Harnik. Die beiden Achter stehen in „vertauschten“ Rollen, während Klein rechts und Arnautovic links die Breite halten. Letzterer bekommt anschließend den Ball, setzt sich gegen zwei Montenegriner durch und bringt den Ball zur Mitte, wo Okotie einnetzt.
Schlechte Chancenauswertung lässt schwaches Montenegro leben
Chancen erarbeiteten sich die Österreicher quasi aus allen möglichen Situationen: schnellen Kombinationen durchs Zentrum oder über die Flügel, nach Gegenpressing- oder Einzelaktionen, genauso wie Kontermöglichkeiten in der zweiten Halbzeit. Jedoch brachten sie den Ball kein zweites Mal im Tor der Montenegriner unter, sodass diese in der zweiten Halbzeit selbst zu guten Möglichkeiten kamen. Ein Ausgleich wäre für die Südosteuropäer aber mehr als schmeichelhaft gewesen, wenngleich sie interessante Ansätze zeigten.
In der Anfangsphase spielte das Team von Branko Brnovic mit einem tiefen 4-4-1-1-Mittelfeldpressing, bei dem Stürmer Mirko Vucinic aber vorne isoliert von seinen Mitspielern agierte. Im Spiel mit dem Ball formierten sie sich in einer 4-2-1-3-Staffelung, mit der sie den Österreichern einige kleinere Probleme bereiteten. Durch die hohen Positionen der Angreifer, die die Abwehr nach hinten drängten, kamen sie nämlich das eine oder andere Mal hinter die erste Pressinglinie der Gastgeber. Zu mehr als Halbchancen aus der Distanz reichte es aber nicht.
Zur zweiten Halbzeit brachte Brnovic dann mit Stevan Jovetic den Star des Landes, der im Vergleich zu Simon Vukcevic den Zwischenlinienraum und die Halbräume besser bespielte. Der ManCity-Angreifer kam auch zu einer sehr guten Chance in der 74. Minute. Dabei profitierten die Montenegriner aber wohl davon, dass das österreichische Zentrum, trotz des hohen Aufwands, den man davor betrieben hatte, häufig in Konter mitging anstatt abzusichern. Dass sich dafür die Außenverteidiger zurückhielten, reichte zur Absicherung insofern nicht, als Montenegro mit Tempo auf diese zulaufen konnte.
Letztlich waren die Montenegriner aber auch in dieser Phase dem ÖFB-Team keinesfalls überlegen, sondern bestenfalls ebenbürtig. Die beste Chance der Gäste, ca. fünf Minuten vor dem Ende, konnte der bei vielen Fans in der Kritik stehende Robert Almer aber mit einem glanzvollen Reflex vereiteln. Damit gehen die Österreicher als Tabellenführer im November in das Spiel gegen Russland, das zuhause über eine 1:1 gegen Moldawien nicht hinauskam.
Alexander Semeliker, abseits.at
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