David Alabas neue Rolle beim FC Bayern und die daraus resultierenden Auswirkungen und Optionen für die Nationalmannschaft
DeutschlandNationalteam 5.März.2014 Rene Maric 0
In dieser Saison hat sich David Alabas Rolle beim FC Bayern verändert. Schon in der vergangenen Spielzeit agierte er als Linksverteidiger bereits überaus modern, doch unter Pep Guardiola haben sich die Anforderungen an ihn und seine Positionsinterpretation noch erweitert. Dieser Artikel beschäftigt sich mit diesen Veränderungen und was sie für Alabas künftige Entwicklung – auch in Bezug auf die österreichische Nationalmannschaft – bedeuten könnten.
Das Besetzen des Halbraums im Aufbauspiel
Vielfach werden die „einrückenden“ beziehungsweise „hineinkippenden“ Außenverteidiger als bislang größte Einzeländerung der Bayern unter Guardiola gesehen. Damit ist gemeint, dass die beiden Außenverteidiger – diese Saison meistens Rafinha auf rechts mit Alaba – nicht immer die Breite im Aufbauspiel geben, sondern etwas näher an die Mitte rücken. Sie bewegen sich zum Zentrum und stehen dann meistens im defensiven Halbraum. Wird der eigene Innenverteidiger z.B. von einem gegnerischen Flügelspieler gepresst, so kann sich der Außenverteidiger durch das Hineinkippen aus dessen Deckungsschatten befreien und für den Innenverteidiger anbieten.
Deutlich öfter und wichtiger ist aber die Unterstützung der zentralen Mittelfeldspieler. Immer wieder rücken Alaba und Rafinha dann in die Mitte, wenn die Sechser dort den Ball erhalten und die anderen Anspielstationen versperrt sind. Dies kann zum Beispiel durch tief stehende Stürmer, ein zu großes Verschieben zum Ball hin oder Manndeckungen in der Spielfeldmitte geschehen. Ist dies der Fall, dann schieben die Außenverteidiger in die Mitte und bieten sich für Direktablagen der zentralen Mittelfeldspieler an. Diese können dann angespielt werden, kombinieren mit den Außenverteidigern und überladen effektiv das Mittelfeldzentrum.
Auch ballferne Nutzung des Hineinkippens möglich
Insbesondere bei Spielverlagerungen ist dies der Fall. Wenn Bayern auf einer Seite den Ball zirkuliert, so spielen sie sich meist Kurzpässe zu. Die Sechser unterstützen dann die Flügelstürmer, welche sich wiederum flexibel bewegen, während die gegnerische Mannschaft zum Ball schiebt. Lange Bälle auf die andere Seite sind nicht nur schwierig, sondern auch riskant. Da aber der ballferne Außenverteidiger in diesen Situationen oft bis in die Spielfeldmitte einrückt, kann er sich für Querpässe anbieten und sich dann ins Kombinationsspiel miteinschalten oder auf die Innenverteidiger zurücklegen. Dadurch wird nicht nur ballnah das Hineinkippen effektiv genutzt, sondern auch ballfern. Die eingerückte Position hat aber nicht nur in der ersten Aufbauphase eine wichtige Wirkung.
Eine neue Variante des Vorderlaufens und Alabas besondere Rolle
Auch in der letzten Saison haben die bayrischen Außenverteidiger immer wieder ihre Vordermänner nicht hinter-, sondern vorderlaufen. Das bedeutet, dass sie bei Ballbesitz der Flügelstürmer nicht hinter ihnen nach vorne sprinteten, um Gegner wegzuziehen, sondern dies durch diagonale Läufe vor ihnen taten. Sie konnten dadurch den Ball in strafraumnäheren Zonen erhalten und auch die Räume in der Mitte stärker öffnen, zusätzlich hatte der Gegner größere Probleme beim Übergeben.
Aber sogar vergangenes Jahr wurden diese taktischen Mittel meistens aus seitenliniennahen Zonen praktiziert. Die Außenverteidiger befanden sich meistens nahe an der Auslinie und setzten dann zum Hinter- oder Vorderlaufen an. Seit Guardiola wird dies – besonders von Alaba – nunmehr etwas anders gehandhabt. Durch die hineingekippte Position startet er seine Läufe nicht von flügelnahen Zonen, sondern aus dem Halbraum. Das ermöglicht ihm mehr Spielraum in seinen Bewegungen; teilweise tauchte er in dieser Saison sogar kurzzeitig in Nähe des Mittelstürmers auf, er konnte durch Vertikalläufe im Halbraum im letzten Drittel wieder auf die Seite ziehen und Probleme beim Übergeben der Gegner erzeugen. Seine Läufe sind nicht mehr stark aufs Flanken und Flügelkombinationen fokussiert, sondern strategisch vielfältiger eingebunden.
Alaba hat hier auch eine besondere Rolle: Rafinha auf rechts spielte selten so hoch, so intensiv und so variabel wie Alaba, wobei Rafinha dafür in tieferen Zonen bisweilen etwas stärker einrückt und als Unterstützung für das defensive Mittelfeld agiert, Alabas Läufe unterstützen eher das offensive Mittelfeld. Allerdings wird diese Spielweise nicht immer verwendet, sondern gegnerabhängig genutzt. Gegen Schalke 04 war es wieder der Fall, nachdem man es in der Endphase der Hinrunde seltener gesehen hatte – Alaba zeigte abermals eine hervorragende Partie. Generell scheint er, auch dank dieser Änderungen und Anpassungen, einen weiteren Sprung nach vorne gemacht zu haben.
Die taktische und spielerische Entwicklung Alabas
Nachdem sich Alaba schon vergangene Saison zu einem der besten Linksverteidiger der Welt mauserte, überzeugt er auch dieses Jahr konstant. Fast scheint es, als ob er unter Guardiola ebenso wie die restliche Mannschaft noch eine Stufe stärker beziehungsweise erfolgsstabiler geworden ist. Natürlich kann man diese Entwicklung potenziell auf viele unterschiedliche Ursachen zurückführen.
Eine Erklärung wäre die bessere Einbindung von Alabas Fähigkeiten in das bayrische Gesamtkonstrukt, welches ihn nur besser wirken lässt. Eine weitere Möglichkeit könnten die hervorragenden Coachingfähigkeiten Guardiolas sein, die Alaba noch besser gemacht haben. Als dritter Erklärungsansatz ist ein natürlicher Entwicklungssprung Alabas, der noch sehr jung ist. Vermutlich dürfte eine Interaktion dieser drei (und womöglich noch mehr) Faktoren seine weitere Verbesserung erklären.
Alaba ist taktisch reifer geworden, wählt seine Laufwege geschickter und ist im defensiven Stellungsspiel noch stabiler. Sogar im Passspiel ist Alaba noch eine Stufe besser geworden. Obwohl er noch offensiver spielt (doppelt so viele Torschussvorlagen pro Spiel wie in der vergangenen Saison, dazu mehr Pässe, Dribblings, Schüsse und Scorerpunkte im Schnitt), hat sich seine Passquote sogar verbessert. Auch spielerisch scheint ein Fortschritt vorhanden zu sein. Diese Verbesserung hilft natürlich nicht nur dem FC Bayern und Alaba selbst, sondern auch dem ÖFB.
Eine neue Option für die Nationalmannschaft?
Neben des verbesserten taktischen Geschicks und einer (leichten) Steigerung in puncto spielerischer Qualität könnte Alabas Spielweise sich auch grundlegend verändern. Insbesondere seine Vertikalläufe aus dem Halbraum ins letzte Drittel oder gar auf den Flügel könnten in Zukunft vermehrt sichtbarer werden. Allerdings hängt dies auch davon ab, wie genau Marcel Koller ihn einbinden möchte. Theoretisch ist es kein Problem, wenn Alaba so weiterspielt wie bisher – nur noch besser, stabiler und mit situativ passenden Offensivausflügen von seiner Sechserposition aus.
Alternativ könnte man natürlich auch eine asymmetrische Formation aufbauen, in welcher Alaba nicht mehr als Sechser agiert. Dort könnte man ihn zum Beispiel als linken Außenverteidiger in einer Rolle wie bei den Bayern nutzen, während der Rechtsverteidiger sich tiefer hält und Alabas Freirolle absichert. Alaba könnte dann nicht nur nach vorne gehen, die linke Seite beackern und situativ hineinkippen, sondern sich für längere Phasen in den Sechserraum bewegen und dort die Mitte überladen. Dies würde man dann mit einer situativen Dreierkette durch den tieferen Rechtsverteidiger absichern. Das Öffnen von Direktpässen auf die offensiven Flügel durch die Innenverteidiger oder das verstärkte Besetzen des Halbraums im Gegenpressing nach Ballverlusten wären positive Auswirkungen dieser Staffelung. Alles in allem erscheint es zwar unwahrscheinlich, doch Guardiola und Alaba zeigen neue Wege auf, die Marcel Koller gehen kann – aber nicht muss.
René Maric, www.abseits.at
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