Debütanten: Die Perspektiven von Onisiwo und Kainz im ÖFB-Team
Nationalteam 14.November.2015 Alexander Semeliker 0
Zum Abschluss des Länderspieljahres 2015 trifft das österreichische Nationalteam am kommenden Dienstag auf die Schweiz. Bereits eine Woche davor versammelte Teamchef Marcel Koller seine Spieler um weiter am taktischen Konzept zu arbeiten. Erhöhte Aufmerksamkeit dürften dabei vor allem jene Spieler bekommen, die zum ersten Mal dabei sind.
Insgesamt vier neue Gesichter gibt es im Trainingslager im spanischen Alicante. Neben Andreas Lukse, der wohl nur Außenseiterchancen auf einen EM-Kaderplatz hat, und Robert Gucher, den wir bereits vorgestellt haben, sind auch zwei Flügelspieler aus der heimischen Bundesliga im Aufgebot. Deren mögliche Rollen wollen wir im Folgenden diskutieren.
Spektakulärer Senkrechtstarter
Schon bei Kollers letzter Kaderbekanntgabe Ende September stand Karim Onisiwo auf der Abrufliste. Nach der Verletzung von Martin Harnik ist nun auch ein aktiver Teil des Teamtrainings. Der schnelle Aufstieg des 23-Jährigen ist flächendeckend bekannt: im Sommer 2014 wechselte er aus der Regionalliga zum SV Mattersburg in die Sky Go Erste Liga, dort wurde zum besten Spieler der letzten Saison gekürt und nun gehört er auch in der Bundesliga zu den spektakulärsten Spielern.
Individuell kann Oniwiso in fast allen Kategorien mithalten. Er ist technisch stark genug, um ein, zwei Gegenspieler auf einmal auszuspielen. Hat er einmal Tempo aufgenommen, ist er kaum aufzuhalten – zum einen aufgrund seiner guten Schnelligkeiten, andererseits aufgrund seines robusten Körpers. Nur zwei Stürmer in der Bundesliga gewinnen mehr Zweikämpfe. Wie man anhand seiner Radargrafik herauslesen hat er vor allem im kombinativen und torgefährlichen Bereich sehr gute Werte.
Drei Torschussbeteiligungen pro 90 Minuten scheinen auf den ersten Blick nicht so überzeugend, wie man es vermutet hätte, wenn man diesen Wert auf die Anzahl des ganzen Teams skaliert, wird die große Bedeutung von Onisiwo für die Mattersburger Durchschlagskraft sichtbar: an jedem dritten Torschuss ist er nämlich direkt beteiligt.
Neue Facetten
Die besonders starke Athletik ist im Kampf um einen Kaderplatz wohl auch Onisiwos größter Trumpf, mit der eine neue individuelle Facette ins Team bringen könnte. Einzig Marko Arnautovic wirkt am Ball so wuchtig wie der gebürtige Wiener. Andererseits ist dieser taktisch etwas anders gepolt. Arnautovic hat mittlerweile ein recht großes Repertoire, zeigt neben seinen gewohnten Diagonalläufen zum Tor auch starke Einfädlerqualitäten. Er spielt scharfe Pässe aus der Etappe, entweder in den Zwischenlinienraum oder hinter die Abwehr, legt aber nach wie vor auch noch nach Dribblings in den Strafraum ab.
Onisiwos Verhalten am Flügel ist hingegen etwas eindimensionaler – meistens direkt Richtung Tor gerichtet. Während seine individuellen Qualitäten sich am ehesten mit jenen von Arnautovic überlappen, tut es sein Bewegungsspiel am ehesten mit jenen von Martin Harnik, der jedoch auch etwas kombinativer wirkt. Neben der Rolle am Flügel könnte Onisiwo möglicherweise auch für die Mittelstürmerposition infrage kommen. Dabei würde er eine weiträumigere und tordirektere Alternative zu Marc Janko darstellen.
Mustergültige Konstanz
Ein fast gänzlich anderer Flügelspielertyp als Onisiwo ist Florian Kainz, der erst nach der Absage von Zlatko Junuzovic nachnominiert wurde. Der Rapid-Akteur ist übrigens über ein halbes Jahr jünger als der SVM-Profi, was einen angesichts seiner bisherigen Karriere durchaus überraschen kann. Kainz gehörte schon bei Sturms Meistertitel 2011 zum Stammpersonal und hat neben 144 Bundesligaspielen auch international bereits 22 Partien in den Beinen.
Bei Rapid scheint der Steirer einen großen Entwicklungsschritt gemacht zu haben, den ihn manche bei seinem Wechsel nicht zugetraut haben. Besonders in einer Disziplin war Kainz jedoch immer schon besonders stark: er rief seine Leistungen mit einer beeindruckenden Konstanz ab. Mittlerweile zeigt er diese noch dazu auf einem individuell höheren Niveau und wirkt aufgrund der umliegenden Strukturen dominanter.
Anders als Onisiwo, den es meist in die Gefahrenzone zieht, hält sich Kainz von dort auch heraus. Sein Schwerpunkt liegt etwas tiefer und breiter, ist vom Bewegungsprofil eher ein klassischer Flügelspieler. Die Ausrichtung von Rapid passt dazu insbesondere, weil es mit Stefan Stangl bzw. Thomas Schrammel dahinter variantenreiche Außenverteidiger gibt, die Kainz gegebenenfalls vorderlaufen. Dass Kainz dennoch in nahezu jedem Bereich höhere Werte als Onisiwo hat, zeigt wie wirkungsvoll der Rapidler seine Aktionen setzt.
Braucht es einen weiteren Spezialist?
Aufgrund seines Radars möchte man sich die Frage stellen, warum nicht Kainz den Kaderplatz von Harnik zugesprochen bekam. Zwei Gründe dafür könnten die beiden obengenannten Punkte sein. Onisiwos Bewegungen gleichen jenen von Harnik eher, zudem ist er individuell flexibler. Gerade Letztgenanntes ist ein durchaus wichtiger Faktor für Spieler, die nicht der ersten Elf angehören. Ist man auf mehrere Arten einsetzbar, spart man sich als Trainer unter Umständen einen Spezialisten für Bank. Neben Onisiwo bringen diese Eigenschaft auch die anderen Kandidaten für offensive Dreierreihe mit.
Marcel Sabitzer kann beide Flügel bekleiden, spielte unter Koller auch schon als Konterstürmer und ist auch ein Kandidat für Zehnerposition. Lukas Hinterseer spielt bei Ingolstadt entweder am Flügel oder als Mittelstürmer, während er im ÖFB-Team als hängende Spitze agierte. Jakob Jantscher wurde von Koller ebenfalls entweder am Flügel oder im offensiven Zentrum eingesetzt. Dass die Tür für Spezialisten nicht gänzlich zu ist, zeigt Koller allerdings gerade die Nominierung von Kainz. Mit Guido Burgstaller gäbe es nämlich einen weiteren formstarken Offensivallrounder in der Hinterhand.
Alexander Semeliker, abseits.at
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