Der Neo-Teamchef im Porträt (1): Die persönliche Entwicklung des Franco Foda
Nationalteam 11.November.2017 Sebastian Ungerank 1
Sehr viel wurde in den letzten Tagen und Wochen über die Geschehnisse beim ÖFB und die nach dem Aus von Marcel Koller entstandene Teamchef-Suche geschrieben und diskutiert. In den Medien und den sozialen Netzwerken standen dabei leider wieder einmal fast ausschließlich emotionale und persönliche Aspekte im Fokus. Die mächtigen Landespräsidenten wurden dabei ebenso auseinandergenommen wie undurchsichtige Entscheidungsprozesse in ÖFB-Gremien, unglückliche Pressekonferenzen und angebliche „Top-Power-Point Präsentationen“ von möglichen Teamchef-Kandidaten. Und einige suchten noch ganz verzweifelt nach einer Analyse zur missglückten Europameisterschaft 2016. Sportdirektor Willi Ruttensteiner sollte nämlich nicht die nötigen Schlüsse daraus gezogen haben. Dabei darf man den entscheidenden Punkt dieser ganzen Debatte nicht übersehen: In Österreich soll in Zukunft wieder der Fußball im Mittelpunkt stehen und nicht die Wissenschaft.
All jenen, die davon genug haben, bieten wir ein Kontrastprogramm. Wir richten den Scheinwerfer auf das Spielfeld und analysieren in dieser vierteiligen Serie unter anderem die Entwicklung des Trainers Franco Foda, sein aktuelles Spielmodell mit Sturm Graz und versuchen mögliche Modelle für das zukünftige Spiel der Nationalmannschaft unter Foda zu konstruieren. Im ersten Teil widmen wir uns der persönlichen Entwicklung von Franco Foda!
Die persönliche Entwicklung des Franco Foda
Bevor wir das Spiel von Sturm Graz in dieser Saison unter die Lupe nehmen ist es sinnvoll, sich grob die Entwicklung des Trainers Frano Foda vor Augen zu führen. Ein mitentscheidender Punkt für seine Bestellung zum Teamchef dürfte seine Entwicklung und Arbeit bei Sturm Graz im letzten Jahr gewesen sein. Vor allem von der letztjährigen zur heurigen Saison entwickelte er sich noch einmal enorm weiter und strukturierte das Spiel seiner Mannschaft praktisch gänzlich neu. Die sportliche und taktische Entwicklung von Sturm Graz geht daher einher mit der persönlichen Entwicklung des Trainers Franco Foda. Dabei scheute er nicht davor zurück, Korrekturen in seiner Arbeit vorzunehmen bzw. sogar ganz neue und moderne Wege einzuschlagen. Diese rasante Entwicklung kam dann doch etwas überraschend, galt er doch für viele als äußerst pragmatisch und konservativ. Oft vermittelten diesen Eindruck auch seine Mannschaften auf dem Platz.
Grob gesagt kann man drei wesentliche Aspekte festhalten, an denen sich die Entwicklung von Franco Foda manifestiert.
Foda verabschiedete sich von seiner fast schon dogmatischen 4-4-2 Grundordnung und öffnete sich hin zu flexiblen Grundordnungen und Systemen. Jahrelang gab es keinen Zweifel daran, mit welcher Grundordnung er seine Mannschaften auf das Spielfeld schickte. Dabei schien es fast egal zu sein, welche Spielertypen er zur Verfügung hatte bzw. wie der Gegner eventuell spielen könnte. Franco Foda gab es nur mit einem 4-4-2. Der Erfolg gab ihn aber bereits damals schon Recht. So konnte er mit den Blackies 2010 den Cupsieg und ein Jahr später die Meisterschaft holen. Aber wie alle wissen, hat sich der Fußball seit dieser Zeit natürlich weiterentwickelt. Vor allem in Bezug auf taktische Variabilität und spezifische Gegneranpassungen inklusive einer umfangreicheren Gegneranalyse hat sich viel getan. Pep Guardiola oder Thomas Tuchel stehen exemplarisch für diese Zeit. Aber auch in Österreich und später in Köln hat Peter Stöger anhand taktischer Flexibilität bewiesen, dass man mehr aus einer Mannschaft herausholen kann als bloß die Summe ihrer Einzelteile.
Bei Sturm Graz hatte man in selbiger Zeit oft das Gefühl, dass individuell mehr in der Mannschaft steckt als dies die mannschaftstaktische Ausrichtung hergibt. Irgendwie hat man sich damit selbst die größten Zwänge auferlegt und die Spieler konnten selten ihr volles Potential ausschöpfen bzw. sich sogar noch weiterentwickeln. Das dürfte Foda erkannt haben und bei ihm ein Umdenken bewirkt haben. Besonders in der heurigen Saison greift Foda immer wieder auf verschiedene Grundordnungen zurück und orientiert sich dabei immer wieder klug am Gegner und an den eigenen Spielern. In einem späteren Abschnitt werden wir näher darauf eingehen.
Der nächste augenscheinliche Entwicklungsschritt von Foda bestand darin, sich nicht nur auf ein schnelles Umschaltspiel zu fokussieren sondern auch ein sauber strukturiertes Aufbau- und Ballbesitzspiel seiner Mannschaft zu verinnerlichen. Neben der flexiblen Wahl von Grundordnungen ist dies mit Sicherheit ein weiteres Mosaiksteinchen, warum Sturm derzeit an der Tabellenspitze steht und viele Spiele mit mehr Ballbesitz dominiert hat. Wir werden sehen, dass vor allem die häufig genutzte 3-4-3 Grundordnung bei diesem Vorhaben hilfreich ist und dazu die Positionen mit den passenden Spielertypen besetzt werden.
Ein Statement von Foda selbst drückt diesen Schritt am besten aus: „ Im letzten Herbst hatten wir einen guten Start, hatten aber in einigen Spielen etwas Glück gehabt. Wir hatten mehr Wert aufs Umschaltspiel gelegt. Das hatte Gründe, dass wir auch die Spieler dazu hatten. In diesem Jahr haben wir die Mannschaft etwas neu strukturiert. Wir wollten aus dem Ballbesitz mehr zum Erfolg kommen. Das ist uns gelungen, sind jetzt viel ballsicherer. Wir bereiten das Spiel besser vor, können aber noch immer gut umschalten.“
(Das komplette Interview könnt ihr auf blackfm hören)
Diese zwei Punkte ermöglichen Foda auch den dritten Schritt: bessere Gegneranpassungen und gute Matchpläne. Dank der verschiedenen Grundordnungen und des gut strukturierten Ballbesitzspiels können sich die Blackies spezifisch auf jeden Gegner einstellen, ohne dass dabei die Organisation und der rote Faden im Spiel verloren gehen. Von diesen passenden Matchplänen haben wir in der laufenden Saison bereits einige gesehen. Höhepunkte waren dabei zum Beispiel der 3:0-Auswärtssieg in St. Pölten oder der klare Heimsieg gegen die Austria. Demzufolge dürften die Spieler auch die Vorbereitung unter der Woche auf den nächsten Gegner bezüglich Analyse und Training auf dem Platz sehr gut aufnehmen. Wie wir am Ende dieser Serie sehen werden, könnte dieser ein ganz entscheidender Punkt bei seiner neuen Arbeit als Teamchef sein.
Zusammengefasst kann man festhalten, dass Franco Foda in den letzten Monaten viele gute Schlüsse für seine Arbeit gezogen hat. Die Art und Weise, wie Sturm Graz aktuell Fußball spielt, ist mit Sicherheit kein Zufall, sondern vielmehr das Ergebnis guter und moderner Trainerarbeit von Foda selbst als auch von seinem Trainerteam und Sportdirektor Günter Kreissl.
Das Grundgerüst des Grazer Erfolgslaufs
Der Erfolg und der gebotene Fußball von Sturm in der heurigen Saison ist wie so oft das Ergebnis von vielen kleinen Puzzleteilen, welche gut aufeinander abgestimmt sind.
Das fängt damit an, dass Foda von seinem Sportdirektor vor der Saison ideale Verstärkungen zur Verfügung gestellt bekam. Diesen entscheidenden Punkt darf man bei einer Analyse über Sturm auf gar keinen Fall übersehen. Foda nahm dies dankend auf und integrierte die Neuzugänge rasch und passend in das vorhandene Grundgerüst, welches zum Großteil ebenfalls von Kreissl zusammengestellt wurde.
Auf alle Fälle hat der Grazer Sportdirektor auch in der letzten Transferperiode eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er ein Auge hat für (oft unterschätzte) entwicklungsfähige österreichische Spieler. Allein Zulj, Huspek (kam bereits 2016) und Röcher bilden mittlerweile das Grundgerüst im Offensivspiel des Tabellenführers. Für keinen der drei Spieler hat man im Übrigen eine Ablösesumme bezahlen müssen.
Dazu kamen bereits im Sommer 2016 mit Schulz, Alar und Hierländer aktuelle Leistungsträger und Führungsspieler in die Steiermark. Allein diese Namen zeigen, dass in den letzten Transferperioden nicht allzu viel verkehrt gemacht worden ist.
Diese Kaderstärke in Verbindung mit der passenden Einbindung der vorhandenen Spielertypen sind die Säulen im aktuellen Grazer Erfolgsgebilde.
„Man sieht es ja an den Spielern, die wir geholt haben. Uns haben einige Dinge gefehlt. Nach Uros Matic‘ Weggang hatten wir im Zentrum keinen Linksfuß mehr. Es ist immer gut, wenn man auf gewissen Positionen einen Rechts- und einen Linksfuß hat. Uns hat zudem einer gefehlt, der die finalen Pässe wie Matic spielen kann oder der den Ball halten kann. Das sind Faktoren, die Peter Zulj mitgebracht hat. Ähnlich war es bei Thorsten Röcher. Wir haben mehr eins-gegen-eins-Stärke auf der Seite gebraucht. Thorsten ist in Dribblings gut und stets unberechenbar. Auch Oliver Filip kommt mit Speed über die Seite. Man sieht an den Spielern, die wir verpflichtet haben, welche Schlüsse wir gezogen haben“.
Günter Kreissl über Scouting und die Analyse der Saison 2016/2017
Dazu hat sich Foda auch nicht davor gescheut, jungen und unerfahrenen Spielern aus den eigenen Reihen eine Chance zu geben und sie ins kalte Wasser zu werfen. So konnte sich zum Beispiel Dario Maresic mit gerade einmal 18 Jahren zum Stabilisator in der Abwehr entwickeln. Neben den routinierten Koch und Schulz (bzw. Lykogiannis), was auch darauf schließen lässt, dass die oft von vielen angesprochene Mischung in der Mannschaft stimmen dürfte.
Auch ein Sandi Lovric kann an dieser Stelle genannt werden, der vor allem zu Saisonbeginn im zentralen Mittefeld neben Zulj sehr starke Leistungen gebracht hat.
Man kann daher sagen, dass Foda den richtigen Fußball mit den richtigen Spielern spielen lässt. Klingt zwar etwas eigenartig, aber im Grunde ist es so. Er hat das passende Spielermaterial zur Verfügung, um dominanter, ballsicherer und im eigenen Ballbesitz kontrollierter agieren zu können. Eine reine Fokussierung auf Umschaltsituationen würde den Qualitäten der Spieler nicht (mehr) entsprechen. Dafür hat Kreissl in der Sommerpause den richtigen Rahmen gebastelt, innerhalb dessen nun Franco Foda seine Ansätze und Ideen umsetzen kann. Ausgangspunkt dafür war, wie dem Statement von Kreissl zu entnehmen, eine klare Analyse der eigenen Mannschaft samt deren Stärken und vor allem Schwächen. Ausgehend davon wiederum hat man die passenden Spieler gescoutet und schließlich verpflichtet. Noch dazu zum Nulltarif. All das kann man dann wohl ruhigen Gewissens unter dem Begriff kluger Transferpolitik zusammenfassen.
Morgen folgt Teil 2, wo wir uns das Spielmodell des SK Sturm genauer ansehen werden!
Sebastian Ungerank, abseits.at
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