Die drei Lücken in Österreichs Nationalteam und die Notwendigkeit Marcel Koller längerfristig an den ÖFB zu binden
Nationalteam 14.Oktober.2013 Daniel Mandl 7
Die österreichische Nationalmannschaft wird also nicht an der WM in Brasilien im kommenden Jahr teilnehmen. Die 1:2-Niederlage in Schweden besiegelte die Hoffnungen der ÖFB-Elf. Dennoch spielte die Truppe von Marcel Koller eine der denkwürdigsten Qualifikationen der letzten Jahre und holte zahlreiche Sympathien zurück.
Doch was fehlt den heimischen Kickern, um in Zukunft wieder ganz oben dabei sein zu dürfen? Welche Spielertypen sucht man im Nationalteam vergeblich und welche müssen stärker forciert werden? Auch wenn das Nationalteam derzeit über eine starke Generation an Spielern verfügt, sind die Lücken bzw. das Leistungsgefälle weiterhin markant.
Tormann kein großes Problem
„Ein Königreich für einen g’scheiten Tormann“ – eine der Floskeln, die man in den letzten Jahren oft hörte. Austrias Heinz Lindner oder Robert Almer von Energie Cottbus wären keine Klasseleute. Dieses Attribut trifft auch auf die Vorgänger der beiden nicht zu. Und dennoch scheint die Position des Schlussmannes derzeit das geringste Problem einer Nation zu sein, die seit fast hundert Jahren auf eine stolze Torhütertradition zurückblicken kann.
Abwehrchef gesucht
Eine Reihe weiter vorne starten die Probleme schon eher: Die Viererabwehrkette des Nationalteams hat Kreativitätsprobleme und auch defensive Schwierigkeiten gegen stärkere Mannschaften. Eine Innenverteidigung mit Pogatetz und Prödl, wie man sie etwa gegen Schweden sah, ist leider nicht als Bollwerk zu bezeichnen, das jede gegnerische Offensive wegräumen würde. Auch im Aufbauspiel ist man in dieser Konstellation zu geradlinig und stark auf die entgegenkommenden Mittelfeldspieler angewiesen. Trotz größerer Dynamik gibt es diese Probleme auch wenn Dragovic spielt. Österreich fehlt derzeit ein echter Chef für die Innenverteidigung. Einer wie Gladbachs Martin Stranzl, der jedoch nicht mehr fürs Team spielen will.
Linke Verteidigung: Durchs Tief durchtauchen
Die Außenverteidigerpositionen sind unausgewogen: Links hat das Team kaum Probleme, auch wenn Christian Fuchs derzeit ein bisschen in der sprichwörtlichen „Kist’n“ steckt. Dass der 27-jährige Schalker sehr wichtig für das Team sein kann, sollte aber schon bekannt sein und so muss man beim 58-fachen Teamspieler schlichtweg auf (allgemein) bessere Zeiten hoffen. Zudem ist sein Backup mit Markus Suttner ein Spieler, der sich bereits mehrmals auf internationaler Bühne präsentierte und Druck durchaus gewachsen ist.
Rechte Verteidigung: Personalengpass
Anders sieht es auf der rechten Verteidigerposition aus. Mit dem 29-jährigen György Garics ist dort ein Spieler gesetzt, der seit 2007 in der Serie A spielt und damit auch das Maximum aus seinen Möglichkeiten holte. Garics ist ein intelligenter Fußballer, der technisch jedoch auf „Basic-Level“ agiert. Das war schon immer so – sowohl als Youngster beim SK Rapid, als auch später bei Napoli, Atalanta und Bologna. Garics‘ Vorteil ist jedoch ein Engpass an heimischen Klassespielern auf dieser Position und so ist sein Ersatzmann schon der 26-jährige Florian Klein, der selbst bei Red Bull Salzburg nur Ersatzmann ist. Alternativen? Eher Fehlanzeige. Die wahrscheinlichste Variante, um das Rechtsverteidigerproblem zu lösen, wäre die Umfunktionierung eines offensiveren Akteurs, wie es etwa in der Liga beim SK Rapid Wien mit Christopher Trimmel funktionierte. U21-Teamverteidiger Patrick Farkas dürfte keine unmittelbare Alternative darstellen.
Luxus auf der Zentralachse
Im Mittelfeld ist das österreichische Nationalteam bestens bestückt und kann auf jeder Position doppelt bis mehrfach mit Klasseleuten besetzt werden. Auf der Zentralachse sind Alaba und Junuzovic ohnehin fest im Sattel, doch mit Baumgartlinger, Kavlak, Ivanschitz und Leitgeb gibt es zahlreiche Alternativen. Hinzu kommt, dass aus dem U21-Nationalteam einige zentrale bzw. offensive Mittelfeldspieler nachrücken, die schon in der nächsten Qualifikation eine Rolle spielen könnten. Schaub, Zulj und Schöpf sind nur drei der Kandidaten.
Doppelte Besetzung auch an den Flügeln möglich
An den Flügeln ist das Team ebenfalls gut besetzt: Harnik und Arnautovic gelten unter Koller als erste Wahl, doch auch Weimann oder Jantscher haben das Potential früher oder später zu Stützen im Team zu werden. Durchschnittliche Akteure wie Burgstaller oder Sabitzer stehen als Backups bereit, zudem kann auch Andreas Ivanschitz auf die Position als Linksaußen gezogen werden, während etwa Arnautovic beidseitig spielen kann. Raphael Holzhauser steht bereits für sämtliche offensive Mittelfeldpositionen als Nachfolger in den Startlöchern.
Wo sind die Polsters und Krankls?
Eines der zentralsten Probleme des Nationalteams ist aber die Stürmerposition. Die ÖFB-Auswahl war immer dann gut, wenn man über einen echten Knipser verfügte. Hans Krankl, Walter Schachner, Erich Hof oder Toni Polster – wenn es dem Torkonto der Stürmer gut ging, ging’s dem Nationalteam gut. Doch aktuell sucht man vergeblich nach einem Torschützen vom Dienst: Marc Janko erzielte mit 14 Treffern in 36 Länderspielen die meisten Tore eines aktuellen Offensivspielers, doch bei seinem Verein Trabzonspor kam er heuer erst auf drei Einwechslungen. Im Kalenderjahr 2013 stand Janko nur zwölfmal auf dem Platz – davon fünfmal für das Nationalteam.
Weimann zahnlos, Hosiner international durchschnittlich
Der „Killer“, den der 22-jährige Andreas Weimann schon gelegentlich bei Aston Villa mimte, ist er im Nationalteam noch lange nicht. Der vielseitige Offensivakteur wirkte bei seinen zehn Länderspielen wie ein Fremdkörper, konnte sich kaum durchsetzen. Ähnliches gilt für Philipp Hosiner, der noch dazu den Schwung seiner Supersaison mittlerweile verlor und auch bei der Wiener Austria verzweifelt auf der Suche nach einem Erfolgserlebnis ist. Der vierfache Teamspieler wird in der aktuellen Verfassung nur noch sporadisch ein Kandidat für die ÖFB-Auswahl sein und auch der gewünschte Auslandstransfer fühlt sich immer unrealistischer an.
Keine nachrückenden Stürmerhoffnungen
Alternativen? Im U21-Team stürmen zum Beispiel Michael Gregoritsch und Dominik Starkl – noch lange keine Kandidaten für die Koller-Elf. In der heimischen Liga machen Philipp Zulechner, René Gartler und Lukas Hinterseer auf sich aufmerksam. Letzterer wird morgen gegen die Färöer-Inseln voraussichtlich im Team debütieren, gilt aber eher als Halbspitze oder offensiver Mittelfeldspieler. Echte Knipser sind weit und breit nicht zu finden…
Systembedingt auf Stürmerproblem eingehen
Wenn man keine besseren Innen- oder Außenverteidiger hat, muss man eben nehmen, was da ist. Bei Stürmern ist das etwas anders, weil man systembedingt auf die Mängel eingehen kann. Beispielweise, wenn man das Konzept der „falschen Neun“ stärker forciert oder überhaupt das System ein wenig umstellt. Zwar ist die fehlende Kaltschnäuzigkeit der Nationalmannschaft ein Problem, doch man könnte aus dieser Not eine Tugend, zum Beispiel in Form von noch mehr Überlegenheit in der Etappe, machen. Probieren geht in diesem Fall über Studieren und auch Spieler wie Harnik oder Arnautovic spielten im Laufe ihrer Karriere bereits als Mittelstürmer…
Der Teamchef muss bleiben!
Die wichtigste Personale soll zuletzt besprochen werden: Marcel Koller muss Teamchef Österreichs bleiben – je länger desto besser. Auch wenn es die Jünger der österreichischen Fußball-Freunderlwirtschaft nicht gerne hören werden: Der Schweizer verpasste dieser Mannschaft in zwei Jahren mehr Feinschliff als es jeder seiner Vorgänger vermochte. Außerdem erkennt man regelmäßig, dass der Draht zwischen dem 52-Jährigen und der Mannschaft intakt ist und man sich mehr als nur schätzt. Den Schwung, den die einstige Grasshoppers-Legende ins Team brachte, gilt es nun zu nutzen. Kontinuität ist auch deshalb das Zauberwort, weil die Stützen des Nationalteams ob ihres jungen Alters nicht allzu schnell durch neue Spieler ersetzt werden müssen. Die Eckpfeiler des Teams werden auf lange Sicht dieselben bleiben und dies sollte auch für einen Trainer gelten, der perfekt nach Österreich passt, keinerlei Mentalitätsprobleme hat und zudem schon mehrfach bewies, dass er mit dieser Mannschaft große Spiele gewinnen kann.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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