Ein Nationalteam ohne Legionäre: Welchen Kader könnte Koller für eine fiktive „europäische Nationenmeisterschaft“ nominieren?
Nationalteam 26.Januar.2014 Daniel Mandl 6
Aktuell läuft das Viertelfinale der Afrikanischen Nationenmeisterschaft, einem äußerst interessanten Turnier, das 2007 erstmals ausgetragen wurde und bisher von der DR Kongo und Tunesien gewonnen wurde. Die großen afrikanischen Fußballnationen blieben bei den bisherigen Turnieren eher im Hintertreffen, was dem Modell dieses Bewerbs geschuldet ist.
Bei diesem Turnier dürfen die Nationaltrainer nur Spieler einsetzen, die nicht nur die entsprechende Staatsbürgerschaft besitzen, sondern auch noch in der heimischen Liga spielen. Legionäre sind demnach nicht spielberechtigt. Größere Fußballnationen sind aufgrund ihrer zahlreichen Top-Spieler in Europa im Nachteil.
Von Legionären, Akademiestandorten und Scouting
Das Turnier ist nicht unbedingt ein Indikator für die tatsächliche Stärke einer Liga. Gastgeber Südafrika schied bereits in der Vorrunde aus und scheiterte dabei an Mali und Nigeria. Dies ist auch deshalb geschehen, weil in der südafrikanischen Liga für afrikanische Verhältnisse recht viele Legionäre spielen. Manche kleine Länder präsentieren sich bei der Afrikanischen Nationenmeisterschaft deshalb stark, weil sie von den Scouts und externen Akademien europäischer Klubs aus verschiedenen Gründen noch nicht gut genug erschlossen und ihre Ligen demnach sehr homogen sind.
Deutschland als Favorit eines fiktiven europäischen Turniers
Würde man dieses Modell nun auf Europa ummünzen, könnte man von einem Favoriten in Schwarz-Rot-Gold ausgehen. In Deutschland spielen die zentralen Akteure der tatsächlichen, ohnehin sehr starken Nationalmannschaft immer noch in der eigenen Liga. Alleine Bayern München würde sieben Spieler stellen, Borussia Dortmund sechs. Einzig die Arsenal-Legionäre Mertesacker, Özil und Podolski, sowie ein paar andere Spieler, wie etwa Khedira, Schürrle, Klose oder Gomez würden wegfallen. Ausfälle, die der breite Kader der DFB-Elf abfedern könnte.
Auch Italien stark, Spanien etwas geschwächter
Ebenfalls im Vorteil wäre Italien, das insgesamt ebenfalls nur sieben Legionäre im aktuellen erweiterten Kader des Nationalteams zählt (unter anderem Verratti und Osvaldo). Für Spanien wäre das Unterfangen „La Liga Kader“ schon etwas schwieriger, zumal mehrere Top-Leute der Iberer im Ausland spielen. Zu nennen wären hier die Stürmer Torres, Soldado und Negredo, oder die Mittelfeldspieler Javi Martinez, Thiago Alcantara, Silva, Mata und Cazorla.
England ist eben England, Frankreich das Gegenteil
Den „endemischsten“ Kader hätte England, das sich um das Turniermodell keine Sorgen machen müssten. Alle aktuellen englischen Teamspieler kicken in der Premier League. Es gibt aber auch Mannschaften, bei denen nahezu das Gegenteil der Fall ist und bei denen sämtliche Stützen im Ausland spielen. Eines dieser Teams wäre Frankreich, das etwa Spieler wie Ribery, Giroud, Benzema, Pogba, Nasri, Caboue, Varane, Sagna, Koscielny, Evra oder Lloris vorgeben müsste.
Schwieriges Unterfangen für Belgien und die Niederlande
Quasi mit einer „besseren U23“ würden die Niederlande spielen, deren in der Eredivisie beschäftigten Spieler allesamt sehr jung sind und zumeist kurz vor dem Sprung ins Ausland stehen. Nicht dabei wären beispielsweise die Legionäre Sneijder, van der Wiel, van der Vaart, Strootman, Huntelaar, Robben oder van Persie. Noch schwieriger hätten es die Belgier, deren „goldene Generation“ fast komplett im Ausland spielt: Mignolet, Kompany, Vertonghen, de Bruyne, Fellaini, Defour, Dembélé, Witsel, Benteke, Hazard, Lukaku und Mirallas sind nur einige der Stars, die in diesem Turniermodell nicht spielberechtigt wären.
Wen müsste Koller vorgeben?
Wie schlagkräftig wäre aber die österreichische Nationalmannschaft? Klar müsste auch ÖFB-Teamchef Koller einige Top-Spieler, die ihre Brötchen im Ausland verdienen, zu Hause lassen – was vor einigen Jahren noch nicht der Fall war. Allen voran fällt natürlich Superstar David Alaba weg, aber auch andere Bundesliga-Legionäre wie Almer, Fuchs, Pogatetz, Prödl, Junuzovic, Baumgartlinger und Harnik dürften an unserem fiktiven Turnier nicht teilnehmen. Hinzu kommen einige kadertechnische Stabilitäts- und Breitengeber aus anderen Ligen, die ebenfalls nicht dabei wären: Dragovic, Garics, Ivanschitz, Kavlak, Arnautovic, Janko und Weimann kicken ebenfalls in fremden Gefilden.
Der ÖFB-Kader für eine „europäisches Nationenmeisterschaft“
Wir haben nun versucht den bestmöglichen Kader aus der heimischen Bundesliga zusammenzustellen. Zusätzlich zum 23-Mann-Kader fanden wir noch einige mögliche Starter auf Abruf. So könnte Marcel Koller eine „tipp3-Bundesliga-Mannschaft“ für die virtuelle Europäische Nationenmeisterschaft zusammenstellen.
Torhüter: Christian Dobnik (Wolfsberger AC), Thomas Gebauer (SV Ried), Heinz Lindner (FK Austria Wien)
Abwehr: Martin Hinteregger (Red Bull Salzburg), Florian Klein (Red Bull Salzburg), Manuel Ortlechner (FK Austria Wien), Franz Schiemer (Red Bull Salzburg), Mario Sonnleitner (SK Rapid Wien), Markus Suttner (FK Austria Wien), Christopher Trimmel (SK Rapid Wien)
Mittelfeld: Guido Burgstaller (SK Rapid Wien), Stefan Ilsanker (Red Bull Salzburg), Manuel Kerhe (Wolfsberger AC), Christoph Leitgeb (Red Bull Salzburg), Michael Liendl (Wolfsberger AC), Daniel Royer (FK Austria Wien), Marcel Sabitzer (SK Rapid Wien), Louis Schaub (SK Rapid Wien), Robert Zulj (Red Bull Salzburg)
Angriff: René Gartler (SV Ried), Lukas Hinterseer (FC Wacker Innsbruck), Philipp Hosiner (FK Austria Wien), Roman Kienast (FK Austria Wien)
Auf Abruf: Deni Alar (SK Rapid Wien), Christopher Dibon (SK Rapid Wien), Mario Leitgeb (SV Grödig), Michael Madl (SK Sturm Graz), Marco Meilinger (Red Bull Salzburg), Daniel Offenbacher (SK Sturm Graz), Thomas Pichlmann (SC Wiener Neustadt), Marko Stankovic (FK Austria Wien), René Schicker (Admira Wacker Mödling), Stefan Schwab (Admira Wacker Mödling), Andreas Ulmer (Red Bull Salzburg), Clemens Walch (SV Ried), Roman Wallner (FC Wacker Innsbruck), Richard Windbichler (Admira Wacker Mödling)
Eine Startaufstellung im klassisch-defensiven 4-3-3 könnte somit wie folgt aussehen (zum Vergrößern klicken):
Auffällig ist sicher, dass es der Liga an ausgewogen starken Defensivleuten mangelt. Betrachtet man etwa die Abrufliste, finden sich fast ausschließlich offensive Akteure wieder. Möchte man beispielsweise in der Innenverteidigung oder auf der Sechserposition rotieren, müsste man schon ziemlich erfinderisch sein. Von den 16 wichtigsten Kaderspielern steht etwa die Hälfte kurz- oder mittelfristig vor einem Absprung ins Ausland, was als durchschnittlich zu bewerten ist. Andererseits ist diese verhältnismäßig schwache Mannschaft auch ein gutes Zeichen für das, worauf es wirklich ankommt. Der ÖFB lebt endlich wieder von seinen starken Legionären, was auf Dauer weitere Exporte aus der heimischen Liga zur Folge haben wird. Philipp Zulechner etwa fiel vor wenigen Tagen aufgrund seines Wechsels zum SC Freiburg aus dem fiktiven Kader.
Klar: Markante Unterschiede zu Afrika
Das Kräftemessen mit Nationen wie Deutschland oder Italien könnte in dieser Konstellation allerdings schaurig werden. Dies unterscheidet unser virtuelles europäisches Turnier vom aktuell stattfindenden afrikanischen. Dort qualifizierten sich gestern Nigeria und Zimbabwe für das Halbfinale. Heute duellieren sich Gabun und Libyen, sowie Ghana und die DR Kongo. Während dieses Turniermodell in Afrika für einige Spannung, weil Underdogerfolge sorgt, würde die Kluft zwischen groß und klein in Europa noch weiter auseinandergehen.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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