England-Legionäre im Fokus: Wer ersetzt Hinteregger gegen Moldawien und Schweden?
Nationalteam 4.September.2015 Alexander Semeliker 0
Das österreichische Nationalteam könnte sich demnächst zum ersten Mal seit 18 Jahren wieder sportlich für ein Großereignis qualifizieren. Erste Chance am Samstag gegen Moldawien, zweite am Dienstag in Schweden. Personelle Fragen gibt es nur in der Innenverteidigung. abseits.at geht dieser nach.
Aufgrund anhaltender Probleme im linken Knie reiste Martin Hinteregger am Dienstag aus dem Teamquartier ab. Nachnominiert wurde Michael Madl vom SK Sturm Graz. Dass der 27-Jährige den Salzburger am Feld ersetzen wird, ist unwahrscheinlich. Vielmehr wird es ein Rennen zwischen zwei Neo-England-Legionären: Kevin Wimmer und Sebastian Prödl.
Wimmer: ein verkannter Innenverteidigertyp
Die Meldung, dass Wimmer zu Tottenham wechseln würde, sorgte bei einigen durchaus für Erstaunen. Schließlich gelten die Londoner als durchaus ambitionierter Klub und der 22-Jährige hatte nicht mal eine volle Saison in der deutschen Bundesliga in den Beinen als die ersten Gerüchte die Runde machten. In seinen 34 Pflichtspieleinsätzen für den 1. FC Köln zeigte er jedoch seine guten Anlagen und hatte einen erheblichen Anteil daran, dass die Geißböcke 13-mal ohne Gegentor blieben.
Für die Spurs stand er in den bisherigen vier Saisonspielen noch keine Minute am Feld, schien erst einmal im Matchkader auf. Gesetzt ist dort das belgische Duo Jan Vertonghen und Toby Alderweireld, zwei äußerst spielstarke Verteidiger, die so dynamisch sind, dass sie auch außen in der Viererkette agieren können. Hinter den beiden ist die Tür für Wimmer jedoch keinesfalls zu. Federico Fazio wollte man eigentlich loswerden und der englische Nachwuchsteamspieler Eric Dier scheint im defensiven Mittelfeld eingeplant, was wohl auch der Grund dafür ist, dass Mauricio Pochettino dreimal überhaupt keinen Innenverteidiger auf die Bank nahm.
Spielpraxis nimmt bei ÖFB-Teamchef Marcel Koller aber ohnehin keinen allzu großen Stellenwert ein. Wichtiger sind die gezeigten Leistungen in rot-weißen-roten Trikot und das Potenzial, das ein Spieler mitbringt. Wimmer konnte in dieser Hinsicht bisher durchaus überzeugen und ist vom Spielertyp her auch derjenige, der Hinteregger am nächsten kommt. Passenderweise ist er zudem ebenfalls Linksfuß und spielte auch im Testspiel gegen Bosnien an der Seite von Aleksandar Dragovic.
Der gebürtige Oberösterreicher ist in seinem Spiel nicht so spektakulär wie der verletzte Bullen-Abwehrchef. Er antizipiert nicht so offensiv und zeigt kaum öffnende, beschleunigende Vertikalpässe zwischen die gegnerischen Linien. Vielmehr punktet er mit einer sehr sachlichen Spielweise und gilt als verkannter Verteidigertyp. Er hat eine gute strategische Entscheidungsfindung, die oft aber untergeht, weil sie eher selten in Balleroberungen mündet. Im Spielaufbau konzentriert er sich vorrangig auf einfache Pässe, die das Spiel allerdings auch nicht zu sehr bremsen, streut gute Diagonalpässe ein.
Prödl: die robuste, routinierte Variante
Nach sieben Jahren in der deutschen Bundesliga begann Prödl im Sommer ein neues Kapitel in seiner Laufbahn und wechselte zu Watford. Bei Werder Bremen sammelte der Innenverteidiger viele Erfahrungen. Vor allem seine sportliche Entwicklung war dabei interessant. Man könnte ihn durchaus als Sinnbild der Wandlung des gesamten Vereins sehen, schien er doch weitestgehend zu stagnieren und seine Leistungen nicht konstant abrufen zu können. Andererseits schien die ständige Umstrukturierung und Neuorientierung auch sehr starken Einfluss darauf zu haben.
Für den Hurra-Fußball, den Thomas Schaaf spielen ließ, passte der schlaksige Steirer nicht ideal ins Anforderungsprofil. Die schlechten defensivtaktischen Abläufe innerhalb der Mannschaften sorgten mitunter dafür, dass er eine schlechte Figur machte. Unter Robin Dutt waren die Bremer konservativer eingestellt und Prödl konnte sein Stärken in der Strafraumverteidigung ausspielen, stieg zum Leitwolf auf. Viktor Skripnik, der aktuelle Werder-Coach, setzt nun wieder auf eine ähnliche Spielweise wie Schaaf, jedoch mit sauberen Defensivabläufen.
Dass Prödl in die Premier League wechselte, machte daher auch aus dieser Sicht Sinn. Dort dürfte er seine individuellen Stärken, vor allem seine herausragende Zweikampfstärke, am besten einbringen können und seine bewegungstechnischen sowie gruppentaktischen Mängel weniger ins Gewicht fallen. Noch dazu, weil er zu einem Aufsteiger wechselte, der in vielen nicht in der Position ist, das Spiel machen zu müssen.
Watford verzeichnete beispielsweise pro Spiel mehr Balleroberungen als jedes andere Team in der Premier League (21,5 Tackles und 22,8 abgefangene Bälle). Auch bei der Anzahl an klärenden Aktionen sind sie mit deren 28,3 pro Spiel unter den besten drei. Prödl stand dabei in allen vier Spielen auf dem Feld, fügte sich gut ein und hinterließ einen durchaus guten Eindruck. Auf der anderen Seite sind beim ÖFB-Team aktuelle andere Fertigkeiten gefragt. Was jedoch ganz klar für Prödl spricht ist seine Gefährlichkeit bei Standardsituationen, was gerade gegen tiefstehende Gegner – wie eben Moldawien – ein Dosenöffner sein kann.
Die treue Nominierungspolitik von Koller sorgt zudem zwar dafür, dass auch die Einsätze der einzelnen Teamspieler kontinuierlich in die Höhe gehen. Hinter Christian Fuchs (67) und Martin Harnik (51) ist Prödl mit 50 Spielen aktuell die Nummer drei im Kader. Mit 28 Jahren zählt der Innenverteidiger zu den routiniertesten Akteuren. Andererseits ist die erwähnte Strategie von Koller auch dafür verantwortlich, dass aufbauend auf der wachsenden Erfahrung der anderen Spieler das gesamte Team eingespielter wird. Durch das gefestigte Kollektiv schafft man es, etwaige individuelle Schwächen – wie eben fehlende Routine – abzufedern.
Wir haben für unseren Partner win2day eine Vorschau für das Länderspiel gegen Moldawien erstellt: abseits.at-Vorschau auf win2day.
Alexander Semeliker, abseits.at
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