Nachdem sich mein Entsetzen über den dreistündigen Horror-Marathon des ORF ein wenig gesetzt hat, sich die Schweißausbrüche verflüchtigt haben und auch die Zornesröte im... Fankurve | Fußball-Arena mit Prohaska und Co.: Die Heurigenrunde der Ahnungslosen/Beleidigten

Nachdem sich mein Entsetzen über den dreistündigen Horror-Marathon des ORF ein wenig gesetzt hat, sich die Schweißausbrüche verflüchtigt haben und auch die Zornesröte im Gesicht wieder der normalen Alltagsfarbe gewichen ist, könnte man versuchen, an der heutigen Sendung etwas Positives zu finden. Und ja, es gab durchaus auch positive Seiten an der Fußball-Arena des ORF vom 7.Oktober 2011.

Mählich entzaubert eine Heldengeneration

Da ist natürlich einmal Roman Mählichs heutiger Auftritt hervor zu streichen. Neben Ricardo Moniz, der sich im Laufe der Sendung wohl einige Male gefragt haben muss, wo er denn da rein geraten sei (zumindest deutete der verzweifelte Gesichtsausdruck darauf hin), bewies Mählich einmal mehr, dass er derzeit der wohl einzige ernstzunehmende Analytiker beim Staatsfunk ist.

Denn der gebürtige Wiener Neustädter schaffte es nicht nur, die „Causa Koller“ sachlich auf den Punkt zu bringen, sondern hielt auch über die gesamte Sendezeit seine Emotionen im Zaum, was eigentlich die größte Leistung des heutigen Abends war. Würden sich nämlich Prohaska und Co. trauen, diese heute in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellte Selbstherrlichkeit zum Thema „Teamchef Marcel Koller“ in einer Stammtischrunde zum Besten geben, wäre wohl eine zünftige Wirtshausrauferei die Folge.

So aber rückte der zu Beginn seiner Analytiker-Karriere nervöse und nach Worten ringende Mählich quasi von der Ersatzbank zum Stammspieler in der Mannschaft der Fernseh-Analytiker auf. Und angesichts der gebotenen Darstellung darf man auch darüber hinweg sehen, dass diese Mannschaft speziell beim ORF eigentlich nur noch aus dem ehemaligen Sturm Graz-Spieler bestehen dürfte.

Prohaska und der Hang zur Sozialarbeit

Ganz anders dagegen der bisherige Chefanalytiker des ORF, Herbert „Gute Nacht“ Prohaska, der wohl seinen Job in Kürze aufgeben wird und sich der Tätigkeit als Sozialarbeiter widmen wird. Erste deutliche Signale in diese Richtung setzte Prohaska heute, als er seine ersten Gehversuche in dieser für ihn neuen Tätigkeit in gemütlicher Runde schilderte.

Denn als solches „Outing“ ist die Aussage über seine Verärgerung über Sportdirektor und Interims-Teamchef Willi Ruttensteiner wohl zu sehen. Als ernstzunehmender Beitrag zur Teamchef-Diskussion kann jedenfalls sein Versuch, für den armen arbeitslosen Dauerfreund Andreas Ogris eine Beschäftigung beim ÖFB zu finden, nicht gesehen werden.

Hungrig zur Heurigenrunde

Wesentlich inhaltsvoller waren da schon die Beiträge der anderen Diskussionsteilnehmer. Man erfuhr, dass Anton „Doppelpack“ Polster hungrig zur Sendung gereist war und deshalb immer gereizter wurde. Immerhin reichte seine Energie noch aus, um dem Fußball-Laien den Bananenschuss (nicht zu verwechseln mit der berühmten Bananenschnitte von Stefan Maierhofer) zu erklären. Zudem betätigte sich Polster für den ORF auch noch als Kriegsschauplatz-Reporter, als er schilderte, wie betroffen und traurig die Bevölkerung in Wien-Meidling auf die Bestellung von Marcel Koller zum Teamchef reagiert hat, er sich aber trotzdem mutig der zornigen Menge gestellt hat.

Ebenfalls ein breites Spektrum an Information hatte Kapfenberg-Trainer Werner Gregoritsch für den staunenden Zuseher parat. Man durfte teilhaben an einem Monolog über die Verluderung der österreichischen und europäischen Politik – schließlich ist ja die EU daran schuld, dass unsere Jungkicker schon im zarten Alter von 9 oder 10 Jahren fluchtartig unser böses Land verlassen – und erfuhr von seinen Zukunftsplänen als gemeinschaftlicher Teamchef mit Didi Kühbauer, den er regelmäßig beim Tennis schlägt.

Als drittes Mitglied der Heurigenrunde präsentierte sich schließlich Frenkie Schinkels gewohnt mit spitzer Zunge. Schinkels hielt es mit dem Gros der österreichischen Politiker, redete viel, sagte nichts und schaffte es trotzdem, des Öfteren in Rage zu geraten (was er im Übrigen nur von seinem Sitznachbarn Gregoritsch gelernt haben kann, der dies heute einige Male perfekt vorführte).

Einig waren sich die Herren Polster, Gregoritsch und Schinkels letztlich aber nicht nur bei ihrer – oft betont – rein sachlichen Kritik an Herrn Koller, sondern auch bei der Ansicht, dass es „langsam reicht“. Denn Österreich sei als Land mittlerweile so übersozial geworden, dass man sogar die besten Jobs des Landes an Ausländer vergibt. Die unterschwellige Aussage, dass „das Boot voll sei“, wurde aber rein zufällig getätigt, ist aus dem Zusammenhang gerissen und hat nichts mit politischen Ansichten der genannten Herren zu tun.
Oder – anders ausgedrückt – es gilt die Unschuldsvermutung

Sport und Talk im ORF – ein gescheitertes Projekt?

Wer die Freitag-Abend-Sendung der ORF-Sportredaktion selbst nicht verfolgen konnte und beim Lesen dieser Zeilen nun auf den Gedanken kommt, es handle sich hier um eine Satire, dem sei gesagt, dass dem leider nicht so ist.

Denn man darf zwar dem ORF keinen Vorwurf für die Bemühungen machen, sich nach jahrelanger Vorbereitung nun endlich doch ausführlich mit dem heimischen Fußball zu beschäftigen, muss die Herren der Sportredaktion aber trotzdem einer harschen Kritik unterziehen.
Es wäre nämlich durchaus interessant, was man sich von der Zusammensetzung der schon geschilderten Diskussionsrunde eigentlich erwartet hat.
Wollte man tatsächlich die Bestellung von Marcel Koller durch genannte Runde zu erklären versuchen, so ist man kläglich gescheitert.

Und wollte man für den zukünftigen 24-Stunden-Sportsender „Sport Plus“ Werbung betreiben, so war dies ein Schuss, der nach hinten los ging.
Bleibt also nur der zaghafte Erklärungsversuch, dass man auf ironische Weise den tristen Status Quo der österreichischen Fußball-Weisheit darstellen wollte. Da machte aber sogar das zuletzt verspottete Nationalteam mit dem 4:1-Sieg in Baku dem ORF einen Strich durch die Rechnung und zeigte mit einer braven Leistung, dass es Besseres verdient hätte.

Womit sich der Kreis schließt. Denn letztlich förderte man mit der heutigen Sendung nur das schon angesprochene Sozialprojekt von Herbert Prohaska und bot einem illustren Kreis trauriger Pseudoexperten eine Art letzten Auftritt.

Oliver Polzer als Moderator der heutigen Sendung zeigte aber zumindest, dass er das Zeug zu mehr hätte. Denn in beinahe schon bewundernswerter Gleichmütigkeit ließ er ein dreistündiges Drama über sich ergehen, ohne die Sprache zu verlieren (was man ihm angesichts des Niveaus der heutigen Diskussion nicht verübeln hätte dürfen).

Fazit: Eine mehrstündige Sportsendung im Staatsfunk? Ja bitte, gerne. Aber bitte in Zukunft mit sorgfältiger ausgewählten Gästen. Denn selbst ein – laut einer von ihm selbst auf Facebook getätigten Aussage – völliger Fußball-Laie wie ZiB-Moderator Armin Wolf hätte heute fachlich mehr zum Thema beitragen können, als Prohaska, Gregoritsch, Schinkels und Polster gemeinsam.

(holybatman)

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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