Festgefahrenen Strukturen innerhalb des ÖFB sei Dank: Constantini bekommt seine Abschiedstournee!
Nationalteam 7.September.2011 Daniel Mandl 0
Acht Punkte aus acht Spielen in der EM-Qualifikation. Die Frage ist nur noch ob das österreichische Nationalteam in Quali-Gruppe A den vierten oder den fünften Rang belegt. Und dennoch bekommt Didi Constantini, nachdem er aus den letzten neun Spielen nur einen Sieg und ein Remis holte, seine Abschiedstournee im Oktober.
Constantinis Vertrag läuft mit Jahresende aus – davor gibt’s noch die Qualifikationsduelle mit Kasachstan und Aserbaidschan, das mittlerweile nicht nur punktetechnisch, sondern auch was Ansprüche angeht, mit dem ÖFB auf einer Höhe zu sein scheint. Offenbar weiß man im ÖFB, dass es ab 2012 nicht mehr mit Constantini weitergehen kann – offenbar ist man aber auch feig genug den Teamchef für die beiden „unwichtigen“ Spiele im äußersten Osten Europas weiterwurschteln zu lassen.
Spiele gegen Kasachstan und Aserbaidschan: Nur unter Constantini unwichtig!
Unwichtig unter Anführungszeichen, weil die Spiele gegen die beiden Nachzügler in Gruppe A idealen wettbewerbsgestützten Testcharakter hätten, um einem neuen Trainer die Möglichkeit zu geben, das Team kennenzulernen und vielleicht bereits erste Einblicke in die Möglichkeiten und Strukturen innerhalb der Mannschaft zu erhalten. Zudem wären die letzten Qualifikationsspiele der ÖFB-Auswahl eine Gelegenheit zur Versöhnung – etwa mit Spielern wie Andreas Ivanschitz, Gyuri Garics oder gar Martin Stranzl und Alexander Manninger. Allesamt Spieler, die man im Nationalteam mehr als nur brauchen kann – vielleicht sogar Spieler, auf die man nicht verzichten kann. Wie auch die Spiele gegen Deutschland und die Türkei bewiesen. Eine Schaltzentrale im Mittelfeld, ein modern denkender und spielender Außenverteidiger, ein Torhüter. Eigentlich hätte man die Arbeiter für die markantesten Baustellen des Nationalteams griffbereit, doch so wird man wieder bis zum Frühjahr warten müssen, bevor der notwendige Umbruch stattfinden kann.
Schwache Außenverteidiger, kein Übergewicht im Mittelfeld
Apropos modern denkender Außenverteidiger: Beim gestrigen Aufeinandertreffen mit der Türkei konnte das ÖFB-Team eine Feldüberlegenheit herstellen, die allgemeine Verwunderung war jedoch groß, warum man kaum zwingende Torchancen herausarbeiten konnte. Die einfache taktische Erklärung: Dadurch, dass die Außenverteidiger Dag und Fuchs offensiv praktisch nicht vorhanden waren, entwickelte sich im Mittelfeld eine Pattstellung. Es spielten dauerhaft fünf Türken gegen fünf Österreicher und da es meist einfacher ist zu verteidigen als anzugreifen, hatte die Türkei durch kompakt stehende Außenverteidiger zumeist einen Vorteil gegenüber österreichischen Flügelspielern, die zwar zeitweise gut von ihren Mittelfeldkollegen unterstützt wurden, nicht aber von den Außenverteidigern. Österreichs Team verabsäumte es damit ein personelles Übergewicht im Mittelfeld zu schaffen, die Anspielstationen waren dementsprechend rar und das Laufspiel ohne Ball wurde einem Mittelfeld, das zwar ballsicher agierte, aber sehr dünn besiedelt war, erschwert. Und das obwohl Solospitze Marko Arnautovic erneut gut nach hinten arbeitete und antizipierte. Nicht umsonst sagt man aber, dass der Außenverteidiger der „Spielmacher des modernen Fußballs“ ist.
Zufriedenheit und Tiefstapelei
Constantini holte nun also aus den letzten neun Spielen einen Sieg gegen Lettland und ein Remis gegen die Türkei. Die Ausreden für zahlreiche schlechte Spiele und taktische Verfehlungen sind mannigfaltig – ebenso wie die Ausreden dafür, wieso die Führungsetage des ÖFB trotz dieser offensichtlichen Unzulänglichkeiten nicht reagierte oder zumindest einmal klar und deutlich auf den Tisch haute (oder hauen wollte). Immer wieder bekam die Öffentlichkeit die Durchhalteparole aufgetischt, dass Fortschritte ersichtlich sind, dass der eingeschlagene Weg in die richtige Richtung führt. In Wahrheit führt uns dieser Weg aber immer weiter nach unten, in einen Fehlersumpf auf allen Ebenen: Sportlich geht gar nichts weiter, dazu reicht ein Blick auf die Ergebnisse. Die Freunderlwirtschaft und Untätigkeit in der Führung des ÖFB ist etwas, was jeder noch so kleine Fan mitbekommt und dennoch hinterfragen sich die einflussreichsten Personen im ÖFB in keinster Weise selbst, sondern genießen die VIP-Klubs der Fußballwelt und fahren nach außen eine Propaganda-Schiene der Zufriedenheit und Tiefstapelei. Schließlich muss man realistisch bleiben, wir sind halt nur Österreich und da kann es schon mal passieren, dass man aus zehn Spielen nur zwei gewinnt…
Das Team könnte mehr!
Das wirklich Bittere am allgemeinen Zustand des ÖFB: Die Mannschaft wäre zu mehr fähig. Im Vergleich zu dunkleren Stunden, als man sich auf die Qualitäten von nicht ganz so begnadeten Fußballern wie Markus Kiesenebner, Yüksel Sariyar, Gernot Sick oder Matthias Dollinger verließ, hat das Team heute theoretisch (mit den „Aussortierten“) und praktisch starkes Spielermaterial zur Verfügung und auch eine gesunde Mischung zwischen alt und jung ist gegeben. Nun gilt es aber eine Mannschaft, die sicher keine schlechteren Fußballer hat als Armenien, Estland, Ungarn oder Norwegen (die derzeit allesamt um den Einzug ins Playoff der EM-Qualifikation kämpfen), zu einem taktisch strikt organisierten Team zu formen. Und dies erfordert einen Trainer, der von den festgefahrenen Strukturen innerhalb des ÖFB noch nicht vereinnahmt wurde. Oder aber, noch besser, neue flexiblere Strukturen innerhalb des ÖFB…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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