Hohe individuelle Qualität in der Offensive: Das erwartet das ÖFB-Team gegen Montenegro
Nationalteam 12.Oktober.2014 Alexander Semeliker 0
Nach dem schwer erkämpften und glücklichen 2:1-Auswärtssieg in Moldawien am Donnerstag geht es für das österreichische Nationalteam am heutigen Sonntag mit dem Heimspiel gegen Montenegro in der EM-Qualifikation weiter. Die Montenegriner halten nach zwei Spielen ebenfalls bei vier Punkten, stehen nach einer Nullnummer in Liechtenstein aber etwas unter Druck.
Branko Brnovic, der 44-jährige Teamchef Montenegros, schickt sein Team im Wesentlichen in einer 4-4-1-1-Grundformation auf das Feld, stellt es aber Spiel für Spiel an einzelnen Positionen personell um. So gab es in der letzten WM-Qualifikation keinen einzigen Feldspieler, der in mehr als sechs (von zehn möglichen) Spielen in der Startelf stand. Auch gegen Österreich dürfte Brnovic sein Team im Vergleich zum 0:0 am Donnerstag umstellen. Vor allem die Frage, ob er sein Star-Duo in der Offensive beginnen lässt, ist interessant.
Keine furchteinflößenden Torhüter
Für die Torhüterposition nominierte Brnovic nur zwei Spieler. Beide haben das 30. Lebensjahr mittlerweile überschritten, zählen sicherlich nicht zu den stärksten in der Qualifikationsgruppe G und sind Torhüter alter Schule. Der 30-jährige Mladen Bozovic steht aktuell beim russischen Zweitligisten Khimik Dzerzhinsk unter Vertrag, absolvierte in der WM-Qualifikation die meisten Spiele. Mittlerweile wurde er vom zwei Jahre älteren Vukasin Poleksic abgelöst. Dieser steht beim ungarischen Mittelständer Pécsi MFC unter Vertrag und hat seinen Fokus ebenfalls auf Aktionen auf der Linie. Zwischen Juni 2010 und Juni 2012 wurde Poleksic übrigens von der UEFA gesperrt, weil er einen Bestechungsversuch nicht gemeldet hatte.
Innenverteidiger ohne individuell stärkstem Spieler?
Die Innenverteidigung bildete in den bisherigen beiden Spielen jeweils dasselbe Duo – nämlich einerseits Marko Simic (27) von Kayserispor, andererseits Zarko Tomasevic (24), der in Belgien beim KV Kortrijk spielt. Beide sind eher antizipative Verteidiger, die gerne herausrücken. Tomasevic ist dabei robuster, während Simic am Ball sicherer und technisch sauberer agiert. Überraschend war, dass der individuell wohl stärkste Innenverteidiger, Marko Basa in der EM-Qualifikation noch keine Minute absolviert hat. Der 31-Jährige machte für Lille in den letzten drei Jahren 120 Spiele, ist bei einer Körpergröße von 1,89m in der Luft enorm stark und traut sich auch mit dem Ball am Fuß einiges zu. In seinem Bewegungsspiel ist er allerdings etwas statischer als Simic und Tomasevic.
Als weitere Alternativen steht neben dem einen oder anderen Außenverteidiger Savo Pavicevic (33) parat. Dieser gilt als routiniert, hat auch die meisten Länderspiele aller Abwehrspieler, dürfte in Wien aber nicht zum Einsatz kommen.
Asymmetrische Außenverteidiger
Auf der rechten Außenverteidigerposition darf man mit einem defensiv eingestellten Spieler rechnen. Hier hat Montenegro in Stefan Savic einen Spieler mit Premier League- und Serie A-Erfahrung. Der 23-Jährige wechselte 2011 von Partizan zu Manchester City, ehe es ein Jahr später zur Fiorentina weiterging. Savic ist ein physisch starker Abwehrspieler, der auch als Innen- und Halbverteidiger in einer Dreierkette eingesetzt wird. Nach vorne hin strahlt er aber kaum Gefahr aus. Als Ersatz für ihn können der bereits erwähnte Pavicevic oder Marko Vesovic (23) fungieren – ein offensiverer Akteur, der aktuell von Torino an den HNK Rijeka verliehen ist.
Links hinten dürfte Vladimir Volkov (28) von Partizan Belgrad spielen. Er machte 2011 sogar ein Freundschaftsspiel für Serbien, ehe er sich im Mai 2012 zugunsten Montenegros entschied. Volkov agiert offensiver als Savic, der bei dessen Vorstößen einrückt und gemeinsam mit den Innenverteidigern absichert. Neben Volkov gibt es in Milan Jovanovic (31) – der Ex-Rapidler spielt mittlerweile im Iran beim Padideh FC – und Sasa Balic (24) auch konservative Optionen, die man unter Umständen auch in die Innenverteidigung stellen kann.
Parallelen zum ÖFB auf der Doppelsechs
Das Zentrum könnte, wie so oft in derartigen Spielen, ein entscheidender Faktor sein. Bei Montenegro wartet auf Alaba & Co. ein Duo auf der Doppelsechs, das dem österreichischen in einigen Aspekten ähnelt – wenngleich auf individuell niedrigerem Niveau. Die defensiven Aufgaben bei Montenegro übernimmt mit Nemanja Nikolic ein international relativ unerfahrener Spieler. Der 26-Jährige, der bei Dinamo Minsk aktiv ist, kommt bisher nämlich erst auf fünf Länderspiele. Für die Ruhe am Ball sorgt eher sein Nebenmann, der wohl Elsad Zverotic (27) heißen wird – ein 48-facher Teamspieler, der mit seinen strategischen Fähigkeiten besticht, bei Fulham aber nur Reservist ist.
Zverotic könnte – richtet Brnovic sein Team defensiver aus – auch auf der Außenbahn spielen, dann wird wohl der 28-jährige Simon Vukcevic an seine Stelle rücken. Dieser spielte unter anderem schon in Russland, Portugal und der Ukraine, steht aktuell beim griechischen Verein APO Levadiakos unter Vertrag. Er würde aber wohl offensiver als Zverotic agieren und könnte auch rechts im Mittelfeld zum Zug kommen.
Dynamische Außenspieler im Mittelfeld
Rechts und links im Mittelfeld hat Brnovic eine große Auswahl an Spielern. Da gibt es einerseits den eigentlichen Stürmer Fatos Beciraj (26), der in China bei Changchun Yatai sein Geld verdient und gegen Liechtenstein und Moldawien mit seinen Dribblings und seiner Dynamik für einige Durchbrüche sorgte. Neben den oben erwähnten Zverotic und Vukcevic gibt es im 19-jährigen Vladimir Jovovic ein großes Talent als Option, das ebenfalls über eine gute Technik verfügt.
Im letzten Spiel agierten die beiden zusammen, gegen Österreich dürfte links mit einer defensiveren Variante zu rechnen sein, nämlich Vladimir Bozovic. Die Leistungen des 32-Jährigen schwanken allerdings. Dass der bisher ohne Länderspieleinsatz dastehende Vladimir Boljevic (26) im Ernst Happel Stadion spielen wird, ist unwahrscheinlich. Als weitere Alternative würde sich die Hereinnahme von Petar Grbic (26) anbieten, der aber eher am rechten Flügel bzw. im Angriffszentrum zuhause ist.
Spielt das Star-Duo im Angriff endlich wieder gemeinsam?
Die Trümpfe des montenegrinischen Teams liegen im Angriff, wo es mit Stevan Jovetic als hängendem Stürmer hinter Mirko Vucinic (31) ein sehr hochkarätiges Duo hat. Die beiden standen aber seit Juni 2013 in keinem Pflichtspiel gemeinsam in der Startelf. Der 24-jährige Jovetic gehört dem Starensemble von Manchester City an und ist aus taktischer Sicht ein enorm interessanter und variabler Spieler. Er kann nicht nur als typischer Mittelstürmer und Zielspieler am Strafraum agieren, sondern kann auch als klassischer Zehner, ausweichender Zehner, falscher Neuner oder spielstarker Halbstürmer um einen großgewachsenen Neuner herum agieren – im Nationalteam nimmt er am ehesten die letztgenannte Rolle ein.
Vucinic ist von der Physis her allerdings kein klassischer Neuner, bewegt sich aber in ähnlichen Zonen. Der ehemalige Serie A-Torjäger – er schoss für Lecce, die Roma und Juve 95 Tore – besticht vielmehr mit seiner guten Technik und abgebrühten Spielweise. Mit 16 Länderspieltoren ist er selbstverständlich auch der Rekordschütze seines Landes. Doch weder er noch Jovetic standen in beiden bisherigen Spielen der EM-Qualifikation in der Startelf – dafür aber Dejan Damjanovic. Der 33-Jährige kickt sein 2007 in Asien – zunächst in Südkorea, nun China – und ist ein durchschlagskräftiger Stürmer: physisch und technisch beschlagen, weicht aber auch auf die Seiten aus.
Mit Marko Bakic haben die Montenegriner zudem einen weiteren vielversprechenden Offensivspieler im Kader. Im Sommer 2013 wechselte Bakic, dessen Stärken im technischen Bereich liegen, zur Fiorentina, aktuell ist er aber an Spezia Calcio ausgeliehen. Ein Startelfeinsatz des 20-Jährigen ist aber sehr unwahrscheinlich. Er ist eine Backup-Option für Jovetic und würde mehr als Zehner denn als hängende Spitze agieren.
Ähnliche Probleme gegen Moldawien und „Halbgas“ in Liechtenstein
Das Auftaktspiel gegen Moldawien konnte Montenegro auf ähnliche Art und Weise gewinnen, wie die Österreicher am Donnerstag. Spielerisch konnten sie kaum Chancen kreieren, sondern beide Tore fielen nach Eckbällen. Das Unentschieden in Liechtenstein war dann zu Teilen auch der mutigen Aufstellung von Trainer Brnovic zuzuschreiben, denn dieser ließ zunächst einige Stammspieler draußen. Erst in der zweiten Hälfte brachte er beispielsweise Vucinic, wollte im Finish den Sieg mit drei Stürmern erzwingen.
Taktisch agierte Montenegro im Fürstentum sehr einfach und in der Offensive ohne klare Abläufe. Viel hing an den individuellen Fähigkeiten von Jovetic und den Flügelspielern, die dennoch ein ums andere Mal durchbrachen und so einige klare Torchancen heraussprangen. Im Großen und Ganzen beschränkten sich diese Muster aber auf Vertikaldribblings und einfache Passdreiecke bzw. Doppelpässe. Damit liefen sie sich in vielen Szenen in der vielbeinigen Defensive der Liechtensteiner fest und müssen nun im Auswärtsspiel gegen Österreich wohl offensiver auftreten, als es ihnen lieb ist.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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