abseits.at traf Marcel Koller zum Interview. Nach einem wahren Marathon an Statements zeigte sich der Teamchef erfreut, ein paar neue Fragen zu hören. Im... „Ich werde in den nächsten Monaten nicht nur auf dem Hintern sitzen.“ – Marcel Koller im großen Abseits.at-Interview (1/3)

abseits.at traf Marcel Koller zum Interview. Nach einem wahren Marathon an Statements zeigte sich der Teamchef erfreut, ein paar neue Fragen zu hören. Im ersten Teil unserer Serie spricht der Schweizer über Österreich, die Qualität der Vergleiche mit Deutschland und über das erste Länderspiel gegen die Ukraine.

Abseits.at: Sie haben nun ein paar Monate als Nationalteamtrainer hinter sich. Was war ihr erster Eindruck von Land, Leuten und dem heimischen Fußball?

Marcel Koller: Es war nicht das erste Mal, dass ich in Österreich war. Ich war in Vorarlberg, Tirol, in Wien auch schon, aber nicht so lange oder so intensiv. 1987 war ich beim Stadthallenturnier, vielleicht noch zwei Mal als Tourist. Ich habe in den paar Monaten, die ich hier bin, einen sehr guten Eindruck bekommen. Ich fühle mich immer noch wohl. Die Kontakte sind gut, im Stadion oder unterwegs beim Einkaufen – die Leute kennen einen, wollen Autogramme oder kurz über Fußball sprechen. Das ist durchaus positiv. Es macht Spaß, wenn man dann einen kurzen Schwatz halten kann, die Leute erwarten das und das gibt schlussendlich ein gutes Gefühl.

Wie stark ist das Team ihrer Meinung nach? Wo würde das österreichische Nationalteam in der deutschen Liga landen?

Da wären wir gut aufgestellt. Das denke ich schon. Es ist ja auch so, dass du – das ist natürlich eine Spielerei – jeden Tag arbeiten kannst. Viele der besten Österreicher spielen ja schon in der deutschen Bundesliga. Spitze ist immer ein bisschen „Naja“, aber im vorderen Mittelfeld wären wir schon.

Wie ist ihr Eindruck vom österreichischen Fußball. Sie haben ja bereits einige Spiele gesehen?

Ich habe Trainings und Trainer besucht, wir waren zudem in der Türkei und haben im Team die sieben Mannschaften besucht. Ich habe mittlerweile viele Spiele gesehen und ich denke es fällt auf, dass viele Journalisten vergleichen wollen, beispielsweise mit Deutschland. Aber man sollte das nicht immer tun, man muss sich nicht immer schlecht machen. Man kann es eigentlich nicht mit der deutschen Bundesliga vergleichen, denn da sind 50, 60, 80.000 Zuschauer. Aber unten drinnen gibt es auch Grottenkicks. Das kommt aber anders rüber, wenn 70.000 da sind. Da gehst du dann nachhause, das Spiel war nicht so gut, aber die Stimmung war toll. Wenn du dann hier vor 2, 3.000 Zuschauern das Spiel anschaust, wird das alles schwerer. Das ist einfach so. Das hat aber nicht mit dem Spiel an und für sich zu tun. Ich schau da anders drauf, als der normale Zuschauer. Auch ein 0:0 ist interessant zu sehen, wie sich die Spieler bewegen. Es muss nicht immer 3:2 oder 5:4 ausgehen, um zu sagen „Wow, das war ein geiles Spiel.“

Stichwort Trainingslager: Unter dem Vorgänger war dies ebenfalls üblich. War das nur für den ersten Eindruck oder kann man sich darauf einstellen, dass das so bleibt?

Das ist am Anfang wichtig und eine Aufgabe des Nationaltrainers, um auch die Leute kennen zu lernen und sich zu präsentieren. Um die Eindrücke weiter bestätigen zu können, muss man das weiter machen. Ich werde in den nächsten Monaten nicht nur noch auf dem Hintern sitzen. Die Kontakte sind ja wichtig. Wir haben die Spieler nicht zur Verfügung. Die kommen Ende Februar für drei Tage. Die letzten Monate waren die bei ihren Klubs. Da ist es wichtig, sie vor Ort zu besuchen, mit den Verantwortlichen zu sprechen und zu sehen, wie diese den Spieler sehen. Zusätzlich schaue ich mir die Spiele im Fernsehen an, aber der persönliche Kontakt ist sehr wichtig.

Im ersten Spiel unter Teamchef Koller merkte man, dass die Mannschaft den Gegner bei Ballverlust mit aggressivem Pressing unter Druck setzte. Sah man da schon etwas von ihrer Handschrift?

Ja, klar. Das ist das, was wir im Training versucht haben zu vermitteln. Wir wollten schauen, ob das geht, ob das umgesetzt wird. Das waren Vorgaben von uns und das ist meine Spielweise. Ich habe es nicht gerne, wenn ich abwarten muss. Wenn ich nur stehe und auf Fehler vom Gegner hoffe und er keine macht, hast du den Ball erst wieder, wenn sie ein Tor geschossen haben. Wir wollen agieren, wollen schnell in Ballbesitz kommen. Das frühe attackieren, zustellen, blockieren ist meine Philosophie.

Werden Spieler davon ausgenommen? Kann man sagen, dass ein Offensivspieler keine Defensivaufgaben hat?

Nein, das geht nicht mehr. Aber es ist immer schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. Ein Verteidiger macht mehr Tacklings als ein Stürmer, weil wenn der Angreifer viele macht, wäre er ja Verteidiger geworden. Heutzutage kannst du dir nicht mehr erlauben, dass drei gar nichts machen. Da muss jeder bereit sein. Das haben die Jungs gegen die Ukraine aber auch gezeigt. Dass im Mittelfeld attackiert wird, haben die Stürmer aber auch schon so gelenkt. Die haben vorne ihre Arbeit getan, dann ist das Mittelfeld dazu gekommen. Und wenn da zwei, drei attackieren, dann profitiert der Vierte. Es gab viele Situationen in dem Spiel, einige stellten zu und der Gegner war unter Druck, es folgten Fehler und wir waren wieder im Ballbesitz.

Im zweiten Teil des großen Interviews (morgen) spricht Marcel Koller über den Kader und gibt Einblick in die taktische Grundordnung.

Das Interview führten Georg Sander und Archimedes, abseits.at

Georg Sander

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