In der EM-Qualifikation wieder einmal gescheitert: Ein Rückblick (Teil 1/3)
Nationalteam 13.Oktober.2011 Daniel Mandl 0
Die Qualifikation für die EM 2012 in Polen und der Ukraine ging diese Woche zu Ende. Zwölf Teams haben einen Fixplatz für das Turnier ergattert, die verbleibenden Endrundentickets werden in vier Play-Off-Spielen unter den Zweitplatzierten der jeweiligen Gruppen ausgespielt. Für Österreich bleibt nur die Erkenntnis, den Sprung in das Play-Off knapp verpasst zu haben. Doch was wird von den letzten zwei Jahren wirklich in Erinnerung bleiben? abseits.at beleuchtet im ersten Teil des Qualifikationsrückblicks die Tormänner und Verteidiger Österreichs.
Die Tormänner: Ein Hin und Her
Normalerweise gilt die Position des Torhüters als jene, auf der die Kontinuität im Vergleich zu anderen Positionen extrem hoch ist. Egal, ob im Verein oder im Nationalteam, hat sich ein Trainer einmal für eine Nummer Eins entschieden, bleibt derjenige für gewöhnlich auch in dieser Position. Nur im Falle von Verletzungen oder Sperren ist ein personeller Wechsel im Tor vorgesehen. Viele Trainer betonen auch immer wieder, wie wichtig es ist, dass der Tormann mit seiner Verteidigung eingespielt ist und führen diesen Umstand als Rechtfertigung für die niedrige Fluktuation auf der Position des Schlussmanns an. Soviel zur Theorie – die Praxis sah zumindest in Österreich anders aus.
Während Gruppensieger Deutschland in allen zehn Spielen der Qualifikation auf Manuel Neuer vom FC Bayern vertrauen konnte, wechselte Österreich drei Mal den Tormann. Beim Auftaktsieg über Kasachstan (2:0), dem darauf folgenden 3:0 über Aserbaidschan in Wien und dem verrückten 4:4 in Belgien durfte Jürgen Macho von Panionios Athen das Tor hüten, nach seinen Fehlern beim 4:4 (Tor zum 2:2 von Fellaini) und dem 0:2 gegen die Flämen in Wien (Tor zum 0:1 durch Witsel) war der Wiener aber bereits angezählt. Trotzdem spielte Macho auch in Istanbul von Beginn an, bekam zwei Tore, bei denen er aber machtlos war und man ihm keinen Vorwurf machen konnte.
Wechsel 1: Gratzei statt Macho
Durch einen Muskelfaserriss, der Macho wochenlang außer Gefecht setzte, war Didi Constantini erstmals zu einem Wechsel im Tor gezwungen. Ausgerechnet beim wichtigen Heimspiel gegen Deutschland sollte Christian Gratzei, der bis dahin erst fünf Länderspieleinsätze vorzuweisen hatte, das Team vor Gegentoren bewahren. Zwei Mal schlug es aber auch beim 30-Jährigen Keeper von Sturm Graz ein, zwei Mal hatte aber vor allem die Abwehr vor ihm geschlafen. Es folgte das 2:6 gegen die übermächtigen Deutschen in Gelsenkirchen. In diesem Spiel stellte sich zwar die gesamte Abwehr bei den Gegentoren alles andere als gut an, aber auch Gratzei unterliefen einige individuelle Fehler. Besonders in Erinnerung bleibt das 3:0 von Lukas Podolski, der aus spitzem Winkel Gratzei den Ball durch die Beine schoss.
Wechsel 2: Grünwald statt Gratzei
Danach musste Constantini wieder einmal verletzungsbedingt wechseln. Gratzei musste am Meniskus operiert werden und fiel mindestens drei Monate aus. Die Chance auf eine erfolgreiche Qualifikation war sowieso nur noch theoretischer Natur, trotzdem wollte Österreich die Gruppe mit einem Heimsieg über die Türkei noch einmal spannend machen. Die ersten beiden Torhüter fielen aus, die Wahl fiel schlussendlich auf Pascal Grünwald. Der 28-Jährige hatte zuvor noch kein einziges Länderspiel absolviert und feierte in diesem richtungsweisenden Spiel sein Debüt. Auch nach dieser Entscheidung muss sich Constantini den Vorwurf gefallen lassen, sich nicht gerade das beste Spiel „ausgesucht“ zu haben, um einen neuen Tormann debütieren zu lassen. Grünwald hielt seinen Kasten jedoch sauber und parierte in Minute 91 sogar noch einen Elfmeter, den er allerdings auch selbst verschuldete. Aus Mangel an Alternativen und, um spät aber doch Kontinuität reinzubringen, hütete Grünwald auch bei der „Ost-Tournee“ gegen Aserbaidschan und Kasachstan das rot-weiß-rote Tor. Aber auch hier gab es ein Kuriosum zu bestaunen: mit Grünwald (1 Einsatz), Robert Almer und Udo Siebenhandl (beide 0) konnte das gesamte Torhütertrio mit der geballten Erfahrung eines einzigen Länderspiels aufwarten.
Fazit:
Auch wenn Verletzungen Didi Constantini meist zu Änderungen auf der Torhüterposition zwangen: Kontinuität sieht anders aus. Drei verschiedene Torhüter in zehn Spielen, dazu ein Debüt in einem vorentscheidenden Spiel und drei absolute Grünschnäbel bei den beiden abschließenden Länderspielen. Die Serie an Verletzungen lässt die Rufe nach einem jüngeren Torhüter, der aufgebaut werden soll, lauter werden. Heinz Lindner wäre ein Kandidat, bekommt aber bei der Austria keine Spielpraxis und wird bei der U-21 gebraucht. Kasachstan setzte mit vier Torhütern als einziger Gruppengegner noch mehr Schlussmänner ein als Österreich. Bleibt nur zu hoffen, dass Marcel Koller sich schnell auf eine fixe Nummer 1 festlegt und diese auch von Verletzungen verschont bleibt.
Übersicht:
Österreich – Kasachstan 2:0 Macho
Österreich – Aserbaidschan 3:0 Macho
Belgien – Österreich 4:4 Macho
Österreich – Belgien 0:2 Macho
Türkei – Österreich 2:0 Macho
Österreich – Deutschland 1:2 Gratzei
Deutschland – Österreich 6:2 Gratzei
Österreich – Türkei 0:0 Grünwald
Aserbaidschan – Österreich 1:4 Grünwald
Kasachstan – Österreich 0:0 Grünwald
Die Verteidigung:
Welcher Trainer wünscht sich nicht eine funktionierende Viererkette in der Abwehr? Dafür müssen diese vier Akteure aber auch so oft und so lange wie möglich zusammen auf dem Platz stehen, um perfekt aufeinander eingestimmt zu sein. Umso wichtiger ist dies beim Nationalteam, wo sich die Spieler nur alle paar Monate treffen und nur wenige Tage zur Vorbereitung auf das nächste Spiel bleiben. Zum Auftakt gegen Kasachstan in Salzburg durften Christian Fuchs, Emanuel Pogatetz, Sebastian Prödl und Ekrem Dag verteidigen. Eine nominell starke Legionärs-Viererkette, die auch ein „zu null“ schaffte. Ein Monat später sah das schon wieder ganz anders aus. Plötzlich spielte statt Dag Florian Klein, statt Pogatetz Schiemer. Pogatetz war verletzt (Muskelfaserriss), Dag fit. Nur vier Tage nach dem Heimsieg über die Aseris lief dieselbe Abwehr auf und fing sich vier Tore gegen Belgien ein.
Keine Linie zu erkennen
Eigentlich ein Grund für einen Wechsel, doch im Freundschaftsspiel gegen Griechenland (1:2) durften wieder die gleichen Akteure spielen. Fast ein halbes Jahr nach dem defensiv desaströsen 4:4 in Brüssel war die Verteidigung im Heimspiel gegen die Belgier auf drei Positionen verändert. Hieß die Abwehr in Brüssel noch Fuchs-Schiemer-Prödl-Klein, so durften in Wien gegen den gleichen Gegner Fuchs-Pogatetz-Dragovic-Dag ihr Glück versuchen. Auch sie scheiterten und bekamen zwei Tore eingeschenkt. Vier Tage später spielte die gleiche Abwehr, mit dem gleichen Ergebnis. Daraus müsste man schließen, dass auch diese Konstellation nicht das Ei des Kolumbus ist – Constantini experimentierte fleißig weiter. Im Heimspiel gegen Deutschland (1:2) spielte vor Gratzei plötzlich Paul Scharner in der Innenverteidigung – obwohl der Purgstaller immer wieder betonte, sich im Mittelfeld zu sehen. Dragovic wurde auf die Tribüne verbannt. Auf der rechten Seite durfte statt Dag wieder einmal Flo Klein ran. Im Rückspiel bekam Pogatetz mit Schiemer einen Partner in der Innenverteidigung, der bis kurz vor der Partie monatelang verletzt war und diese Position vor fast genau einem Jahr im Nationalteam bekleidete. Sechs Gegentore später sah Constantini die entscheidende Schwäche aber nicht in der Innenverteidigung, sondern ließ lediglich Dag statt Klein auflaufen. In der Frage, welcher dieser beiden Spieler das Vertrauen bekam, gewinnt man im Laufe der Qualifikation den Eindruck, Constantini würde vor jedem Spiel würfeln. Nach der Nullnummer gegen die Türken und dem endgültigen Aus des Tirolers übernahm Willi Ruttensteiner die Experimentierfreudigkeit seines Vorgängers und veränderte die Abwehr im Vergleich zum Türkei-Spiel auf zwei Positionen. Dragovic und Prödl spielten statt Pogatetz und Schiemer. Beide sagten verletzt ab. Zumindest am Ende der Qualifikation, als es um nichts mehr ging, konnte die gleiche Formation zwei Mal hintereinander auflaufen.
Fazit:
In zehn Spielen liefen sieben verschiedene Abwehrformationen auf, Christian Fuchs war der einsame Wolf, der in allen zehn Partien zum Einsatz kam. Daneben wurde wild herumgewechselt. Im Zentrum einmal Prödl mit Pogatetz, dann Schiemer mit Prödl, dann Pogatetz mit Dragovic, dann Scharner mit Pogatetz, dann Dragovic mit Prödl. System war hier überhaupt keines zu erkennen. Kann man in der Innenverteidigung allerdings noch auf die teils langwierigen Verletzungen von Prödl oder Schiemer (der aber sowieso nur als Notnagel in der Innenverteidigung spielte) verweisen, stößt das ständige Wechselspiel auf der rechten Seite auf völliges Unverständnis. Ekrem Dag durfte sechs Mal ran, Florian Klein vier Mal. Öfter als drei Mal hintereinander (Dag in den letzten drei Spielen) bekam keiner der beiden das Vertrauen geschenkt. Dass diese Position die größte Baustelle im Nationalteam ist, lässt sich nicht bestreiten. Dass sie mit so einem Zick-Zack-Kurs nur noch größer wird, aber auch nicht.
Übersicht:
Österreich – Kasachstan 2:0 Fuchs – Prödl – Pogatetz – Dag
Österreich – Aserbaidschan 3:0 Fuchs – Schiemer – Prödl – Klein
Belgien – Österreich 4:4 Fuchs – Schiemer – Prödl – Klein
Österreich – Belgien 0:2 Fuchs – Pogatetz – Dragovic – Dag
Türkei – Österreich 2:0 Fuchs – Pogatetz – Dragovic – Dag
Österreich – Deutschland 1:2 Fuchs – Pogatetz – Scharner – Klein
Deutschland – Österreich 6:2 Fuchs – Schiemer – Pogatetz – Klein
Österreich – Türkei 0:0 Fuchs – Pogatetz – Schiemer – Dag
Aserbaidschan – Österreich 1:4 Fuchs – Dragovic – Prödl – Dag
Kasachstan – Österreich 0:0 Fuchs – Dragovic – Prödl – Dag
Archimedes, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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