Kein „Perfekter“ für’s ÖFB-Tor: Die leidige Frage nach der Nummer Eins
Nationalteam 25.März.2013 Michael Pinter 8
Beim letzten WM-Qualifikationsspiel gegen die Färöer-Inseln wurde es ob der Harmlosigkeit der Inselkicker zwar nicht ersichtlich, doch die österreichische Nationalmannschaft wird von einem Torhüterproblem geplagt. Dabei fehlt es nicht nur an der nötigen Spielpraxis so manches Kandidaten, sondern teilweise auch an der Klasse.
Während unser großer Nachbar Deutschland ein Überangebot an Klasse-Goalies – man denke da nur an Neuer, Adler, Zieler, ter Stegen, Leno, Ulreich, Weidenfeller, Trapp, Baumann, Giefer – hat, sucht man hierzulande seit Jahren vergeblich nach einer starken, verlässlichen Nummer Eins.
Dabei kann Österreich auf eine lange Tradition von Schlussmännern von internationalem Format zurückblicken: Friedl Koncilia, Otto Konrad, Michael Konsel, Franz Wohlfahrt – sie alle standen für Rückhalt und Sicherheit made in Austria. Die aktuellen Team-Kandidaten sind, wie der folgende Überblick zeigt, jedoch noch weit davon entfernt, in dieser Liste erwähnt zu werden.
Robert Almer (Fortuna Düsseldorf): Der Bankdrücker
Der großgewachsene Steirer entwickelte sich in den letzten Jahren vom durchschnittlichen Bundesliga-Keeper zum durchaus sicheren Rückhalt in der deutschen Bundesliga. Sein Manko: Trotz tadelloser Leistungen verlor er seinen Stammplatz beim Aufsteiger aus Düsseldorf an den jüngeren und talentierteren Fabian Giefer, der seine Chance nutzte und mittlerweile die unumstrittene Nummer Eins ist.
Im Nationalteam spielte Almer solide Partien, patzte nicht, hielt aber auch keine sogenannten „Unhaltbaren“, was aber gerade in Spitzenspielen von Nöten ist. Die fehlende Spielpraxis merkte man ihm im Teamdress nicht an, könnte aber ganz schnell zum Thema werden, sollten sich erste Unsicherheiten oder gar Schnitzer einschleichen. Grundsätzlich sollte Almer jedoch aufgrund seiner Konstanz, aber auch mangels guter Alternativen, momentan Österreichs Nummer Eins sein.
Heinz Lindner (Austria Wien): Der brave Jungspund
Der Eigenbauspieler der Wiener Austria setzte sich im vereinsinternen Duell gegen Pascal Grünwald durch und hat momentan auch im Nationalteam gute Karten. Sein Vorteil gegenüber Almer: Lindner spielt Woche für Woche in der österreichischen Bundesliga, kassierte dort mit Abstand die wenigsten Gegentore, was er allerdings großteils einer stabilen Defensive zu verdanken hat.
Der Oberösterreicher ist zweifelsohne talentiert, zeigt zuweilen starke Reflexe auf der Linie, streut aber immer wieder Fehler ein. Vor allem bei Flanken wirkt der junge Goalie unsicher. Auch fehlt Lindner die internationale Erfahrung, er muss sich erst auf der großen europäischen Bühne, auf der stärkere Gegner und Stürmer warten, als sie dies in der heimischen Bundesliga tun, beweisen; in der nächsten Saison bekommt er mit der Austria sicherlich die Chance dazu. Bis dahin bleibt Lindner wohl Österreichs Nummer Zwei.
Lukas Königshofer (Rapid Wien): Die Zwangslösung
Rapids Nummer Eins schlüpfte mit etwas Glück in genau diese Rolle, als Helge Payer konstant patzte und dem Rekordmeister keine Alternativen zur Verfügung standen. Vom Verein starkgeredet wurde Königshofer auch bald ein Kandidat fürs Nationalteam. Die Klasse dafür konnte der Wiener allerdings nie unter Beweis stellen – im Gegenteil: Nach anfangs soliden Leistungen baute der 24-Jährige sukzessive ab. Seine Patzer kosteten Rapid Punkte und Nerven, weswegen er nicht einmal mehr im Verein unumstritten ist. In dieser Verfassung ist Königshofer absolut kein Kandidat für die Nachfolge von Konsel, Wohlfahrt und Co.
Alexander Manninger (FC Augsburg): Die Verweigerer
Manninger spielte in seiner langen Karriere bereits bei prominenten Adressen (Arsenal, Fiorentina, Espanyol, Juventus), war aber nur selten Stammtorhüter. Man schätzte stets seine Verlässlichkeit – aber eben nur als zweiter oder gar dritter Mann. Dennoch ist nicht abzustreiten, dass Manninger zu den Besseren seiner Zunft zählt. Dies bewies der Salzburger zuletzt auch wieder beim FC Augsburg in der deutschen Bundesliga, wohin er im letzten Winter wechselte, als sich Stammgoalie Simon Jentzsch verletzte. Mittlerweile plagt Manninger jedoch selbst wieder eine Verletzung, womit er sich seinen Stammplatz wieder neu erkämpfen muss. Trotzdem: Manninger ist mit 35 Jahren zurzeit wohl Österreichs bester und komplettester Torhüter und wäre im Nationalteam wohl die unumstrittene Nummer Eins. Das Problem ist nur, dass der Blondschopf im Jahr 2009 seinen Rücktritt aus eben jenem erklärte und sich auch nicht zur Änderung seiner Entscheidung überreden ließ. Manninger ist somit weiterhin kein Kandidat für die ÖFB-Elf.
Ramazan Özcan (FC Ingolstadt): Der Wiedererstarkte
Özcan galt lange Zeit als aussichtreicher Kandidat auf den Posten zwischen den Pfosten der Nation, ehe seine Karriere ins Stocken geriet. Als Stammgoalie führte er seine Hoffenheimer in die Bundesliga, dort fand er sich später aber nur noch als dritter Tormann wieder. Mittlerweile läuft der Vorarlberger wieder regelmäßig auf, allerdings in der 2. deutschen Bundesliga. Dort bestätigt er konstant seine Klasse und zeigt manchmal sogar Spitzenparaden. Auch wenn die 2. deutsche Liga wohl die stärkste zweite Spielklasse Europas ist, kann es wohl nicht Anspruch eines österreichischen Nationaltorhüters sein, im deutschen Unterhaus Stammspieler zu sein. Özcan ist ein guter Torhüter, der sich eine Nominierung auf jeden Fall verdient hat, für die dauerhafte Nummer Eins reicht es allerdings (noch) nicht.
Christian Gratzei (Sturm Graz): Das Opfer des Trainers
Unter Constantini matchte sich Gratzei noch um das Einser-Leiberl mit Jürgen Macho, mittlerweile ist er davon so weit entfernt wie Sturm von der Champions League. Das liegt vor allem daran, dass sich Sturms deutscher Trainer Peter Hyballa für seinen Landsmann Johannes Focher im Tor der Grazer entschied und den verdienten Leobener auf die Bank setzte. Dort sitzt Gratzei immer noch, und das obwohl Focher in der jüngsten Vergangenheit nicht immer den sichersten Eindruck machte. Bekommt Gratzei selbst in Österreich keine Spielpraxis, ist er kein Kandidat fürs Nationalteam.
Jörg Siebenhandl (SC Wiener Neustadt): Einer für die Zukunft
Einmal wurde Siebenhandl bereits ins Team eingeladen, kam aber nicht zum Einsatz. Dabei hätte sich der 24-Jährige durchaus mehr Beachtung verdient, beweist er doch Woche für Woche bei einem Abstiegskandidaten sein Talent. Für einen Keeper eher kleingewachsen, brilliert Siebenhandl oft mit starken Reflexen. Aufgrund der wackeligen Abwehr der Niederösterreicher bekommt er allerdings auch öfter die Chance, sich auszuzeichnen, als etwa ein Heinz Lindner bei der Austria. Siebenhandl bringt viel mit, was man heutzutage von einem Klasse-Keeper erwartet, muss sich aber in vielen Belangen steigern. Vielleicht würde ein Wechsel zu einem österreichischen Spitzenklub der Entwicklung des Wieners, der ja bei der Austria ausgebildet wurde, weiterhelfen.
Wie man es also dreht und wendet, jeder der aktuellen Kandidaten hat ein oder mehrere Mankos, die man nicht unter den Tisch kehren darf. Alternativen? Fehlanzeige.
Die Möglichkeit, einen Jungen auf Jahre zur Nummer Eins aufzubauen, besteht in der momentanen heißen Phase der WM-Qualifikation ohnehin nicht. Wird die Weltmeisterschaft in Brasilien allerdings verpasst, könnte man sich darüber durchaus Gedanken machen. Mit Richard Strebinger von Werder Bremen und Samuel Radlinger von Hannover 96 stehen auf zwei junge Nachwuchstalente in den Startlöchern. Momentan muss sich der gediegene österreichische Fußballfan aber wohl mit den aktuellen Möglichkeiten zufriedengeben.
Michael Pinter, abseits.at
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