Kommentar: Ein bisschen Spaß muss sein, aber zur richtigen Zeit
Nationalteam 12.Juli.2022 Julian Berger
Ein etwa 45-sekündiges Twitter-Video mischte sich in den heutigen Frühstückskaffee. Darauf zu sehen: Die österreichische Frauenfußball-Nationalmannschaft beim Pressekonferenz-Crash nach zweiten Gruppenspiel der Europameisterschaft in England.
Für viele mag der kurze Clip nicht mehr als eine Fußnote der gesamten EM-Geschichte sein. Und doch sank das Verständnis für die Aktion parallel zur Temperatur des erwähnten Getränks. Schon Roberto Blanco wusste bekanntlich, dass es ohne ein bisschen Spaß nicht geht. Speziell in Zeiten multipler Krisenerscheinungen. Dennoch mutet das Timing der Interruption der Pressekonferenz samt Polonaise und Gesangseinlage nicht sonderlich glücklich an. Doch wir wollen der Chronologie die Ehre erweisen.
Was am Ende des gestrigen Fußballtages in Österreich bleibt, ist ein 2:0-Erfolg gegen Gegnerinnen, die gemeinhin als das leichteste Los in einer alles andere als leichten EM-Gruppe galt. Ein Resultat, über das man sich natürlich freuen sollte, öffnete es doch die Tür in Richtung KO-Phase zumindest einen Spalt breit. Der Schritt durch ebenjene Tür ist aber noch lange nicht getan, es braucht zumindest ein Remis gegen Norwegen, das gegen Gastgeber gestern eine 0:8-Schlappe hinnehmen musste. Dass der Schein dieser höchsten Niederlage der norwegischen Frauen in ihrer Geschichte trügen kann, zeigen andere Ergebnisse, die sich ebenso in der Historie finden. Die Skandinavierinnen sind zweimalige Titelträgerinnen bei EM-Endrunden, dazu triumphierte man auch bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Mit 11 EM-Teilnahmen hat man den Österreicherinnen auch in Sachen Erfahrung einiges voraus. Die direkten Duelle hübschen die Statistik aus heimischer Sicht kaum auf. Fünfmal traf Österreich bisher auf die Kontrahentinnen aus dem Hohen Norden, für einen Sieg reichte es bis dato noch nicht. Immerhin: Das letzte Aufeinandertreffen im Jahr 2016 brachte ein 2:2-Remis in Oslo. Ein Ergebnis, welches am Freitag für ein Weiterkommen reichen würde. Davor allerdings gab es in vier Spielen ebenso viele Niederlagen, ein Torerfolg gelang Österreich dabei nicht.
Nun weg von den Zahlenspielen, hin zum Geschehen auf dem Feld. Das Kurzpassspiel gegen Nordirland funktionierte über weite Strecken gut, auch Pressingsituationen wurden immer wieder erfolgreich gestaltet. Scheinbar ist es aber auch so, dass ein fußballösterreichisches Problem vor der Damen-Nationalmannschaft nicht Halt gemacht hat. Je näher man dem gegnerischen Strafraum kam, desto weniger durchschlagskräftig schien das österreichische Spiel. Auch die Chancenauswertung ließ etwas zu wünschen übrig. Probleme, die gegen Norwegen das Erreichen eines positiven Ergebnisses erschweren dürften und deren Analyse und Bearbeitung in den kommenden Tagen alles untergeordnet werden sollte.
Und weil aller guten Dinge drei sind, darf hier noch ein weiteres Thema angesprochen werden. Die Außendarstellung. Vor Beginn des Turniers wurde die Größe der EM-Bühne immer wieder betont. Dementsprechend stehen die Damen auch medial – völlig zu Recht – mehr im Fokus. Nun mögen viele einwenden, dass Feste so gefeiert werden müssen, wie sie fallen, dennoch ist kein weiterer Fall bekannt, bei dem ein teilnehmendes Team einen Gruppensieg derart ausgelassen feiert, wie man es sonst nur nach gewonnenen Titeln, vermiedenen Abstiegen, Qualifikationen für internationale Wettbewerbe etc. kennt. Klar ist auch, dass, sollte unsere Damen-Nationalmannschaft am Freitag den Aufstieg schaffen, dieser Kommentar als Übertreibung, Erbsenzählerei und andere Metaphern abgetan werden kann. Zum Feiern bliebe danach bzw. nach einer insgesamt erfolgreich gestalteten EM immer noch genug Zeit. Ein Szenario, welches ich mir als Fan der österreichischen Damen absolut wünsche.
Mit einem Ausscheiden gegen die Skandinavierinnen bekäme der PK-Crash ebenjene Bedeutung und denselben fahlen Beigeschmack wie ein zu lange stehengelassener Frühstückskaffee.
The press conference with Irene Fuhrmann and Barbara Dunst has just been hijacked by some of the #AUT squad.
They’re obviously enjoying their important win! #WEURO2022 pic.twitter.com/cI6TDMoDTq
— Jack Johnson (@JackJ_) July 11, 2022
Julian Berger
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