Leitgeb oder Kavlak? Wer ersetzt David Alaba im EM-Qualifikationsspiel gegen Russland?
Nationalteam 14.November.2014 Alexander Semeliker 0
Wie verdaut das österreichische Nationalteam den Ausfall seines Schlüsselspielers David Alaba? Und wer ersetzt den Bayern-Star? Das sind die wohl zwei am häufigsten gestellten Fragen, seitdem Alaba im Champions-League-Spiel gegen die AS Roma mit einer Knieverletzung ausschied und Österreich im richtungsweisenden Spiel gegen Russland fehlen wird. abseits.at geht der Frage nach dem Ersatz nach und beleuchtet Stärken und Schwächen der Alternativen.
„David“, so Teamchef Marcel Koller, „ist für uns ein sehr wichtiger Spieler, es ist schade, dass er nicht dabei ist. Aber wir haben einen guten Kader und Spieler, die diesen Ausfall auffangen können.“ Eine nachvollziehbare Reaktion, dennoch wird Alabas Startplatz von einem anderen Spieler übernommen werden. Im Wesentlichen hat der Schweizer zwei Optionen.
Christoph Leitgeb: Ruhepol und stiller Taktgeber
Die erste ist Christoph Leitgeb von Red Bull Salzburg. Der 29-Jährige ist gewissermaßen ein Liebkind von Koller, wurde er doch auch dann für den Teamkader berücksichtigt, wenn er in der Mozartstadt auf der Tribüne saß. Nachdem er sich dort schließlich auch durchsetzte, machte er in der letzten Saison den nächsten Entwicklungsschritt und verbesserte sich dabei vor allem im Spiel gegen den Ball, was sich auch im ÖFB-Team zeigte.
Besonders das Freundschaftsspiel gegen Uruguay sei an dieser Stelle herausgestrichen, wo er sein gutes Gespür im Gegenpressing zeigte. Dabei besticht er weniger durch ein aggressives Herausrücken, sondern seine Intelligenz. Er sucht nicht ständig den Körperkontakt mit dem Gegner, sondern positioniert sich nur so nahe an ihm, dass er als Anspielstation wegfällt. Dadurch sind seine Balleroberungszahlen zwar nicht besonders hoch (1,5 abgefangene Pässe und 1,6 Tackles pro 90 Minuten), jedoch kann er freier auf die jeweilige Aktion reagieren und sich gegebenenfalls umpositionieren.
Eine weitere Eigenschaft, die Leitgeb in eine aussichtsreiche Position für die Startelf bringt, ist sein strukturiertes Passspiel, mit dem er den Spielrhythmus bestimmen kann. Beim 1:0-Heimsieg gegen Irland im September 2013 hauchte er damit dem Spiel des ÖFB-Teams Leben ein und nahm auch entscheidenden Druck von Alaba. Da davon auszugehen ist, dass mit Julian Baumgartlinger ein Balancespieler als zweiter Sechser agieren wird, wird es einen Taktgeber benötigen, wenn man das Geschehen in die eigene Hand nehmen will. Zusätzlich zum Strukturgefühl Leitgebs kommt noch dessen Fähigkeit im Dribbling und Pressingresistenz.
Veli Kavlak: Arbeiter und aggressiver Balleroberer
Der zweite Anwärter auf den Posten im Zentrum ist Veli Kavlak. Dieser ist zwar erst aufgrund Alabas Verletzung überhaupt in den Kader gerutscht, hat aber gerade deshalb Chancen direkt in Startelf zu rutschen – nämlich dann, wenn sich Koller dazu entscheidet, wieder auf die Tugenden seiner ersten Spiele zu setzen. Damals stand Kavlak sogar regelmäßig zu Beginn am Rasen, obwohl seine Leistungen damals bei Besiktas wohl einen Tick schlechter waren. Dass er mittlerweile um einen Kaderplatz kämpfen muss, hängt einerseits mit der nun höheren Konkurrenz zusammen, aber auch mit der veränderten Spielanlage des ÖFB-Teams.
In den ersten Spielen unter Koller sorgte vor allem das aufreibende und aggressive Angriffspressing für positive Schlagzeilen – insbesondere beim Heimspiel gegen Deutschland 2012. Die Doppelsechs bildeten damals übrigens Baumgartlinger und – genau – Kavlak. Zu dieser Zeit hatte das ÖFB-Pressing noch einen höheren Mannfokus im Vergleich zu heute. Das bedeutet, dass weniger die strategischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen mussten, sondern vielmehr die physische Komponente beansprucht wurde – ein Anforderungsprofil, das perfekt zu Kavlak passt.
Der 26-Jährige galt in seiner Rapid-Zeit als guter Techniker, hat sich – gemessen an internationalen Standards – aber zu einem aggressiven Balleroberer entwickelt, der bei der Balleroberung regelrecht über das Feld jagt. In der türkischen Süper Lig gibt es beispielsweise nur sieben Spieler, die mehr erfolgreiche Tackles pro Spiel haben (2,8). Mit 2,5 Fouls pro Spiel liegt er jedoch auch in dieser Kategorie im wenig ruhmreichen Spitzenfeld. Ein Beispiel, in dem diese Eigenschaft positiv eingesetzt wurde, sah man beim 2:2 in Dublin, wo Kavlak mit einer Balleroberung entscheidenden Anteil an der zwischenzeitlichen ÖFB-Führung hatte.
Andererseits offenbarte dieses Spiel auch die Schwächen in seinem Spiel. Als Zlatko Junuzovic nämlich verletzt vom Feld musste, rückte Kavlak an dessen Stelle im zentralen offensiven Mittelfeld. Mit ihm als Zehner ging jedoch jegliche Struktur im Kombinationsspiel verloren. Das Passspiel des Türkei-Legionärs wirkte im Österreich generell meist sehr ungeduldig. Er suchte oft überhastet das vertikale Zuspiel in die Spitze anstatt das Spiel zu beruhigen. Zudem ist er bei gegnerischem Pressing anfälliger als Leitgeb.
Eine Frage des Matchplans
Dass die Last, die durch Alabas Ausfall entstand, auf mehrere Schultern verteilt werden muss, will man das Spiel gegen die Russen gewinnen, ist unumgänglich. Der Entscheidung, welcher Spieler die nominelle Ersatzposition des Bayern-Legionärs einnimmt, wird dennoch ein großes Gewicht zu kommen, weil sie wohl auf die taktische Ausrichtung der ÖFB-Elf schließen lässt. Leitgeb wäre ein Zeichen dafür, dass man es sich zutraut, den selbstbewusst auftretenden Russen, spielerisch entgegenzutreten. Mit Kavlak könnte man hingegen die Schwächen der Sbornaja im Spielaufbau besser ausnutzen. Die Spannung ist also auch aus taktischer Sicht schon vor dem Anpfiff sehr groß.
Alexander Semeliker, abseits.at
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