Marc Janko als unflexibler Fremdkörper im österreichischen System – Chance für Maierhofer oder Arnautovic?
Nationalteam 11.August.2011 Daniel Mandl 0
Es war die 55.Minute als Teamchef Didi Constantini im Länderspiel gegen die Slowakei (1:2) Erwin „Jimmy“ Hoffer anstelle von Zlatko Junuzovic brachte und damit einen zweiten Angreifer ins Rennen warf. Aus einem 4-2-3-1 wurde ein 4-4-2 – oder doch nicht so wirklich? In Wahrheit machte dieser Wechsel das Team unflexibler und versetzte es in so mancher Situation sogar in Unterzahl.
Ein offensives Mittelfeld mit Harnik, Junuzovic und Alaba macht schon was her, keine Frage. Harnik machte in den letzten 1 ½ Jahren riesige Fortschritte bei seinem Verein, machte in der Vorsaison 17 Pflichtspieltore für den VfB Stuttgart und beginnt auch 2011/12 wieder zu netzen. Alaba ist im Klub noch nicht hundertprozentig gefestigt, zeigte zuletzt jedoch Länderspiel für Länderspiel sein großes Selbstvertrauen und Können. Der Sinn eines 4-2-3-1 ist meistens, dass es bei Ballbesitz und in Vorwärtsbewegung zu einem 4-3-3 werden soll. Dies bedeutete im konkreten, gestrigen Fall, dass bei Angriff Österreich Alaba – Janko – Harnik die Spitze bildeten. Hört sich auf dem Papier nicht schlecht an – unser Team konnte schon längere Zeit nicht mehr auf eine derartige Achse, die immerhin für Bayern, Twente und Stuttgart spielt, zurückgreifen. Aber diese Konstellation hat einen Schönheitsfehler – und der heißt Marc Janko.
Janko wird kaum hinterfragt
Der 28-jährige Teamkapitän stand im letzten Jahr 166 Minuten für das Nationalteam auf dem Platz. Dies entspricht vier Partien, davon zwei von Beginn an. Als Janko seinen letzten Treffer fürs Nationalteam erzielte, spielte er noch für Red Bull Salzburg. Das war am 14.Oktober 2009 bei der 1:3-Auswärtsniederlage in Frankreich. Trotzdem ist der Twente-Angreifer der etatmäßige Kapitän des Teams – einen Janko kann man halt öffentlich herzeigen und mit den Medien sprechen lassen. Teilweise hat man den Eindruck, dass der Holland-Legionär, der heuer bereits vier Pflichtspieltore für den Vorjahresvizemeister aus Enschede erzielte, bereits zu einer Art heiligen Kuh geworden ist. Resistent gegen jegliche Kritik. Dabei sind es vor allem seine Leistungen im Nationalteam und seine taktische Rolle in selbigem die hinterfragt werden müssen. Wenn er denn überhaupt spielt, denn auch wundersame Verletzungen und Erkrankungen vor unangenehmen Partien waren bei Janko in den letzten zwei Jahren keine Seltenheit.
System braucht einen arbeitenden Angreifer
Ein gut funktionierendes 4-2-3-1 – und da bewegt sich Österreich rein grundsätzlich aufgrund starker Einzelakteure im Mittelfeld hin – ist von einem kompletten Stürmer abhängig. Die Anforderungen an eine solche Spitze sind etwa große Lauffreudigkeit, die Fähigkeit Bälle zu halten und abtropfen zu lassen und der Wille in Rückwärtsbewegung zum ersten verteidigenden Mittelfeldspieler zu werden. Klassisches Beispiel für eine nahezu perfekte Solospitze in einem 4-2-3-1 war etwa Rapids Ex-Bomber Nikica Jelavic, der sich seine Bälle nicht nur selbst im Mittelfeld holte, sondern auch noch einen gewaltigen Aktionsradius abgraste und enorm viel für das Team arbeitete. Bei Janko ist das nicht der Fall. Er wirkt im österreichischen Team wie ein Fremdkörper, hat keine Bindung zum Mittelfeld. Man hat den Eindruck, dass er in Rückwärtsbewegung zu offensiv agiert, das Team zu wenig unterstützt, gleichzeitig aber bei Angriff Österreich zu verhalten spielt, sich zudem mit einer konsequenten Regelmäßigkeit komplett falsch positioniert.
Stürmer rein, Team defensiver – Paradoxon des modernen Fußballs
Als Constantini mit Jimmy Hoffer einen zweiten Stürmer brachte, beschnitt er die starken Alaba und Harnik in ihren Bewegungsfreiräumen. Er presste die bis dahin besten und initiativsten Spieler in ein Korsett, nur um auf dem Papier offensiver auszusehen. Aber nur in wenigen Fällen ist ein 4-4-2 im modernen Fußball offensiver als ein dynamisches 4-2-3-1. Dadurch, dass Janko und Hoffer nun gleichzeitig auf dem Feld standen, wurde es für Österreich schwieriger das Übergewicht im Mittelfeld zu halten. Dazu fehlte erst recht ein arbeitender Angreifer, der schon zuvor im 4-2-3-1-System vermisst wurde. Hätte Constantini etwa Janko durch Hoffer ersetzt, hätte er damit nicht auf einen Stürmer verzichtet, sondern sogar eher das Mittelfeld gestärkt, das es immerhin bis dahin schaffte den durchaus guten Gegner zu kontrollieren. Mit dem Wechsel Royer für Kulovits hätte er das System, auch ohne einen weiteren Stürmer einzuwechseln, offensiver und flexibler machen können. Aus einem 4-2-3-1 wäre schnell ein 4-1-4-1 entstanden, wie es zuletzt etwa der FC Bayern München praktizierte und vor allem Spielern wie Alaba oder Junuzovic entgegengekommen wäre.
Maierhofer als Arbeitstier?
Janko als Solospitze funktioniert offenbar nicht. Zumindest nicht im Nationalteam. Was aber sind die Alternativen? Auch wenn er oft verschmäht wird, ist Jankos Freund Stefan Maierhofer ein Kandidat für den Posten der Solospitze in einem 4-2-3-1 mit dynamischen Flügelspielern. Maierhofer ist kopfballstark, stellt körperlich etwas dar, machte zuletzt auch technische Fortschritte und kann Bälle abtropfen lassen und verteilen. Maierhofers größter Trumpf und Vorteil gegenüber Janko in einem solchen System ist jedoch, dass er sich für die Mannschaft zerreißt, bis seine Lungen bluten. Das Team könnte offensiv auf das planmäßige 4-3-3 umschalten, defensiv de facto mit einem 4-5-1-0 spielen, bei dem Maierhofer keine 30 Meter von der eigenen Viererkette entfernt als erster verteidigender Spieler agiert. Eine Variante, die im modernen Fußball, speziell für kleinere Mannschaften, fast schon notwendig wird. Wer nicht kompakt verteidigen kann, wird irgendwann von seinem Gegner gefressen.
Unser Verrücktester als Solospitze?
Eine zweite Variante, möglicherweise etwas unpopulär, aber doch etwas über das man nachdenken muss, wäre die Solospitze Arnautovic in einem 4-2-3-1. Als der verrückte 22-jährige nach den Spielen gegen Belgien oder Aserbaidschan von den Medien über den grünen Klee gelobt wurde, bekräftigte kaum jemand, dass er durch seine Lässigkeitsfehler in der gegnerischen Hälfte auch so manches Tor verschuldete. No-Look-Pässe, brotlose technische Finessen und ähnliche Arnautovic’sche Markenzeichen sind auf einer Position im offensiven Mittelfeld, die eine Solospitze einsetzen soll, nicht nur gefährlich, sondern auch kontraproduktiv. Was aber wenn ebendieser Marko Arnautovic, der nicht gerne defensiv arbeitet, nach einer misslungenen Aktion aufs Pressing vergisst und eigentlich keinen großen Aktionsradius haben möchte, als Knipser eingesetzt wird? Man kann Arnautovic einiges vorwerfen, aber nicht, dass er nicht stark im Abschluss wäre. In den letzten zehn Monaten erzielte er immerhin vier Länderspieltore, in seiner Zeit beim FC Twente bewies er auf einer ähnlichen Position, dass er eine spielende Speerspitze sein kann. Ein sehr offensiv ausgerichteter Arnautovic, der in Rückwärtsbewegung taktische Basisaufgaben erfüllen muss, sonst jedoch offensiven Spielraum erhält, kann für das Team Gold wert sein. Ganz banal gesagt: Geh nicht zu Arnautovic und erkläre ihm wo er wann wie verschieben soll, sondern geh zu Arnautovic und sag ihm „du bist unsere einzige Spitze, mach dein Tor“. Angesichts seines großen, theoretischen Potenzials wäre auch diese Variante, trotz aller Verhaltensauffälligkeiten des Werder-Bremen-Legionärs, anzudenken.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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