Neo-Teamchef Franco Foda im Taktikportrait
Nationalteam 14.November.2017 Sebastian Ungerank 1
Sehr viel wurde in den letzten Tagen und Wochen über die Geschehnisse beim ÖFB und die nach dem Aus von Marcel Koller entstandene Teamchef-Suche geschrieben und diskutiert. In den Medien und den sozialen Netzwerken standen dabei leider wieder einmal fast ausschließlich emotionale und persönliche Aspekte im Fokus. Die mächtigen Landespräsidenten wurden dabei ebenso auseinandergenommen wie undurchsichtige Entscheidungsprozesse in ÖFB-Gremien, unglückliche Pressekonferenzen und angebliche „Top-Power-Point Präsentationen“ von möglichen Teamchef-Kandidaten. Und einige suchten noch ganz verzweifelt nach einer Analyse zur missglückten Europameisterschaft 2016. Sportdirektor Willi Ruttensteiner sollte nämlich nicht die nötigen Schlüsse daraus gezogen haben. Dabei darf man den entscheidenden Punkt dieser ganzen Debatte nicht übersehen: In Österreich soll in Zukunft wieder der Fußball im Mittelpunkt stehen und nicht die Wissenschaft.
All jenen, die davon genug haben, bieten wir ein Kontrastprogramm. Wir richten den Scheinwerfer auf das Spielfeld und analysieren in dieser vierteiligen Serie unter anderem die Entwicklung des Trainers Franco Foda, sein aktuelles Spielmodell mit Sturm Graz und versuchen mögliche Modelle für das zukünftige Spiel der Nationalmannschaft unter Foda zu konstruieren. Im ersten Teil widmen wir uns der persönlichen Entwicklung von Franco Foda!
Die persönliche Entwicklung des Franco Foda
Bevor wir das Spiel von Sturm Graz in dieser Saison unter die Lupe nehmen ist es sinnvoll, sich grob die Entwicklung des Trainers Frano Foda vor Augen zu führen. Ein mitentscheidender Punkt für seine Bestellung zum Teamchef dürfte seine Entwicklung und Arbeit bei Sturm Graz im letzten Jahr gewesen sein. Vor allem von der letztjährigen zur heurigen Saison entwickelte er sich noch einmal enorm weiter und strukturierte das Spiel seiner Mannschaft praktisch gänzlich neu. Die sportliche und taktische Entwicklung von Sturm Graz geht daher einher mit der persönlichen Entwicklung des Trainers Franco Foda. Dabei scheute er nicht davor zurück, Korrekturen in seiner Arbeit vorzunehmen bzw. sogar ganz neue und moderne Wege einzuschlagen. Diese rasante Entwicklung kam dann doch etwas überraschend, galt er doch für viele als äußerst pragmatisch und konservativ. Oft vermittelten diesen Eindruck auch seine Mannschaften auf dem Platz.
Grob gesagt kann man drei wesentliche Aspekte festhalten, an denen sich die Entwicklung von Franco Foda manifestiert.
Foda verabschiedete sich von seiner fast schon dogmatischen 4-4-2 Grundordnung und öffnete sich hin zu flexiblen Grundordnungen und Systemen. Jahrelang gab es keinen Zweifel daran, mit welcher Grundordnung er seine Mannschaften auf das Spielfeld schickte. Dabei schien es fast egal zu sein, welche Spielertypen er zur Verfügung hatte bzw. wie der Gegner eventuell spielen könnte. Franco Foda gab es nur mit einem 4-4-2. Der Erfolg gab ihn aber bereits damals schon Recht. So konnte er mit den Blackies 2010 den Cupsieg und ein Jahr später die Meisterschaft holen. Aber wie alle wissen, hat sich der Fußball seit dieser Zeit natürlich weiterentwickelt. Vor allem in Bezug auf taktische Variabilität und spezifische Gegneranpassungen inklusive einer umfangreicheren Gegneranalyse hat sich viel getan. Pep Guardiola oder Thomas Tuchel stehen exemplarisch für diese Zeit. Aber auch in Österreich und später in Köln hat Peter Stöger anhand taktischer Flexibilität bewiesen, dass man mehr aus einer Mannschaft herausholen kann als bloß die Summe ihrer Einzelteile.
Bei Sturm Graz hatte man in selbiger Zeit oft das Gefühl, dass individuell mehr in der Mannschaft steckt als dies die mannschaftstaktische Ausrichtung hergibt. Irgendwie hat man sich damit selbst die größten Zwänge auferlegt und die Spieler konnten selten ihr volles Potential ausschöpfen bzw. sich sogar noch weiterentwickeln. Das dürfte Foda erkannt haben und bei ihm ein Umdenken bewirkt haben. Besonders in der heurigen Saison greift Foda immer wieder auf verschiedene Grundordnungen zurück und orientiert sich dabei immer wieder klug am Gegner und an den eigenen Spielern. In einem späteren Abschnitt werden wir näher darauf eingehen.
Der nächste augenscheinliche Entwicklungsschritt von Foda bestand darin, sich nicht nur auf ein schnelles Umschaltspiel zu fokussieren sondern auch ein sauber strukturiertes Aufbau- und Ballbesitzspiel seiner Mannschaft zu verinnerlichen. Neben der flexiblen Wahl von Grundordnungen ist dies mit Sicherheit ein weiteres Mosaiksteinchen, warum Sturm derzeit an der Tabellenspitze steht und viele Spiele mit mehr Ballbesitz dominiert hat. Wir werden sehen, dass vor allem die häufig genutzte 3-4-3 Grundordnung bei diesem Vorhaben hilfreich ist und dazu die Positionen mit den passenden Spielertypen besetzt werden.
Ein Statement von Foda selbst drückt diesen Schritt am besten aus: „ Im letzten Herbst hatten wir einen guten Start, hatten aber in einigen Spielen etwas Glück gehabt. Wir hatten mehr Wert aufs Umschaltspiel gelegt. Das hatte Gründe, dass wir auch die Spieler dazu hatten. In diesem Jahr haben wir die Mannschaft etwas neu strukturiert. Wir wollten aus dem Ballbesitz mehr zum Erfolg kommen. Das ist uns gelungen, sind jetzt viel ballsicherer. Wir bereiten das Spiel besser vor, können aber noch immer gut umschalten.“
Diese zwei Punkte ermöglichen Foda auch den dritten Schritt: bessere Gegneranpassungen und gute Matchpläne. Dank der verschiedenen Grundordnungen und des gut strukturierten Ballbesitzspiels können sich die Blackies spezifisch auf jeden Gegner einstellen, ohne dass dabei die Organisation und der rote Faden im Spiel verloren gehen. Von diesen passenden Matchplänen haben wir in der laufenden Saison bereits einige gesehen. Höhepunkte waren dabei zum Beispiel der 3:0-Auswärtssieg in St. Pölten oder der klare Heimsieg gegen die Austria. Demzufolge dürften die Spieler auch die Vorbereitung unter der Woche auf den nächsten Gegner bezüglich Analyse und Training auf dem Platz sehr gut aufnehmen. Wie wir am Ende dieser Serie sehen werden, könnte dieser ein ganz entscheidender Punkt bei seiner neuen Arbeit als Teamchef sein.
Zusammengefasst kann man festhalten, dass Franco Foda in den letzten Monaten viele gute Schlüsse für seine Arbeit gezogen hat. Die Art und Weise, wie Sturm Graz aktuell Fußball spielt, ist mit Sicherheit kein Zufall, sondern vielmehr das Ergebnis guter und moderner Trainerarbeit von Foda selbst als auch von seinem Trainerteam und Sportdirektor Günter Kreissl.
Das Grundgerüst des Grazer Erfolgslaufs
Der Erfolg und der gebotene Fußball von Sturm in der heurigen Saison ist wie so oft das Ergebnis von vielen kleinen Puzzleteilen, welche gut aufeinander abgestimmt sind.
Das fängt damit an, dass Foda von seinem Sportdirektor vor der Saison ideale Verstärkungen zur Verfügung gestellt bekam. Diesen entscheidenden Punkt darf man bei einer Analyse über Sturm auf gar keinen Fall übersehen. Foda nahm dies dankend auf und integrierte die Neuzugänge rasch und passend in das vorhandene Grundgerüst, welches zum Großteil ebenfalls von Kreissl zusammengestellt wurde.
Auf alle Fälle hat der Grazer Sportdirektor auch in der letzten Transferperiode eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er ein Auge hat für (oft unterschätzte) entwicklungsfähige österreichische Spieler. Allein Zulj, Huspek (kam bereits 2016) und Röcher bilden mittlerweile das Grundgerüst im Offensivspiel des Tabellenführers. Für keinen der drei Spieler hat man im Übrigen eine Ablösesumme bezahlen müssen.
Dazu kamen bereits im Sommer 2016 mit Schulz, Alar und Hierländer aktuelle Leistungsträger und Führungsspieler in die Steiermark. Allein diese Namen zeigen, dass in den letzten Transferperioden nicht allzu viel verkehrt gemacht worden ist.
Diese Kaderstärke in Verbindung mit der passenden Einbindung der vorhandenen Spielertypen sind die Säulen im aktuellen Grazer Erfolgsgebilde.
„Man sieht es ja an den Spielern, die wir geholt haben. Uns haben einige Dinge gefehlt. Nach Uros Matic‘ Weggang hatten wir im Zentrum keinen Linksfuß mehr. Es ist immer gut, wenn man auf gewissen Positionen einen Rechts- und einen Linksfuß hat. Uns hat zudem einer gefehlt, der die finalen Pässe wie Matic spielen kann oder der den Ball halten kann. Das sind Faktoren, die Peter Zulj mitgebracht hat. Ähnlich war es bei Thorsten Röcher. Wir haben mehr eins-gegen-eins-Stärke auf der Seite gebraucht. Thorsten ist in Dribblings gut und stets unberechenbar. Auch Oliver Filip kommt mit Speed über die Seite. Man sieht an den Spielern, die wir verpflichtet haben, welche Schlüsse wir gezogen haben“.
Günter Kreissl über Scouting und die Analyse der Saison 2016/2017
(Das komplette Interview könnt ihr auf blackfm hören)
Dazu hat sich Foda auch nicht davor gescheut, jungen und unerfahrenen Spielern aus den eigenen Reihen eine Chance zu geben und sie ins kalte Wasser zu werfen. So konnte sich zum Beispiel Dario Maresic mit gerade einmal 18 Jahren zum Stabilisator in der Abwehr entwickeln. Neben den routinierten Koch und Schulz (bzw. Lykogiannis), was auch darauf schließen lässt, dass die oft von vielen angesprochene Mischung in der Mannschaft stimmen dürfte.
Auch ein Sandi Lovric kann an dieser Stelle genannt werden, der vor allem zu Saisonbeginn im zentralen Mittefeld neben Zulj sehr starke Leistungen gebracht hat.
Man kann daher sagen, dass Foda den richtigen Fußball mit den richtigen Spielern spielen lässt. Klingt zwar etwas eigenartig, aber im Grunde ist es so. Er hat das passende Spielermaterial zur Verfügung, um dominanter, ballsicherer und im eigenen Ballbesitz kontrollierter agieren zu können. Eine reine Fokussierung auf Umschaltsituationen würde den Qualitäten der Spieler nicht (mehr) entsprechen. Dafür hat Kreissl in der Sommerpause den richtigen Rahmen gebastelt, innerhalb dessen nun Franco Foda seine Ansätze und Ideen umsetzen kann. Ausgangspunkt dafür war, wie dem Statement von Kreissl zu entnehmen, eine klare Analyse der eigenen Mannschaft samt deren Stärken und vor allem Schwächen. Ausgehend davon wiederum hat man die passenden Spieler gescoutet und schließlich verpflichtet. Noch dazu zum Nulltarif. All das kann man dann wohl ruhigen Gewissens unter dem Begriff kluger Transferpolitik zusammenfassen.
Spielmodell SK Sturm Graz Herbst 2017
Bis dato ist Sturm Graz gemeinsam mit Red Bull Salzburg die dominanteste und spielstärkste Mannschaft in der heimischen Bundesliga. Beide Teams haben dabei gewisse Ähnlichkeiten miteinander bzw. anders formuliert, beide Mannschaften verfolgen schlichtweg moderne taktische Grundprinzipien in den jeweiligen Spielphasen. So forcieren beide Teams das Spiel flach und kontrolliert aus der eigenen Abwehr heraus aufzubauen, um im weiteren Angriffsverlauf bewusst den Gegner vor Entscheidungen zu stellen und die dadurch entstehenden Räume zu bespielen. Das hat wohl auch Foda gemeint, indem er behauptete, dass sein Team die Angriffe jetzt besser vorbereite als noch in der vergangenen Saison.
Aktivität und Spielkontrolle strahlen dadurch beide Mannschaften aus, nur jeweils in anderen Strukturen und teilweise auch in anderen Räumen. Die Angriffe von Red Bull in ihrer 4-1-3-2 Grundordnung werden vor allem im letzten Drittel wesentlich häufiger durch das Zentrum gespielt als dies bei Sturm der Fall ist. Anhand dieses Vergleichs beider Spitzenmannschaften in der Bundesliga wird wieder mal ersichtlich, dass Grundordnungen allein rein gar nichts über die Spielidee eines Trainers aussagen. Oder wer kommt schon auf die Idee, die Spielweise von Franco Foda aufgrund der 5-4-1 Ordnung als defensiv und abwartend zu bezeichnen? All jenen, die Sturm Graz spielen gesehen haben, stellt sich diese Frage überhaupt nicht.
Auch im Spiel gegen den Ball verbindet die beiden Topteams der Liga mehr als auf den ersten Blick angenommen. Frano Foda und Marco Rose setzen auf klar und sauber strukturierte Pressingbewegungen, innerhalb derer sich die Spieler am Ball orientieren und dabei das Ziel verfolgen, das Zentrum sowie die Halbräume zu kontrollieren. Für gegnerische Teams ist es daher äußerst schwierig, sich gegen eine aufrechte Organisation durch das Zentrum Torchancen herauszuspielen. Großer Unterschied zwischen Sturm und Salzburg ist an diesem Punkt die Wahl der Pressinghöhe- und intensität.
Während Red Bull in der Regel auf ein aktives und lenkendes Angriffspressing setzt, verteidigt Sturm vor allem im 5-4-1 wesentlich tiefer und passiver und konzentriert sich auf das Verschließen von Passoptionen im Zentrum und in den Halbräumen. Gegnerische Innenverteidiger und abkippende Sechser können daher das Spiel meist ruhig aufbauen und den Ball kontrollieren, bei Pässen in den Grazer Verteidigungsblock (oder in den Zwischenlinienraum) wird der Pressingmechanismus aber sofort scharf gestellt und der gegnerische Passempfänger aggressiv unter Druck gesetzt. Wir werden auch sehen, dass die Flügelzonen beliebte Pressingtrigger für die Grazer sind. Kompakte Abstände, vor allem in den horizontalen Linien, ermöglichen sofortigen Zugriff und die nötige Absicherung für den attackierenden Spieler.
„Wir sind dann gut, wenn wir als Kollektiv auftreten und alle zusammen gegen den Ball arbeiten. Wenn wir das nicht machen, können wir auch gegen jede Mannschaft in dieser Liga verlieren“.
Franco Foda über die Basis seines Spielmodells
In diesem Punkt gleichen sich Sturm und Salzburg wieder. Bei beiden Mannschaften ist das Spiel gegen den Ball die Basis, was durch ein funktionierendes Kollektiv mit klaren Pressingmechanismen zum Ausdruck gebracht wird. Nur machen sie dies aus verschiedenen Initial-Ordnungen heraus und in anderen Spielfeldzonen.
Dank dieser harmonischen Abstimmung zwischen den einzelnen Spielphasen setzen sich diese zwei Teams zurzeit noch etwas von der Konkurrenz in der Bundesliga ab. Die zwei Wiener Großklubs hatten vor allem zu Saisonbeginn mit erheblichen Balance-Problemen zu kämpfen. Rapid allerdings konnte sich in den letzten Wochen stabilisieren, die Austria hat auch aufgrund von personellen Engpässen teilweise im Spiel gegen den Ball noch große Probleme.
Nach diesem kurzen Abgleich des Spielmodells von Franco Foda mit der Konkurrenz in Österreich wollen wir uns nun ausgehend vom Spielmodell im Detail anschauen, mit welchen taktischen Mitteln er diese Strategie auf den Platz umsetzt und sich dabei immer wieder gut an den Gegner anpasst.
Mannschaftsanalyse: Grundordnungen und Personal
Neben der 3-4-3/5-4-1 Grundordnung griff Foda in den bisherigen 14 Runden auch noch auf ein 4-2-3-1, 4-1-4-1 und einmal auf ein 3-3-3-1 (mit Raute im Mittelfeld) zurück.
Das 4-2-3-1 kam hauptsächlich zu Saisonbeginn in den ersten beiden Spielen gegen St. Pölten und im Ernst-Happel Stadion gegen die Austria zum Einsatz. Danach wurde es in der dritten Runde in Mattersburg vom 3-4-3 abgelöst, welches von da in bis zur 9. Runde gegen Altach in Verwendung war. Gegen die Vorarlberger setzte Foda zu Beginn auf ein 4-3-3, der Matchplan wurde aber durch den Ausschluss von Sandi Lovric durcheinander gewirbelt. Nach der roten Karte stellt Foda auf ein tiefes und passives 4-4-1 um und erkämpfte sich dadurch noch ein 0:0. In den zwei Runden danach folgten gegen St. Pölten (3-3-3-1) und die Austria (4-1-4-1) noch einmal spezifische Gegneranpassungen. In der zwölften Runde gegen Mattersburg sortierte sich die Mannschaft im 4-2-3-1, während man in den beiden letzten Runden gegen den WAC und gegen Rapid wieder zum 3-4-3 zurückkehrte.
Auch im personellen Bereich hat Foda seinen Stamm gefunden. An Torhüter Jörg Siebenhandl führt kein Weg vorbei. Seine soliden bis guten Leistungen brachten ihn jetzt auch zum ersten Lehrgang unter Foda im Nationalteam. Vor allem im fußballerischen Bereich ist er sehr gut aufgestellt.
Das zentrale Verteidigungs-Trio bestand in den meisten Spielen aus Maresic im Zentrum, Koch auf der rechten und Lykogiannis auf der linken Halbposition. Lykogiannis ersetzte dabei vor allem zu Saisonbeginn den verletzten Christian Schulz auf dieser Position. Interessanter Nebenaspekt: Mit Koch und Lykogiannis verteidigten zeitweise zwei nominelle Außenverteidiger im Zentrum der Fünferkette. Fabian Koch kam zu Beginn seiner Laufbahn bei Wacker Innsbruck unter Walter Kogler überhaupt noch im rechten Mittelfeld zum Einsatz.
Wenn Lykogiannis im Zentrum spielte, ersetzte Marvin Potzmann ihn auf der linken Abwehrseite. Das Pendant auf der rechten Seite war meist der Ex-Leipziger Stefan Hierländer.
Potzmann und Hierländer stehen exemplarisch für die neu gewonnene Flexibilität im Sturm-Spiel. Beide Spieler sind sehr variabel einsetzbar und überzeugen mit hoher Spielintelligenz und großer Anpassungsfähigkeit. Potzmann kam neben den beiden Wing-Back Positionen gegen die Austria auf der Acht und gegen Mattersburg im linken Mittelfeld zum Einsatz und überzeugt dort mit sehr starken Leistungen.
Stefan Hierländer bringt fast die noch größere Vielfältigkeit mit. Er kann im Mittelfeld praktisch auf jeder Position spielen. Egal ob links oder rechts, als Sechser, Achter oder Zehner. Dazu hat Foda sein Profil erweitert und setzt ihn seit heuer auf der rechten Flügelverteidigerposition ein, wo er dank seiner Dynamik und seinen läuferischen Fähigkeiten sehr viel für die Mannschaft arbeitet und vor allem in Umschaltsituationen (sowohl offensiv wie defensiv) ein wichtiger Faktor ist. Ralf Rangnick soll deshalb einmal nicht umsonst gesagt sagen, dass Hierländer selbst gar nicht richtig wisse, wie gut er wirklich ist. Das kann man so stehen lassen.
Im zentralen Mittelfeld spielten Neuzugang Peter Zulj und neben ihm Sandi Lovric bzw. James Jeggo in die Stammelf. Lovric und Jeggo agieren dabei als Fixpunkt im zentralen Mittelfeld und spielen tendenziell tiefer als Zulj. Dieser hat einen sehr großen Aktionsradius und stellt dadurch immer wieder gute Verbindungen zu den drei vordersten Akteuren her. Dazu ist er einer der besten Passspieler in Österreich, sowohl auf kurzer wie auch auf langer Distanz. Franco Foda selbst beschreibt ihn so:
„Die läuferischen Qualitäten, die er abruft sind unglaublich. Er ist im Moment ein „Box-to-Box Spieler. Er spielt absolut gute letzte Bälle und wir müssen dranbleiben, dass er keine Sekunde nachlässt. Er ist ein Linksfuß und ein Spieler, der auf engem Raum den Ball fordert und den letzten Pass spielen kann“.
Foda über Neuzugang Peter Zulj
Die Positionen in der Sturmlinie sind ebenfalls recht klar besetzt. Deni Alar gibt dabei die klassische Sturmspitze im Zentrum. Er weicht dabei wenig auf die Seiten aus, was aufgrund der doppelten Besetzung durch die Außenspieler Röcher sowie Huspek und den Flügelverteidigern auch nicht notwendig ist. Stattdessen läuft er die Schnittstellen der gegnerischen Abwehrketten an und fordert auch den Ball im Zwischenlinienraum. Er ist logischerweise auch Abnehmer Nummer eins für Flanken in den Sechzehner. Back-Up für ihn ist Philipp Zulechner.
Spiel gegen den Ball
Einige Schlagwörter zum Spiel gegen den Ball von Sturm Graz sind ja im Laufe des Artikels bereits gefallen. Dazu gehören Kompaktheit, Kollektivität, Raumdeckung mit einer ballorientierten Ausrichtung und eine große Portion Disziplin.
Interessant für einen Tabellenführer ist das teilweise sehr passive und abwartende Pressing von Sturm. Dabei ziehen sie sich mit allen Feldspielern zurück und positionieren sich in einem tiefen Mittelfeldpressing. Dem Gegner wird dessen erstes Drittel daher meist kampflos überlassen und der Spielaufbau über die gegnerischen Innenverteidiger zugelassen. Zu dieser vorsichtigeren und passiveren Ausrichtung passt auch der 5-4-1 Mantel sehr gut.
In der untenstehenden Grafik sieht man exemplarisch die Struktur von Sturm im Pressing:
Der Gegner baut hier beispielhaft aus einem 4-3-3 heraus auf. Zu erkennen ist auch die aktive Pressingzone, in welcher sich der Sturm-Block aufhält. Bei relativ vielen Gegnern in der Bundesliga war zu sehen, dass sich viele Spieler um den Block herum positionierten und Sturm dadurch selten bis gar nie die Balance und Organisation verlor.
Ein wichtiger Baustein im Spiel gegen den Ball von Foda ist, dass im Mittelfeld das Zentrum sowie die Halbräume geschossen bleiben. Innerhalb der 5-4-1 Struktur orientierten sich deshalb die beiden Flügelspieler Röcher und Huspek nach innen zu den Zentrumsspielern und positionierten sich bei gegnerischem Aufbau in den jeweiligen Halbräumen. Die Flügelzonen werden daher bewusst offen gelassen, erst bei einem Pass in diese Zonen wird dorthin verschoben und der ballführende Außenverteidiger (bzw. teilweise auch herauskippende Sechser/Achter) von den Flügelspielern unter Druck gesetzt. Durch diese Anordnung ist es für den Gegner äußerst schwer, den Ball im Zentrum zu kontrollieren oder gar längere Ballstafetten aufzuziehen.
Mit dieser Herangehensweise konnte so auch der amtierende Meister aus Salzburg zuhause beim ersten Aufeinandertreffen in dieser Saison mit 1:0 bezwungen werden. Gegen das (zu diesem Zeitpunkt sehr extrem) zentrumslastige Kombinationsspiel der Bullen wurden die zentralen Spielfeldbereiche mit den beiden Ketten sehr gut zugestellt und der Zwischenlinienraum versucht klein zu halten. Den Salzburgern wurde der Spielraum maximal verknappt und den passempfangenden Spielern keine Zeit gegeben. Meist wurden diese durch geschicktes Herausrücken in den Zwischenlinienraum mit dem Rücken zum Tor gestellt, wodurch dem Salzburger Angriffsbemühungen in diesem Spiel die Tiefe genommen wurde. Hier geht’s zur ausführlichen Analyse des Spiels.
Ein weiterer wichtiger Faktor für das Abwehrverhalten ist die Kontrolle des Zwischenlinienraums. Aufgrund von nur zwei vorhandenen Linien ist es eine logische Konsequenz, dass der Raum zwischen diesen Reihen ab und zu groß und zu weit werden kann. Dazu kommt, dass Sturm selten Druck auf den ballführenden Aufbauspieler hat. Dieser könnte dadurch in aller Ruhe (bei entsprechender Passqualität) solche Vertikalpässe vorbereiten. Eine nicht unproblematische Mischung. Vor allem zu Saisonbeginn hatte Sturm auch damit noch zu kämpfen, beim Auswärtsspiel in Hütteldorf gegen Rapid führte dies noch zu einigen Instabilitäten und „unnötigen“ Laufwegen.
Aber mit Fortdauer der Saison hat Foda diesen Schwachpunkt immer besser in den Griff bekommen. Dabei zog er nicht das Mittefeld zurück, was zu einer noch tieferen Grundpositionierung geführt hätte, sondern verlangte von den drei zentralen Verteidigern in der Fünferkette ein schnelleres und aggressiveres Herausrücken aus der Kette, um den Passempfänger bereits bei der Ballannahme stellen zu können. Und dies war auch genau der richtige Weg. Vor allem Koch und Maresic zeigen hier eine sehr hohe Konstanz und Zweikampfstärke. Dieses Verlassen der Kette ist auch deshalb möglich, weil aufgrund der Fünferkette die nötige Absicherung gegeben ist und sehr schnell ein Abwehrdreieck gebildet werden kann. Von Spiel zu Spiel wurden diese Mechanismen immer harmonischer und effektiver.
Sollte doch einmal ein Pass in den Zwischenlinienraum durchkommen, schieben sich die beiden Ketten zusammen und der räumliche wie zeitliche Druck auf den Passempfänger kann hochgehalten werden. Dadurch ist es für den Gegner äußerst schwierig, kontrollierte Folgeaktionen einzuleiten. Eh klar, dass es dafür permanente Konzentration und Handlungsschnelligkeit benötigt.
Sturm kann auch Angriffspressing
Wie so viele Mannschaften im modernen Fußball, die auf ein Abwehr- oder Mittelfeldpressing zurückgreifen, nutzt auch Sturm Graz immer wieder konkrete Auslöser in einem Spiel, um situativ auf ein Angriffspressing zu switchen. Die häufigsten Pressingauslöser sind Abstöße und Einwürfe.
Um den dafür nötigen Zugriff herzustellen rücken die beiden Außenspieler Röcher und Huspek eine Linie nach vorne und positionieren sich neben Deni Alar, dahinter orientieren sich die Flügelverteidiger an den gegnerischen Außenverteidigern und die beiden zentralen Mittelfeldspieler rücken ebenfalls nach und stellen für den Gegner die umliegenden zentralen Optionen zu. Dadurch entsteht ein 3-4-3.
Im bereits oben erwähnten Spiel gegen Salzburg führte diese Pressingvariante zu einer guten Balleroberung durch Sandi Lovric und nach einer direkt vorgetragenen Umschaltaktion zum entscheidenden Treffer durch Alar.
Röcher und Huspek rücken neben Alar vor. Huspek läuft im Bogen von außen nach innen Caleta-Car an, wodurch der Passweg auf Patrick Farkas zugestellt ist. Unterstützend dazu rückt auch Stefan Hierländer auf der ballnahen Seite aus der Fünferkette heraus und stellt Farkas zu.
Für Caleta-Car blieb in dieser Situation nur mehr der riskante Pass auf den entgegenkommenden Berisha, der aber von Lovric aufmerksam verfolgt wurde und durch eine schlechte Ballmitnahme den Ball für Lovric kurz frei gab, der daraufhin sofort in die Tiefe weiterleiten konnte.
Mannschaftstaktisch kann man daher sagen, dass das Spiel gegen den Ball sehr stimmig und geschlossen durchgezogen wird. Wirkliche Schwächen im Mannschaftsverbund sind eigentlich nicht zu finden. Die horizontalen Verschiebebewegungen gehen sehr synchron vonstatten, was in einer Raumdeckung vermutlich das Wichtigste ist. Auch die Intensität und Disziplin über 90 Minuten passt zu 100 %. Dazu kann Sturm aus der tiefen Grundpositionierung auch immer wieder auf ein Angriffspressing switchen, was die Blackies noch unangenehmer macht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass diese Elemente von Foda auch bei der Arbeit mit dem Nationalteam einfließen werden.
Spiel mit dem Ball
Wie bereits dem Zitat von Franco Foda zu entnehmen war, war die Implementierung eines besseren Ballbesitzspiels eines der wichtigsten Ziele vor der Saison. Nach 14 gespielten Runden kann man durchaus behaupten, dass dieses Ziel bis jetzt vollends erreicht worden ist. Die Grazer gehörten mit Sicherheit zu den spiel- und kombinationsstärksten Mannschaften in Österreich.
Auch in dieser Spielphase kommt den Grazern die häufig genutzte 3-4-3 Struktur zugute. Allein durch die positionelle Anordnung ist eine sehr gute Raumaufteilung und –besetzung gegeben. Die Verbindungen zwischen den Spielern sind gut, wodurch der ballführende Spieler immer mehrere Optionen in alle Spielrichtungen zur Verfügung hat. Diese gute Raumaufteilung durch das 3-4-3 ist die Basis für das Ballbesitzspiel.
Allein im Aufbauspiel kann durch die drei Verteidiger und die beiden Sechser auf ein äußerst stabiles Passnetz zurückgegriffen werden, wodurch dem Gegner ein druckvolles Pressing erschwert wird.
Die Wing-Backs geben dafür auf den Flügeln die notwendige Breite und ziehen Spiel und Gegner auseinander. Sie sind für die zentralen Spieler immer wieder gute Optionen, um druckvolle Situationen in der Mitte auflösen zu können oder das Spiel zu verlagern. Zudem sind sie meist die Abnehmer für weite Diagonalbälle (von Zulj oder aus der Dreierkette). In Zusammenarbeit mit den Flügelspielern Röcher und Huspek sorgen die Wing-Backs immer wieder für Gefahr über die Außen und stellen die Gegner vor Zuordnungsprobleme. Dabei nutzten die Grazer häufig die Schwächen von Mannorientierungen auf den Flügeln aus, worauf in der heimischen Bundesliga immer noch sehr viele Mannschaften zurückgreifen. Ein typisches Beispiel dazu war der Führungstreffer durch Alar in Wolfsberg.
In dieser grafischen Darstellung sieht man die Raumaufteilung sowie die Passverbindungen bei eigenem Ballbesitz:
Hier erkennt man die vielen Verbindungen im 3-4-3 zwischen den einzelnen Positionen und Spielern sowie die unzähligen diagonalen Passmöglichkeiten. Daneben kommt es zu permanenten Dreiecksbildungen und vielen lokalen Überzahlsituationen, wie hier gegen ein flaches 4-4-2.
Für alle jene, die diesen Zeichnungen nicht ganz trauen, gibt es zum Glück die sehr tollen und aussagekräftigen Passmaps. Die zeigen sowohl die realtaktischen Positionen der Spieler bei eigenem Ballbesitz als auch die Passverbindungen zwischen den Spielern.
Hier zum Beispiel die Passmap vom Spiel gegen Rapid in der letzten Runde:
Entscheidende Säulen bzw. sogenannte „Unterschiedsspieler“ im Angriffsspiel der Blackies sind die beiden Außen Röcher und Huspek. Beide sind extrem schnell und trickreich und sorgen dadurch immer wieder für Durchschlagskraft und Überraschungsmomente. Beide passen ihre Positionen bei eigenem Ballbesitz situativ immer wieder an. Meist positionieren sie sich etwas eingerückt in den Halbräumen neben Alar zwischen den Linien des Gegners. Dabei bewegen sie sich in den Schnittstellen zwischen den gegnerischen Innen- und Außenverteidigern und binden zusammen mit Alar die gesamte gegnerische Abwehr. Dadurch öffnen sie auf den Flügeln Raum für die nachrückenden Wing-Backs.
Röcher und Huspek können in bestimmten Situationen aber auch breit bleiben und so die gegnerische Abwehrkette auseinanderziehen. Vor allem nach Spielverlagerungen entstehen durch diese breite Positionierung immer wieder gefährliche 1 gegen 1 Duelle, in den Röcher und Huspek mit Tempo ihre Qualitäten ausspielen können.
Nicht zu vergessen ist das offensive Umschaltspiel, das die Grazer auch nach wie vor sehr druckvoll umsetzen können. Auch hier sind Röcher und Huspek entscheidende Spieler, weil sie mit ihre Schnelligkeit offene Räume sehr gut anlaufen können und dabei auch in der Lage sind, mit Ball am Fuß den Gegenspieler einfach zu überlaufen. Meist ist Peter Zulj der Lieferant aus dem Zentrum für solche Bälle, weil er wie bereits beschrieben ein sehr sauberes Passspiel hat und den letzten Pass konstant gut und präzise spielen kann. Anhand des Umschaltspiels erkennt man wieder die Symbiose zwischen Spielertransfers und der richtigen taktischen Einbindung dieser Spieler auf’m Platz. Sturm Graz hat dies bisher sehr gut hinbekommen.
Ein weiterer Nebenaspekt ist, dass durch die gute Raumaufteilung und den vielen Dreiecksbildungen zwischen den Spielern ein sehr griffiges Gegenpressing nach Ballverlust möglich ist. Obwohl der Weg erkennbar ist und in den vergangenen Runden eine deutliche Steigerung zu sehen war (vor allem gegen Rapid), wäre in diesem Aspekt gefühlt noch etwas Luft nach oben. Der erste Impuls nach Ballverlust könnte in der Gruppe oft noch etwas schneller und aggressiver sein. Auch weil man mit der Dreierkette im Rücken über eine gute und ausreichende Restverteidigung verfügt. Teilweise müssen dadurch noch recht viele „unnötige“ Laufwege nach hinten gemacht werden.
An dieser Stelle könnten noch viele weitere Details wesentlich genauer aufgegriffen werden. Zum Beispiel die Rollenverteilungen im zentralen Mittelfeld , die effektiven Halbraumverlagerungen oder das spielerische Lösen von Drucksituationen am Flügel dank Flachpässen und vielen kleinen Dreiecken. Aber all das ergibt sich praktisch zwangsläufig aus der angesprochenen Grundstruktur und der sehr sauberen Raumaufteilung auf dem Spielfeld. Das ist die Grundlage. Dazu kommt, dass diese Positionen mit den passenden Spielern besetzt werden und diese auch eine sehr gute Qualität mitbringen. Wie bereits beschrieben, ergibt das eine das andere und viele kleine Rädchen laufen bei den Blackies harmonisch ineinander.
Würde ich an dieser Stelle noch spezifisch auf die jeweiligen Gegneranpassungen und Umstellungen eingehen, würde es den Rahmen dieser Analyse leider sprengen. Allen Interessierten kann ich das Auswärtsspiel gegen St. Pölten ans Herz legen, welches taktisch eines der interessantesten in der bisherigen Saison war und eindrucksvoll die Flexibilität von Franco Foda demonstriert.
Die Zukunft des Nationalteams unter Franco Foda
Gibt uns die „Frage der Nation“ Auskunft über die strategische Herangehensweise von Foda?
Es war zu erwarten, dass Foda bei seiner Antrittspressekonferenz die Frage nach der Position von David Alaba gestellt bekam. Es war aber genauso zu erwarten, dass er darauf nicht richtig eingehen wird. Wie auch? Aber trotzdem lieferte er uns einen Hinweis, wie er es in Zukunft anlegen könnte.
Auf die Frage nach Alaba antwortete Foda, dass Alaba auf jener Position spielen wird, auf der er der Mannschaft am meisten helfen kann. Dies sei abhängig vom Gegner und von der eigenen Ausrichtung. Diesen Gedanken kann man weiterführen. Was ist, wenn Foda dies nicht nur mit Alaba vorhat, sondern mit der gesamten Mannschaft? Nicht nur auf personeller Ebene, sondern auch auf taktischer? Marcel Koller hatte an seinem Höhepunkt einen fixen Spielerstamm und eine fixe taktische Ausrichtung und Grundordnung. Gegneranpassungen waren wenn überhaupt nur im kleinen Rahmen zu finden. Unter Foda könnte dies tatsächlich in näherer Zukunft radikal anders werden. Nimmt Foda seine neugewonnene Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Sturm Graz ins Nationalteam mit, werden wir sehr wahrscheinlich von Spiel zu Spiel und von Gegner zu Gegner andere Spielerbesetzungen und Grundordnungen zu sehen bekommen.
Unabhängig von der Person Franco Foda könnte so eine „matchplanbezogene“ Strategie bei einem Nationalteam durchaus Sinn machen. Einerseits hat man als Nationaltrainer bedeutend weniger Trainingszeit mit den Spielern zur Verfügung, wodurch taktische Grundlagenarbeit nicht möglich und bei der Qualität der vorhandenen Spieler auch nicht wirklich notwendig ist, auf der anderen Seite hat man viel weniger Spiele in einer Saison, was eine noch ausführlichere Gegneranalyse und Anpassung möglich macht. Allein diese zwei Komponenten sprechen durchaus für eine solche Herangehensweise. Bei einem Nationalteam vielleicht noch ein bisschen mehr als im Klubfußball. Joachim Löw hat in den vergangenen Monaten einen ähnlichen Weg eingeschlagen.
Aber wie gesagt, das ist eine Variante, wenn euch eine durchaus wahrscheinliche. Dadurch ist es natürlich noch einmal schwerer als sonst, irgendwie einen Spielerstamm oder Schlüsselspieler vorherzusagen. Ohne das Gegnerverhalten und deren Ausrichtung zu kennen ist es schlichtweg unmöglich bzw. oberflächlich, über Positionen und Spieler zu diskutieren. Klar, für die meisten der 8 Millionen Teamchefs in Österreich ist das die entscheidende Frage. „Wieso spielt Spieler X schon wieder auf dieser Position und Nicht Spieler Y?“. Natürlich ist die richtige Positionsbesetzung von entscheidender Bedeutung, das sieht man auch zurzeit bei Sturm Graz, aber die Spielerwahl eines Trainers muss man immer im Kontext zur eigenen strategischen Ausrichtung und zu jener des Gegners sehen. Das wird bei den meisten solcher Diskussionen vergessen. Ansonsten könnten nicht tagelang die Sportseiten von Tageszeitungen gefüllt werden und über Positionen von Spielern geschrieben werden, ohne dass man überhaupt die genutzte Grundordnung geschweige denn die Ausrichtung des Gegners kennt.
Deshalb reduzieren wir uns auf eine (realistische) Möglichkeit, die sich aus der Analyse von Foda bei Sturm Graz ergibt. Mit dem Wissen, dass es noch zig andere Varianten gibt.
Demzufolge gehen wir hier von einer 3-4-3 bzw. besser 3-4-2-1 Grundordnung aus. Vor Torhüter Lindner hätte Foda für das zentrale Verteidigungstrio schon sehr interessante Alternativen zur Verfügung. So zum Beispiel auf den Halbpositionen neben Dragovic die beiden Youngsters Danso und Wöber. Vor allem Linksfuß Wöber könnte diese Position sehr gut ausfüllen und mit seinen gut gespielten Pässen in den Zwischenlinienraum (Abnehmer dafür Arnautovic, auch nicht schlecht oder?) Akzente im Aufbauspiel setzen. Daneben hätte Foda noch einen Martin Hinteregger, der ähnliche Qualitäten mitbringt. Ähnliches wie für Wöber gilt auch für Danso. Er hat bereits in den letzten Spielen unter Koller aufgezeigt und das Vertrauen zurückzahlen können. Vor allem sein Pass vor dem Tor von Burgstaller gegen Serbien blieb in Erinnerungen.
Auf der rechten Flügelverteidigerposition hätte Foda gleich mehrere gleichwertige Spieler zur Auswahl. Alessandro Schöpf hat bereits bei Schalke im vergangenen Jahr unter Weinzierl gezeigt, dass er mit seinen läuferischen Qualitäten ein absoluter Gewinn für eine Mannschaft auf dieser Position sein kann. Aber auch Valentino Lazaro hat bei seinen wenigen Einsätzen unter Marco Rose gezeigt, dass er auch sogar als rechter Außenverteidiger einsetzbar ist. Die Position des Wing-Backs wäre für ihn daher fast die perfekte Zwischenlösung. Nicht vergessen darf man aber einen Moritz Bauer, der in den letzten Spielen unter Koller ein absoluter Lichtblick gewesen ist.
Auf der linken Seite schaut es weniger üppig aus, was noch mehr für ein „wundersames“ Comeback von Andreas Ulmer sprechen könnte. Er bringt ebenfalls die Fähigkeiten mit, um auf internationalem Niveau bestehen zu können. Auch deshalb, weil sich seine Rolle im ÖFB-Team nicht wesentlich von jener bei Salzburg unterscheiden könnte. Auch dort positioniert er sich im Spielaufbau sehr hoch und beackerte den gesamten linken Flügel. Durch den Zentrumsfokus der Bullen gerne auch allein. Im Nationalteam hätte er Marko Arnautovic vor sich, der mit seiner Ballsicherheit ein dynamisches Nachrücken von Ulmer ermöglichen könnte und dadurch Durchschlagskraft am Flügel entstehen könnte. Auch von Alaba könnte er immer wieder tief hinter die letzte gegnerische Linie geschickt werden. Linksfuß Alaba kann solche Bälle perfekt spielen, das hat er oft genug bewiesen.
Deshalb haben wir hier (und bitte zerfleischt uns nicht) Alaba im zentralen Mittelfeld neben Julian Baumgartlinger aufgestellt. Ähnlich wie bei Sturm könnte auch im Nationalteam Foda auf unterschiedliche Rollenverteilungen zurückgreifen und Baumgartlinger als Fixpunkt und Abräumer vor der Abwehr integrieren und Alaba nach vorne schieben, um Verbindungen und Übergänge zu den vorderen Spielern herstellen zu können. Dass Alaba sehr gut mit Arnautovic harmoniert, ist auch kein Geheimnis. Der linke offensive Halbraum wäre eigentlich der ideale Spielplatz dafür.
Die Sturmlinie besteht in diesem Beispiel aus Sabitzer, Burgstaller und Arnautovic. Sabitzer wäre vor allem für das Spiel gegen den Ball ein Gewinn. Mit seiner aus Leipzig verinnerlichten Dynamik und Aggressivität könnte er aus einer 5-4-1 Ordnung gut den gegnerischen Außenverteidiger anlaufen oder situativ eine Linie nach vorne schieben und im Angriffspressing den Innenverteidiger attackieren. Solche Staffelungen wäre er von Hasenhüttl und Leipzig gewöhnt. Franco Foda greift, wie wir gesehen haben, ebenfalls immer wieder gerne darauf zurück.
Aber auch Florian Grillitsch wäre auf dieser Position eine richtig interessante Option. Mit seiner Pressingresistenz (Dank geht an Julian Nagelsmann) könnte er sich aktiver am Aufbauspiel beteiligen und für stabilere Ballzirkulationen sorgen.
Die 3-4-2-1 Ordnung käme auch der Spielweise von Arnautovic entgegen. Von seiner Position im Halbraum aus könnte er sich in sämtliche Richtungen bewegen (in die Spitze, auf den Flügel, in den defensiven Halbraum) und Überzahlsituationen bzw. Verwirrung beim Gegner herstellen. Dazu ist er dank seiner Robustheit der ideale Abnehmer für flache Vertikalpässe aus der Abwehr heraus, welche er auf den aufgerückten Alaba ablegen könnte. Der hat das Spiel vor sich und kann die Spitzen einsetzen.
Wie man sieht, gibt es unzählige Varianten und Möglichkeiten. Das 3-4-2-1 ist dabei nur eine davon. Auch Varianten mit einer Viererkette sind absolut denkbar. Sicher aber ist, dass Foda seine „neuen“ Elemente im Ballbesitz auch mit ins Nationalteam nehmen wird und dies auch in den ersten Trainingseinheiten forcieren wird.
Ähnlich verhält es sich mit dem Spiel gegen den Ball. Die Kernelemente wie Raumdeckung, Kompaktheit und Synchronität werden in Zukunft auch bei Länderspielen zu sehen sein. Auch bezüglich Pressinghöhe kann es durchaus so sein, dass Foda zunächst einmal an seiner etwas tieferen und passiveren Ausrichtung festhält. Aber die jeweiligen Strukturen (Grundordnungen) im eigenen Ballbesitz und im Spiel gegen den Ball sind offen und flexibel, genauso wie die Interpretationen und Besetzungen der einzelnen Positionen. An dieser Stelle kommt wieder der gegnerspezifische Matchplan ins Spiel.
Fazit und Ausblick
Lassen wir uns überraschen, wie es Franco Foda angehen wird. Fest steht, dass Foda sehr wohl in der Lage ist, dass (schwere) Erbe von Vorgänger Koller anzutreten und das Nationalteam neu aufstellen und entwickeln kann. Allein durch die vielen Rücktritte steht ein Umbruch bevor, welcher auch im strategisch-taktischen Bereich vollzogen werden könnte. Behält Foda seine Anpassungsfähigkeit bei, wird in Zukunft tatsächlich der Matchplan im Mittelpunkt der Arbeit mit dem Team stehen und wir Zuschauer ein sehr facettenreiches Nationalteam zu sehen bekommen. Die Gefahr dabei ist, dass dieser Gedanke beim Großteil der Fans noch nicht allzu tief verankert ist und dadurch bei negativen Ergebnissen schnell Unverständnis die Runde machen könnte. Aber Marcel Koller hat genau das Gegenteil gemacht und hat dafür ebenfalls Kritik geerntet. Ein Richtig und Falsch gibt es im Fußball ja sowieso nicht, ein Zwischendrein auch nicht. Gewinnt ein Team, macht der Trainer alles richtig und andersherum.
Deshalb sollte man Foda Vertrauen und etwas Zeit schenken. Das beste Argument für seine Bestellung zum Teamchef lieferte er sowieso mit seiner Arbeit bei Sturm Graz.
Sebastian Ungerank, abseits.at
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Sebastian Ungerank
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