Österreichs 3:0-Sieg gegen Slowenien: Im 3-4-3 zur überlegenen Strukturdominanz
Nationalteam 24.März.2018 Sebastian Ungerank 1
Das österreichische Nationalteam startete mit einem ebenso verdienten wie souveränen 3:0 Sieg über die Slowenen in das Länderspiel-Jahr 2018. Franco Foda dürfte dabei im ersten Lehrgang des neuen Jahres die richtigen (taktischen) Reize gesetzt haben und seiner Mannschaft vor allem strukturell bei eigenem Ballbesitz ein notwendiges und passendes Facelifting verpasst haben. Dank einer guten Raumaufteilung und Positionierung auf dem Feld konnten die Österreicher vor allem in der ersten Halbzeit viel Dominanz, Aktivität und offensive Durchschlagskraft entwickeln. Die passende Einbindung der zweifellos vorhandenen individuellen Qualität auf den jeweiligen Spielpositionen innerhalb dieser Struktur sorgte dafür, dass Österreich über weite Strecken alle Spielphasen kontrollieren konnte und den Zuschauern dank konstant vorhandener Passverbindungen schön anzusehenden Kombinationsfußball bieten konnte.
Wir schauen uns diese strukturelle Neuausrichtung von Foda etwas genauer an und analysieren neben den erkennbaren Mustern im Spiel gegen den Ball auch, warum das Nationalteam in den zweiten 45 Minuten nicht mehr in den Spielrhythmus fand wie noch im ersten Durchgang. Und eh klar, wir verlieren zumindest einen Satz über die neue Rolle von David Alaba.
Was man im Vorfeld der Partie erwarten durfte
Naturgemäß vor Länderspielen wurde medial wieder mit etlichen Schlagwörtern und Begrifflichkeiten umhergeworfen, wie denn das Team von Franco Foda in Zukunft aufzutreten habe. Neben der „neuen“ Rolle von David Alaba wurde in den vergangenen Tagen vor allem die taktische Flexibilität in Bezug auf Grundordnungen und Systeme hochstilisiert.
Aber nicht nur die Medien, auch Franco Foda selbst hat immer wieder versucht zu kommunizieren, was er von seiner Mannschaft verlangt und welchen Fußball er mit dem ÖFB-Team spielen möchte. Neben der Systemflexibilität hat er auch unterstrichen, dass die übergeordneten Spielprinzipien wie Aktivität, sauberes Aufbauspiel und schnelles Spiel in die Spitze unabhängig vom Gegner gleich bleiben werden. Die Spielstruktur und Spielcharakteristik des jeweiligen Gegners soll dabei aber natürlich nicht völlig außer Acht gelassen werden und im eigenen Matchplan immer wieder zum Ausdruck kommen. Dass Foda dies mit Veränderungen in der eigenen Struktur oder der Anpassung von individuellen Spielerrollen äußerst pragmatisch und effizient lösen kann, hat er zuletzt bei Sturm Graz nicht nur einmal gezeigt.
Nach den recht oberflächlichen Beschreibungen schauen wir uns nun konkret an, was von diesen Ideen auf dem Platz der Wörthersee-Arena umgesetzt worden ist.
Fodas Grundordnung und Personalwahl
Nach der Bestellung von Foda zum Teamchef haben wir in unserem Taktikporträt zum Neo-Teamchef vorgeschlagen, dass 3-4-3 Modell auch als Variante beim Nationalteam zu implementieren, nachdem dies Foda im Sommer bei Sturm Graz erfolgreich vorgenommen hatte. Zum einen deshalb, weil man mit dieser Struktur über eine konstant gute Raumaufteilung und Staffelung auf dem Feld verfügt und man damit brachliegende Potentiale im Ballbesitzspiel besser ausschöpfen könnte, zum anderen auch deshalb, weil Foda für eine derartige Struktur schlichtweg das passende Personal zur Verfügung hat.
Nachdem dann aber Foda im ersten Spiel gegen Uruguay auf die bewährte 4-4-2 / 4-2-3-1 Grundordnung zurückgriff, vermuteten viele schon, dass dieser in seine alten Muster zurückfallen könnte. Realistisch betrachtet bestand diese „Gefahr“ aber nie wirklich, vor allem weil Foda gegen Uruguay noch auf einige potentielle Stammspieler verzichten musste. Gegen Slowenien strukturierte er nun die Mannschaft nach seinen Vorstellungen und schickte das Team im angesprochenen und erwarteten 3-4-3 / 5-4-1 (5-2-3) Mantel auf den Rasen.
Personell gab es in Anbetracht dessen auch relativ wenig Überraschungen. Heinz Lindner hütete daher das Tor, unmittelbar vor ihm positionierten sich Ilsanker, Prödl und Hinteregger auf den drei zentralen Verteidigerpositionen der Fünferkette. Ilsanker sortierte sich auf der rechten Halbposition neben Prödl ein, Hinteregger aufgrund seines starken linken Fußes auf halblinks. Beide haben in ihren Vereinen schon öfters gezeigt, dass sie sich in derartigen Rollen wohlfühlen und das Aufbauspiel der eigenen Mannschaft ankurbeln können. Flankiert wurden diese drei von den beiden Flügelverteidigern Alaba und Lainer, die sowohl bei eigenem als auch bei gegnerischem Ballbesitz häufig zwischen Abwehr und Mittelfeld pendelten. Für allem für das höhere Pressing sollte dies positive Effekte haben.
Das zentrale Mittefeld bestand aus Kapitän Baumgartlinger und Schöpf, wobei die Rollenverteilung aufgrund der jeweiligen individuellen Qualitäten recht klassisch war. Baumgartlinger gab den Fixpunkt und Stabilisator im Sechserraum und ermöglichte dadurch Schöpf, wesentlicher offensiver und variabler zu agieren und dadurch immer wieder lokale Überladungen (in der ersten Halbzeit vor allem auf links mit Alaba und Arnautovic) herzustellen.
Das vorderste und ebenfalls sehr variabel agierende Angriffstrio bestand demnach aus Arnautovic und Lazaro auf den beiden (inversen) Flügelpositionen sowie aus Burgstaller im Sturmzentrum, der diese Rolle und die damit einhergehenden Aufgaben (vor allem im Pressing) von Schalke und dessen Coach Domenico Tedesco bereits sehr gut kennt.
Die Slowenen starteten diesen Test zunächst in einer 4-4-2 Ordnung. Der ehemalige Salzburger und jetzige Leipzig-Akteur Kevin Kampl kam dabei auf der Sechserposition neben Krhin zum Zug. Der Star der Slowenen, Josip Ilicic, startete seine Dribblings und Aktionen in den ersten 45 Minuten von der Zehner-Position aus hinter Sturmspitze Robert Beric, aufgrund der Systemstellung von Coach Kavcic wich er im zweiten Durchgang bis zu seiner Auswechslung auf den rechten Flügel aus.
Im 3-4-3 zur überlegenen Strukturdominanz
Von Beginn an war Österreich die dominante und spielbestimmende Mannschaft. Arnautovic und Co. nahmen das Heft des Handels entschlossen in die eigene Hand und zwangen die Slowenen aufgrund der überlegenen Struktur und Raumaufteilung immer wieder zu Entscheidungskonflikten in deren Abwehrverhalten, wodurch Österreich Ball und Gegner kontrollierte und dank gut vorbereiteter Aktionen immer wieder Linien der Slowenen überspielen konnte.
Die Organisation dafür war intakt. Die drei zentralen Verteidiger fächerten in der ersten Aufbaulinie gut auf, was eine stabile und horizontal zügige Ballzirkulation ermöglichte. Ilsanker und Hinteregger positionierten sich in den defensiven Halbräumen, von denen aus sie gute Passwinkel und –optionen nach vorne hatten und die erste Pressinglinie der Slowenen (Beric und Ilicic) relativ leicht umspielen konnten.
Die Flügelverteidiger Alaba und Lainer konnten sich aufgrund der Dreierkette im Aufbau rasch nach vorne orientieren und im zweiten Spielfelddrittel die notwendige Breite geben.
Über die Rollenverteilung der Sechser haben wir ja bereits berichtet, beide boten sich aber auch fleißig für Zuspiele der drei ersten Aufbauspieler an und ließen sich in diesem Kontext nie bzw. äußerst selten zu weit nach hinten fallen, was äußerst schädlich für die Tiefenstaffelung und Durchschlagskraft nach vorne gewesen wäre.
Auffallend in den ersten 45 Minuten war bei eigenem Ballbesitz natürlich der Ballungsraum auf dem linken Flügel bzw. linken offensiven Halbraum. Mit Alaba, Arnautovic, Schöpf und teilweise auch noch Lazaro oder Burgstaller bewegten sich konstant vier bis fünf Spieler in diesen Zonen und konnten aufgrund der hergestellten Überzahlsituationen Angriffe und Kombinationen aus diesen Räumen starten und zum Teil auch abschließen.
Die Rollenverteilung zwischen Alaba und Arnautovic war dabei auch recht klar. Alaba hielt die Breite und schob entlang dem Flügel nach vorne, wodurch er den rechten Außenspieler der Slowenen mit nach hinten zog. Diesen freigezogenen Raum besetzte häufig Arnautovic, der sich in den Halbraum fallen ließ und von dort aus als verkappter Spielmacher gegen eine passiv positionierte slowenische Mannschaft (asymmetrisches 5-3-2) die Angriffe einleitete.
In solchen Situationen konnte man auch die Vorzüge eines Alaba auf der Außenbahn erkennen. Dank seiner technischen Beschlagenheit und Pressingresistenz kann er nahezu alle engen und unübersichtlichen Aktionen am Flügel spielerisch lösen und so Drucksituationen sprengen. Alaba suchte aber nicht nur nach Kombinationen und spielerischen Lösungen, ab und zu schlug er auch gut getimte Flanken aus dem Halbraum auf Burgstaller, wodurch das Angriffsspiel der Österreicher variabler und unberechenbarer wirkte.
Aber wie mittlerweile mehrfach erwähnt, war es der besseren Organisation und Raumaufteilung geschuldet, dass Österreich das Geschehen auf dem Platz dominierte und die gefährlichere Mannschaft war. In der nachfolgenden Grafik kann man erkennen, dass Österreich in nahezu allen Mannschafteilen Überzahl hatte und durch die breit positionierten Flügelverteidiger den Block der Slowenen auseinanderzog und instabilisierte.
Die erste Pressinglinie der Slowenen um Beric und Ilicic hatte eigentlich nie wirklichen Zugriff auf die Dreierkette der Österreicher in deren ersten Aufbaulinie. Dadurch war eine stabile Ballzirkulation und Angriffsvorbereitung gegen das slowenische Mittelfeldpressing möglich und die beiden Halbverteidiger Ilsanker und Hinteregger kamen immer wieder in die Situationen, die freien defensiven Halbräumen neben den beiden slowenischen Spitzen mit Ball am Fuß zu attackieren und das Spiel aussichtsreich in höhere Spielfeldzonen zu verlagern. Erkennbar ebenfalls die Wechselwirkungen zwischen Alaba und Arnautovic auf der linken Seite und die daraus entstandenen Überzahlsituationen im Mittelfeld. Ebenfalls förderlich für die strukturelle Dominanz war die breite Position von Lainer und die damit verbundenen Verlagerungsmöglichkeiten, was sich vor allem beim zweiten Treffer bezahlt machen sollte und Franco Foda in der ersten Hälfte noch mehr sehen wollte.
Hybridrollen der Außenspieler sorgen für gute Ballgewinne
Nicht nur das Aufbau- und Ballbesitzspiel wirkte homogen, auch im Spiel gegen den Ball verfolgte das Nationalteam einen klaren Plan. Dabei war es meist nicht das recht passive und zurückgezogene 5-4-1, was man bei Sturm im Herbst noch häufig gesehen hat, stattdessen versuchte das Team mittels intelligenten Aufrückbewegungen nach vorne zu verteidigen und günstige Pressingkonstellationen herstellen.
Vor allem die drei vordersten Spieler Arnautovic, Burgstaller und Lazaro attackierten immer wieder situativ nach vorne und setzten die slowenischen Aufbauspieler unter Druck. Lazaro und Arnautovic hatten dabei immer wieder die Aufgabe, in die erste Pressinglinie neben Burgstaller vorzurücken und diesen zu unterstützen. So hat man öfters gesehen, dass Arnautovic den rechten slowenischen Innenverteidiger anläuft oder Lazaro auf einen herauskippenden Sechser vorrückt und diesen stellt.
Diese Mechanismen waren aber nur möglich und griffig, weil die Folgeaktionen und Absicherungen dahinter relativ schnell funktionierten. Durch die hohen Positionen der Außenspieler schoben die Flügelverteidiger Alaba und Lainer aus der Fünferkette nach vorne und attackierten den gegnerischen Außenverteidiger. Die drei zentralen Verteidiger schoben ebenfalls zur Ballseite durch und übernahmen jeweils die Position des anderen, wodurch die notwendige Staffelung und Absicherung immer gegeben war. Das aktive Herausrücken der Flügelverteidiger sorgte dafür, dass der Druck im Angriffspressing hochgehalten werden konnte und die Bewegungen der Außenspieler nicht verpufften.
In dieser Situation kippte der slowenische Sechser Krhin in den linken defensiven Halbraum heraus. Guido Burgstaller stand zu weit weg und konnte daher nicht den notwendigen Zugriff herstellen. Valentino Lazaro rückte deshalb von seiner Flügelposition in den Halbraum ein und stellte Krhin bei der (geschlossenen) Ballannahme. Durch das Einrücken von Lazaro wurde der linke slowenische Außenverteidiger frei, woraufhin Lainer sich nach vorne orientierte und diesen attackierte. Dadurch hatte die Fünferkette von Foda im Spiel gegen den Ball kurzzeitig immer wieder Elemente einer pendelnden Viererkette, vor allem wenn aktiv Druck ausgeübt werden sollte. Die Absicherung und Tiefenstaffelung für ein derartiges Aufrücken war durch das ballorientierte Verschieben der verbliebenen Verteidiger ebenfalls gegeben.
Es gab aber wie erwartet immer wieder Phasen im Spiel, in denen sich die Österreicher in ihre kompakte 5-4-1 Ordnung zurückzogen und die gegnerische Ballzirkulation in deren ersten Aufbaulinie zuließen. Diese Phasen wurden aber versucht, auch aufgrund der spielerischen Mängel und Ideenlosigkeit der Slowenen, möglichst kurz zu halten und als gesamter Mannschaftsverbund immer wieder nach vorne zu rücken.
Systemumstellung und viele Wechsel brechen den Spielfluss
Slowenien-Coach Kavcic erkannte die Hilflosigkeit seiner Mannschaft natürlich ebenfalls und versuchte in der Halbzeit mit einer Systemumstellung unterstützend einzugreifen. Er stellte auf ein 4-2-3-1 / 4-3-3 um und konnte dadurch dank der höheren Präsenz im Zentrum und einer besseren Breitenstaffelung die permanenten Unterzahlsituationen etwas eindämmen und den Österreichern den Rhythmus nehmen. Ilicic ging auf den rechten Flügel, ansonsten versuchten die Slowenen mit viel Variabilität und Positionswechseln (vor allem von Kampl und dem eingewechselten Birsa) etwas für das eigene Offensivspiel zu tun. Die Durchschlagskraft sollte sich aber stark in Grenzen halten. Aber auch die Mannen von Franco Foda kamen nicht mehr so zielstrebig nach vorne und konnten nicht mehr so leicht Linien des Gegners überspielen, wodurch hauptsächlich tiefer Ballbesitz verbucht wurde. Erst mit der Einwechslung von Grillitsch konnte das Aufbauspiel wieder mehr geöffnet werden. Die letzten 20 bis 25 Minuten hatten dann aber aufgrund der vielen Wechsel typischen Testspiel-Charakter.
Fazit
Der gebotene Fußball der Österreicher hat vor allem in der ersten Halbzeit viel Spaß bereitet und schürt die Hoffnungen, dass der eingeschlagene Weg mit Franco Foda als Teamchef der richtige war. Er hat die Mannschaft neu ausgerichtet und positioniert und in dieser kurzen Zeit ein sehr stimmiges Gefüge aus individueller Qualität und mannschaftstaktischer Ausrichtung gebastelt. Dadurch kann er nach bereits zwei Spielen auf eine stabile Basis blicken, die natürlich Rückschläge einstecken wird müssen, aber auch noch jede Menge Entwicklungspotential in allen vier Spielphasen hat.
Im nächsten Test gegen Luxemburg wird noch einmal das eigene Aufbau- und Ballbesitzspiel akzentuiert werden, während in den darauf folgenden Spielen gegen Russland, Deutschland und Brasilien auch das Spiel gegen den Ball einem echten Härtetest unterzogen werden wird.
Sebastian Ungerank, abseits.at
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Sebastian Ungerank
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