Schwache Flügel und Tempomanagement: Schweden bringt 1:1 gegen Österreich relativ locker über die Runden
Nationalteam 9.September.2014 Daniel Mandl 5
Die cleverere Mannschaft waren die Schweden – und trotzdem waren es am Ende verlorene Punkte für die österreichische Nationalmannschaft. Gerade in einer Gruppe, in der vier Teams Ambitionen auf eine EM-Teilnahme haben, darf man sich gegen einen insgesamt zahnlosen Gegner kein Heim-Remis erlauben. Jedoch war die ÖFB-Elf unterm Strich selbst zahnlos. abseits.at analysiert die Gründe dafür.
Es war eine kurze Phase, in der Eskisehirspor-Legionär Erkan Zengin Florian Klein um die Ohren lief und große Gefahr ausstrahlte. Der 29-Jährige traf ins Tor, die Latte und machte dem ÖFB-Team mit einigen Flankenläufen das Leben schwer. Aber das war’s auch schon wieder. Vorrangig kümmerten sich die Schweden darum, auf der Zentralachse kompakt zu stehen, Zielspieler Janko aus dem Spiel zu nehmen und die Flügel so tief zuzumachen, um Arnautovic und Harnik gar nicht erst in Dribblings kommen zu lassen.
Guter Beginn, schnell nachgelassen
Österreich fand nur in der Anfangsphase Mittel und Wege, im Spiel nach vorne die volle Breite des Spielfelds zu nutzen. So etwa vor dem 1:0, als Alaba seine „natürliche Zone“ verließ und über den Flügel für eine Hereingabe sorgte, die zum Handelfmeter führte. Mit Fortdauer des Spiels nahm die Gefährlichkeit an den Flügeln aber sukzessive ab, was unter anderem mit dem falschen Tempomanagement und auch mit mangelnder Variabilität im Spiel der Österreicher zu tun hatte.
Schwache Außenverteidiger
Diejenigen, die dem Defensivkonstrukt der Schweden die meisten Probleme machen könnten, sind allgemein die Außenverteidiger. Gerade, wenn die Schweden im eigentlich ungewohnten 4-3-3 auflaufen und mit Zengin und Durmaz an den Flügeln zwei Spieler aufbieten, deren Stärken nicht im Defensivspiel liegen. Doch sowohl Klein, als auch Fuchs waren am gestrigen Abend als Totalausfälle zu bezeichnen. Einerseits weil sie selbst nie effektiv an den Flügeln durchbrachen, aber noch viel mehr, weil sie das Tempo aus dem Spiel nahmen und falsche Feldpositionen wählten.
In falschen Situationen Tempo rausgenommen
Dadurch, dass die Außenverteidiger das Spiel verlangsamten und durchschnittlich zu defensiv auftraten, konnte Schweden das Konzept mit den zwei Abwehrketten durchziehen. Auf der Zentralachse hatte man durch das 4-3-3 ohnehin genug Spieler. Eine beherztere bzw. mutigere Darbietung der Außenverteidiger hätte das Auseinanderreißen dieser Ketten zur Folge gehabt. Aber stattdessen wirkten Klein und Fuchs so, als hätten sie im Falle von Ballverlusten Angst vor Gegenstößen durch die schnellen Zengin und Durmaz, wodurch sie im Spiel nach vorne äußerst vorsichtig agierten. Dies ist allerdings keine Entschuldigung dafür, dass sie in den falschen Situationen Tempo aus dem Spiel nahmen und zu häufig in die Breite spielten. Das machte dem schwedischen Defensivverbund das Leben leicht, denn die mussten nur mitverschieben und Anspielstationen im Zwischenlinienraum und in der Spitze zustellen.
Arnautovic und Harnik „kleben“, weil Klein und Fuchs keine Bindung herstellen
Gleichzeitig hatte das verhaltene Spiel der Außenverteidiger direkte Auswirkungen auf die Flügelspieler Arnautovic und Harnik, die in ihrer Spielweise nur selten variieren konnten. Gerade gegen die nicht immer sattelfesten Außenverteidiger der Schweden, hätte man mehr Läufe in die Schnittstellen suchen müssen, die aber nur in der Anfangsphase zustande kamen. Durch die defensiven Ausrichtungen von Klein und Fuchs, waren die Abstände zwischen den Flügelpärchen zu groß und so basierte bei Österreich vieles auf den Prinzipen Hoffnung und Zufall. Wenn die Flügel gefährlich in Szene gesetzt werden, dann durch Genieblitze aus dem zentralen Mittelfeld.
Junuzovic Österreichs Bester
Dort spielte übrigens der beste Österreicher: Zlatko Junuzovic überzeugte vor allem im Spiel ohne Ball und war der einzige Akteur, der konsequent und clever den Zwischenlinienraum bespielte und den Schweden durch intensives Laufspiel immer wieder die Ordnung nahm. Damit stach Junuzovic aus einer ohnehin ordentlich spielenden Zentralachse heraus. Auch Baumgartlingers Zweikampfführung und Hintereggers Fähigkeit bei schnellen Konterstößen der Schweden das Spiel zu lesen und zu antizipieren, sind hier herauszuheben.
Okotie-Einwechslung nahm die letzte Präsenz
Gegen Ende der Partie konnte Österreich den Druck nicht mehr aufrechthalten, was auch der Kaderauswahl und den Wechseln Marcel Kollers geschuldet ist. Okoties Einwechslung machte Österreich – erwartungsgemäß – von einem Moment auf den anderen handzahm. Der 1860-München-Legionär ist kein Spieler, der Offensivzweikämpfe annimmt und funktioniert, wenn der Gegner tief steht und in der Gefahrenzone mannorientiert agiert. Dass die Schweden dies tun würden, war aber zu erwarten und so stellen sich zwei Fragen: Wieso nahm Koller darauf bei seiner Kaderauswahl keine Rücksicht? Und wieso sorgte er nicht für mehr Variabilität im Spiel, indem er statt Janko einen frischen Flügelspieler brachte und stattdessen einen der beiden Flügel Harnik und Arnautovic ins Sturmzentrum stellte?
Nicht gut gewechselt
Fragen, die sich Koller im Nachhinein wohl selbst stellt. Denn diesmal hat sich der Schweizer in einigen Personalfragen verkalkuliert. So zum Beispiel auch bei den anderen Wechseln. Der starke Junuzovic – egal, ob völlig platt oder nicht – hätte sich ruhig noch bis zum Schlusspfiff aufopfern dürfen, wurde aber nach 77 Minuten durch Leitgeb ersetzt. Und das obwohl Harnik ab der 60.Minute nur noch über den Platz schlich und auch Alabas Kondition nach und nach schlechter wurde. Aus bereits beschriebenen Gründen wäre auch frischer Wind auf den Außenverteidigerpositionen für die letzten Minuten kein Fehler gewesen. Und sei es nur, um die Schweden auch am Ende des Spiels weit in ihrer eigenen Hälfte zu binden und durch neue Flügelpärchen den letzten, womöglich entscheidenden Druck zu erzeugen. Klarerweise bringt es jetzt nichts mehr, um Minuten zu feilschen und die Verfassung jedes Spielers minütlich zu analysieren – aber fast alles, was Koller von der Bank bringen konnte, steht im krassen Kontrast zu dem Konzept, das er über die letzten Jahre umsetzte. Die Alternativen, die Österreich hatte, waren einer Klassemannschaft nicht würdig und so musste man gezwungenermaßen erfinderisch sein, was gegen die cleveren Schweden, die sich längst an die ÖFB-Elf gewöhnt hatten, nicht funktionierte.
Schweden mit Fortdauer immer stressfreier
Und so hatte Erik Hamréns Truppe kein Problem das 1:1 nach Hause zu spielen. Der schwedische Teamchef wechselte gar nur zweimal, sah keinen dringenden Anlass die Zentralachse oder den Defensivverbund noch mehr zuzumachen, weil Österreich durch die schwachen Flügelbindungen, einige völlig geschlauchte Spielern und der Zahnlosigkeit in der „Zone der Wahrheit“ ohnehin keine Akzente mehr setzen konnte.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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