Nach der enttäuschenden Europameisterschaft in Frankreich beginnt für das österreichische Nationalteam am kommenden Montag die Qualifikation für die WM 2018 in Russland. In Gruppe... Suche nach der passenden Ausrichtung: Das ist das Nationalteam von Georgien

Nach der enttäuschenden Europameisterschaft in Frankreich beginnt für das österreichische Nationalteam am kommenden Montag die Qualifikation für die WM 2018 in Russland. In Gruppe D trifft die Mannschaft von Marcel Koller auf Wales, Serbien, Irland, Moldawien und Georgien. Letztere sind am Montag in Tiflis der erste Gegner, weshalb abseits.at einen Blick auf ihren Kader und die Spielweise wirft.

Die Georgier gehen neben Moldawien als große Außenseiter in die durchaus ausgeglichene Gruppe mit drei EM-Teilnehmern. Dennoch scheinen sie besser zu sein, als es die Ziehung aus dem letzten Topf vermuten lässt. Nachdem man in der EM-Quali als Vorletzter klar scheiterte trennte man sich von Trainer Kakhaber Tskhadadze und holte mit Vladimir Weiss einen erfahrenen Nachfolger.

Sensationeller Auswärtssieg in Spanien

In den ersten vier Spielen unter dem 51-jährigen Slowaken zeigte man gute Ansätze, scheiterte aber meist an der eigenen individuellen Qualität, sodass man bisher nur ein Spiel gewinnen konnte. Dieser einzige Sieg sorgte aber für großes Aufsehen, wurde er doch gegen Spanien eingefahren, noch dazu auswärts. Dabei bestachen die Georgier vor allem mit einer sehr disziplinierten Defensivleistung und ließen vergleichsweise wenig hochkarätige Torchancen zu.

Sie agierten in einer 4-1-4-1-Grundformation und setzen nach Balleroberungen meist auf lange Bälle. Zwar gab es nach etwa einer halben Stunde durchaus das Bestreben, sich auch kombinativ aus dem Gegenpressing der Spanier zu befreien, doch mit dem Treffer in der 40. Minute ging man wieder den risikolosen Weg. Die Defensivabläufe, mit denen man den Gegner vom eigenen Strafraum weghielt, waren durchaus interessant und sind im nachstehenden Bild skizziert.

Die beiden Achter rückten meistens nach vorne, wobei der ballnahe höher stand um gemeinsam mit dem Stürmer Druck auf den Ball auszuüben. Der Spieler im zentralen defensiven Mittelfeld agierte zwar weitestgehend mannorientiert, war bei seiner Gegnerauswahl sehr variabel – eine Konsequenz der beweglichen spanischen Offensive. In einzelnen Szenen unterstütze er seine Vorderleute aber auch mit raumdeckenden Bewegungen.

Die beiden Flügel standen, wie man im obigen Bild gut sehen kann, tief und gingen ebenfalls verschiedene Manndeckungen ein. Sie orientierten sich nicht nur an den gegnerischen Außenverteidigern, sondern unterstützen ihre Hintermänner, wenn sich die spanischen Flügel fallen ließen, und rückten gegebenenfalls ein, wenn der Sechser weggezogen wurde. Die Viererkette dahinter stand in den meisten Fällen geordnet auf einer Linie.

Keine klare Ausrichtung

Wie aus dem obigen Beispiel hervorgeht haben vor allem die Spieler im Mittelfeldzentrum eine äußerst komplexe Rolle inne. Aufgrund der tiefen und konservativen Ausrichtung der Abwehr und der nach vorne verteidigenden Offensivspieler müssen sie teilweise sehr große Räume sichern. Ihre Entscheidungen müssen aufeinander perfekt abgestimmt sein um keine Lücken zu hinterlassen. Je höher Georgien presst, umso problematischer ist dies. Gegen die dominant auftretenden Spanier kam man in diese Versuchung nicht. Bei der 1:5-Niederlagen gegen Rumänien war dies anders und es gab teilweise große Lücken.

In dieser Szene standen die beiden Sechser vertikal in einer Linie und die Verteidigungslinie geschlossen tief, sodass Rumänien beide Halbräume problemlos besetzen konnte. Der direkte Passweg in den ballnahen Halbraum war durch die vertikale Staffelung der Sechser frei. Georgiens Zentrumsspieler orientierten sich dann zum Ball, weshalb über einen Rückpass der Gegner den ballferne Halbraum bespielen konnte und in weiterer Folge zu einer Abschlussmöglichkeit kam.

Im obigen Bild erkennt man außerdem, dass Georgien in diesem Spiel in einer anderen Grundformation auftrat: es war grundsätzlich ein 3-4-3, das defensiv zu einem 5-2-3 oder 5-1-3-1 wurde. Auch im ersten Spiel unter Weiss agierten sie in einer anderen Ordnung, nämlich 4-2-3-1. Es scheint also alleine aufgrund der verschiedenen Formationen so, dass Georgiens neuer Teamchef noch nicht die passende Ausrichtung gefunden. Auch strategisch  gibt es, wie bereits erläutert, offenbar noch keinen klaren Plan. Ein Problem, das seinen Ursprung möglicherweise in der Kaderstruktur hat. Für das Trainingslager vor dem Spiel gegen Österreich berief Weiss gleich 28 Spieler ein.

Eingespielte Abwehr

In der Innenverteidigung haben die Georgier drei Akteure, die mittlerweile eingespielt sind und unterschiedliche Typen verkörpern. Zum einen gibt es mit Aleksandre Amisulashvili einen routinierten Abwehrspieler, der vor allem mit seinem Stellungsspiel punktet. Mit 34 Jahren hat die meisten Länderspiele am Buckel, ist er der älteste Spieler im Kader und wohl auch der langsamste. Spielen die Georgier mit einer Dreierkette bekleidet er daher die zentrale Position.

Treten sie hingegen mit einer Viererkette auf, dann sitz Amisulashvili auf dem Schleudersitz, denn an und für sich sind seine Mitbewerber über ihn zu stellen. Dabei handelt es sich einerseits um Guram Kashia, Kapitän von Vitesse Arnheim und ein sehr antizipativer bzw. vorwärtsverteidigender Typ. Für einen Innenverteidiger ist der 29-Jährige zudem recht wendig, sodass er im Team auch im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kommt. Nachdem dort mit Kapitän Jaba Kankava ein wichtiger Stabilisator ausfällt, könnte Kashia gegen Österreich als Sechser zum Einsatz kommen.

Der dritte und wohl Georgiens vielversprechendster Defensivspieler ist Solomon Kverkvelia vom russischen Erstligisten Rubin Kazan. Der 24-Jährige ist Innenverteidiger klassischer Prägung, der besonders im direkten Duell ein unangenehmer Gegenspieler ist. Er ist nämlich 1,97m groß und daher sehr zweikampfstark, gleichzeitig aber durchaus antrittsstark. Ansonsten ist er ein eher zurückhaltender Verteidiger, der zwar reaktiv, aber sehr sachlich spielt und praktisch keine groben Aussetzer hat.

Auf den defensiven Außenpositionen darf man ebenfalls zwei unspektakuläre Spieler erwarten. Rechts ist Ucha Lobzhanidze von Dinamo Tiflis gesetzt. Der 47-fache Internationale ist ein Spieler, der seine Seite diszipliniert auf und ab rennt, aber keine besonderen Impulse gibt. Auch defensiv ragt er nicht besonders heraus – weder positiv, noch negativ. Auf der linken Seite haben die Georgier mit Giorgi Navalovski einen dynamischeren Typen, der im Sinne der Mannschaftstaktik aber meist zurückhaltend agiert.

Zentral große Auswahl, aber wenig Qualität

Das zentrale Mittelfeld ist bei den Georgiern zwar jene Zone, die am dichtesten besetzt ist, aber gleichzeitig auf einem individuell niedrigen Niveau agiert. Jaba Kankava wäre als Kapitän und Balancespieler gesetzt, fehlt gegen Österreich allerdings verletzungsbedingt. Sein Ersatzmann könnte, wie erwähnt, Innenverteidiger Kashia sein. An dessen Seite startete in den letzten beiden Spielen mit Giorgi Aburjania ein spielstarker Techniker, dem allerdings Erfahrung auf hohem Niveau fehlt. Ein ähnlicher Spielertyp wäre Jano Ananidze von Spartak Moskau. Dieser wurde von Weiss allerdings im Zentrum noch nicht eingesetzt. Weitere Akteure, die der neue Trainer dort, bisher erfolglos teste und gegen Österreich dabei sind: Nika Kvekveskiri und Aleksandre Kobakhidze.

Wer auch immer das defensive Mittelfeldzentrum besetzt, hier hat Österreich wohl die beste Chance, das Spiel zu gewinnen. Das vorhandene georgische Personal ist nämlich sowohl individuell als auch taktisch dem österreichischen unterlegen. Die Diskrepanz zwischen den Ausrichtungen der Abwehr und des Angriffs im Spiel gegen den Ball sorgt dafür, dass sich Georgiens Sechser nicht nur viel, sondern auch abgestimmt bewegen müssen. Mit einem ruhigen Kombinationsspiel könnte man in dieser Zone entscheidende Lücken öffnen.

Präsentes und flexibles Duo im offensiven Mittelfeld

Der Spieler mit den meisten Länderspieltoren im aktuellen Kader ist Tornike Okriashvili vom KRC Genk. Auf Vereinsebene ist er zwar kein Stammspieler, im Nationalteam allerdings eine feste Größe in der Offensive. Er ist wohl auch der spielerisch dominanteste Georgier auf dem Rasen, verfügt über eine gute Technik, ist dribbelstark und fordert ständig den Ball. Okriashvili ist an und für sich im zentral-offensiven Mittelfeld zuhause, spielte im Teamdress aber auch schon öfter am Flügel. Aufgrund seines Dominanzanspruchs agiert er dabei aber meist nicht positionstreu und sucht oft den Weg in den Halbraum. Ebenso sein Gegenüber, wie die nachstehende Szene dokumentiert.

Sein Gegenüber, das ist Valeri Qazaishvili, ist der mit Abstand taktisch stärkste Spieler im georgischen Kader. Auch Qazaishvili findet man in quasi jeder Offensivaktion, allerdings tritt er nicht so dominant auf wie Okriashvili. Die Entscheidungsfindung des 23-Jährigen ist herausragend. Er weiß, wann es gruppentaktisch besser ist, nur unterstützend zu agieren, wann er simple spielen muss, wann es Pässe bedarf um den Ballbesitz zu sichern, und wann er selbst mit dem Ball Impulse setzen muss.

Dabei muss sich Qazaishvili individuell keinesfalls verstecken. Er verfügt über eine saubere Technik, ist auch in die dynamischen Aktionen eine sichere, immer präsente Anspielstation, die den Ball nicht verliert, und hat einen mehr als soliden Abschluss. Für Vitesse erzielte er in den letzten beiden Saisonen 19 Treffer und wurde nun an CL-Teilnehmer Legia Warschau verliehen. Im Spiel gegen den Ball verhält er sich ebenfalls äußerst intelligent und kann den Gegner durch geschicktes Anlaufen früh in eine Richtung leiten.

Aufgrund seines breiten Fähigkeitsprofils ist Qazaishvili auf sämtlichen Offensivpositionen einsetzbar. Gegen Spanien agierte er zum Beispiel als Solospitze und leitete mit einer dynamischen Balleroberung den Siegtreffer ein.

Kombinator oder Arbeiter im Sturm?

Passend zu den kombinationsaffinen und –starken offensiven Mittelfeldspielern Kazaishvili und Okriashvili hat Weiss mit Levan Mchedlidze einen Stürmer im Kader, der sich für eine ballbesitzorientierte Spielweise ebenfalls sehr gut eignen würde. Er ist besonders gut im kurzzeitigen Öffnen und Attackieren von Räumen rund um die Gefahrenzone. Das hat der 26-Jährige auch bei Empoli unter Maurizio Sarri ein ums andere Mal bewiesen. Allerdings fehlt ihm die Kaltschnäuzigkeit im Abschluss. Sein Rekord an Saisontoren liegt bei gerade einmal vier Treffern und auch im Nationalteam hält er nach 28 Einsätzen bei erst zwei Toren.

Die zweite Option für die Rolle der Solospitze ist Vladimer Dvalishvili, der bei Dinamo Tiflis unter Vertrag steht. Der 30-Jährige ist ein arbeitender Stürmer ohne besondere individuelle oder taktische Vorzüge. Beim 1:0-Sieg gegen Spanien agierte er aufgrund seiner disziplinierten Spielweise sogar als Flügelspieler. Als Konterstürmer wäre er daher wohl besser geeignet als Mchedlidze. In Giorgi Kvilitaia haben die Georgier zudem auch einen Spieler mit Österreich-Bezug im Kader. Der 22-Jährige wechselte vor kurzem zum SK Rapid, konnte verletzungsbedingt allerdings noch nicht für den Rekordmeister auflaufen. Die Chance, dass ihn die österreichischen Fans am Montag erstmals sehen, ist allerdings gering.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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