Wer ist Marcel Koller? (1/3) Die Spielerkarriere des neuen Teamchefs
Nationalteam 4.Oktober.2011 Georg Sander 0
Damit hat wohl niemand gerechnet – Marcel Koller ist neuer Teamchef des österreichischen Fußballnationalteams. Was für Namen wurden nicht kolportiert? Andreas Herzog, Lars Lagerbäck, Kurt Jara, Christoph Daum, sogar Otto Rehhagel kursierte durch die Gazetten. Nun ist es der Schweizer geworden. Doch wer ist der 50-Jährige? Im ersten Teil werfen wir einen Blick auf die Spielerkarriere von Marcel Koller.
Es ist der 31. Mai 1970. In einem beschaulichen Vorort Zürichs wird der Fernseher eingeschaltet. Das erste TV-Gerät, das nicht schwarz-weiße Bilder liefert, empfängt Bewegtes aus Mexiko-Stadt. Gastgeber Mexiko und die Sowjetunion trennen sich mit einem torlosen 0:0. Vier Tage später flimmert die Kiste wieder, die CSSR geht mit 1:4 gegen die furiosen Brasilianer unter, angeführt von Pele. Gebannt auf den Schirm starrend entschließt sich ein kleiner Junge, Fußballer zu werden. Der kleine Marcel, der am 11. November desselben Jahres zehn Jahre alt werden sollte, will so sein wie die Stars im Fernsehen. Mit seinem acht Jahre älteren Bruder war er schon früher immer mitgegangen, um Fußball zu spielen. Gewählt wurde er oft als Letzter, da er meistens der Jüngste war. In Marcel schlummerte aber ein unbändiger Ehrgeiz, besser zu werden. Nach kurzer Überlegung entschloss er sich, einem Verein beizutreten. Die erste Station sollte dabei der örtliche Verein FC Schwamendingen sein. Schon davor verbrachte er jede freie Minute beim Bolzen, die Tore wurden aus Ästen gezimmert. „Ich bin während jeder freien Zeit dem Ball hinterher gerannt“, erinnerte sich Koller 2005 im Gespräch mit dem VfL Bochum.
Scouts wollen ihn – die Jugendjahre
Bereits nach einem Jahr beim FC Schwamendingen sprachen ihn die ersten Scouts an. Bei den Schulhausmeisterschaften, ähnlich der Schülerliga, konnte der Mittelfeldspieler einen Spielerbeobachter des Grasshoppers Clubs überzeugen, auch der FC Zürich und die Young Fellows bekundeten kurz darauf Interesse. Doch Familie Koller sagte ab, der Knirps wollte sich noch ein weiteres Jahr im Ort entwickeln. 1972 war es dann aber so weit: Marcel rief den Scout an und wechselte zum GC, schlichtweg deshalb, weil sie die Ersten gewesen waren, die ihn angesprochen hatten. Als er das erste Mal mit der neuen Mannschaft trainierte, ahnte der 12-jährige wohl nicht, dass der Wechsel vom kleinen Verein Schwamendingen zu den großen Grasshoppers sein letzter Wechsel als Spieler sein sollte. Beim GC durchlief er alle Nachwuchsmannschaften und lernte dabei eines: Gegen die Grasshoppers waren alle anderen Teams gleich doppelt motiviert. Parallel dazu wurde er auch regelmäßig in die Nachwuchsteams der Schweizer Nationalmannschaft einberufen. Mit 18 bekam Koller seinen ersten Vertrag als Profispieler und beschreibt das auf seiner Homepage mit folgenden schönen Worten: „Ich erhielt 300 Franken im Monat und war richtig stolz! Ich hatte das Gefühl: Wow, jetzt hast Du es geschafft und kannst mit Fußball Geld verdienen!“ Zum 18. Geburtstag schenkte ihm der damalige Trainer Helmut Johannsen sein Profidebut. Gegen die Young Boys Bern durfte er erstmals für die erste Mannschaft spielen.
Eine Profikarriere – ein Verein
In der Anfangszeit als Profi trainierte er einmal mit der ersten Mannschaft, saß bei ihnen auf der Bank und bestritt abwechselnd Spiele für die A-Junioren und die zweite Mannschaft. Das zweite Jahr als Jungprofi war durchwachsen: Ein Sehnenabriss im Oberschenkel, 17 Wochen Militärdienst – und trotzdem arbeitete Koller an seinem Traum. Er trainierte und arbeitete, wollte seinem Verein beweisen, dass er das Zeug zum Profi hat. 1981/82 war der Zürcher dann ein fixer Bestandteil der ersten Mannschaft und feierte seinen ersten Titel – Schweizer Meister. Im Jahr darauf toppte der GC diesen Erfolg und feierte das Double. Während der Saison 1986/87 bekam Koller einen Österreicher als Trainer. Der ehemalige Grasshoppers-Spieler Kurt Jara wurde Trainer, führte den Club auf den zweiten Platz. Der größte gemeinsame Erfolg war der Gewinn des Schweizer Cups im Jahr 1988. Jara musste gehen, Ottmar Hitzfeld wurde neuer Trainer. Vizemeister, Cupsieger, Doublegewinn – die Zeit unter Hitzfeld war erfolgreich und prägsam für den Mittelfeldspieler und seine spätere Trainerkarriere. Unter seinem Nachfolger Oldrich Svab spielte Koller aufgrund einer Verletzung so gut wie gar nicht, erst unter Leo Beenhacker 1993 spielte der damals schon 32-Jährige wieder eine Rolle. 18 Monate seiner Karriere kostete ihn ein brutales Foul, bis er im Winter 93 wieder ein Spiel bestreiten konnte. Bereits mit dem Trainerdiplom ausgestattet durfte er als Co-Trainer erste Erfahrungen sammeln. Im Sommer 1993 ersetzte Christian Gross schließlich den zwar attraktiven Fußball spielen lassenden, aber in der Meisterschaft glücklosen Beenhacker. Durch den Meistertitel 1995 konnte Koller seine Karriere mit der Teilnahme an der Champions League krönen und durfte im Herbst seiner Spielerkarriere noch gegen Real Madrid und Ajax Amsterdam spielen.
Schleichender Rückzug und Erfolge
Stichwort Herbst: Weiter als Assistenztrainer und als Kapitän half der Zürcher Anfang der Spielzeit 1996/97 mit, ein neues Team aufzubauen. Eigentlich wollte er schon im Sommer gänzlich in der zweiten Reihe stehen, musste aber einspringen. Nach 13 Einsätzen bis Dezember und einem Kurzeinsatz gegen Sparta Prag in der Champions League, bei dem er seinen letzten Treffer erzielte, beendete Koller seine Karriere. Nach 25 Jahren, 570 Pflichtspielen in Liga, Cup und Europacup sowie Nationalmannschaft, 63 Toren, 7 Meistertiteln und 5 Cupsiegen sowie der Teilnahme an der Europameisterschaft 1996 beendete Marcel Koller seine Karriere als Spieler. Begleitet wurde er dabei auch immer wieder von schweren Verletzungen. Sprunggelenk, Oberschenkel, Schienbein, Wadenbein, Nase, Achillessehne – Marcel Koller schenkte weder sich noch seinen Gegenspielern etwas. Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass er den Verein nie wechselte. In der Schweiz immer vorne mitzuspielen war wichtiger, als ein Transfer. Nur einmal, 1984, stand ein Wechsel im Raum: „Schlussendlich blieb ich, weil der Reiz größer war, immer das Optimum rauszuholen.“
Im zweiten Teil berichten wir darüber, welche Erfolge Marcel Koller als Trainer vorzuweisen hat und im dritten gibt’s alles über seine Philosophie als Trainer und wie er spielen lässt.
Georg Sander, abseits.at
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