Österreichs Fußballerlegenden: Gerhard Hanappi
Fußball in Österreich 22.Dezember.2013 Rene Maric 0
In den vergangenen Jahren war es um den österreichischen Fußball nicht sonnig bestellt. Auch wenn es in letzter Zeit wieder nach oben zu gehen scheint, so liegen die Glanzzeiten in der Vergangenheit. Einst galt Österreich als Fußballmacht: In den 30ern war man sogar eines der besten Teams der Welt, ebenso wie in einer kurzen Phase in den fünfziger Jahren.
Doch die Legenden jener Zeit sind heute vergessen. Selten wird noch über sie gesprochen, was sie einst besonders gemacht hat, ist vergessen, lediglich ihre Namen leben noch als blasse Erinnerung an bessere Zeiten weiter. Diese Serie soll unregelmäßig die Spielweise früherer Akteure analysieren und in Erinnerung rufen. Denn zur Glanzzeit des Donau-Fußballs war Österreich taktisch und spielerisch eines der fortschrittlichsten Teams der Welt. In diesem Artikel widmen wir uns dabei einem besonderen Fußballer der post-Wunderteam-Ära: Dem einzigartigen Gerhard Hanappi.
Hanappi, das Wunderkind
Von Beginn an zeigten sich die Anlagen und das Talent der späteren Rapid-Legende. Bereits in der Jugend galt er als kommender Nationalspieler. Schon im Alter von nur 17 Jahren wurde er bei Wacker Wien aus der Jugend in die Kampfmannschaft hochgezogen. Noch in der gleichen Saison konnte er sogar seinen ersten Meistertitel feiern und holte dabei sogar das Double.
Das Cup-Finale zeigt dabei seine Polyvalenz auf interessante Art und Weise. Mit 18 agierte er noch im Mittelfeld, doch schon im folgenden Jahr spielte er bei seinem Debüt für die österreichische Nationalmannschaft als Mittelfeldspieler. Immer wieder sollte Hanappi je nach Spiel und Situation die Position wechseln, wenn es benötigt war. Er konnte dabei nicht nur als Innenverteidiger oder Sechser spielen, sondern verkörperte viele unterschiedlichste Positionen.
Nominell war Hanappi nämlich eigentlich ein linker Halbläufer. In den damals häufigen 2-3-5-Formationen war dies eine Rolle, wie es sie heute nur noch selten gibt. Man kann sie formativ am ehesten mit Flügelverteidigern von heutigen Formationen mit Dreierkette und vorgeschobenen Außenverteidigern vergleichen, wobei die damaligen „Wing-Halves“ bzw. „Half-Backs“ deutlich anders agierten. Sie agierten diagonaler in ihren Laufwegen und orientierten sich stärker in die Mitte. Dadurch wurden sie oftmals verkappte Spielmacher. Hanappi war einer davon – viele gab es nicht.
Hanappi als Prototyp einer komplexen Position und eines flexiblen Fußballers
Viele dieser Half-Backs waren hervorragende Techniker, welche spielerische Fähigkeiten mit Laufstärke und Athletik verbanden; José Leandro Andrade, der große Star der WM 1930 und bis heute einer von Uruguays bekanntesten Fußballer, spielte beispielsweise auf dieser Position – ebenso wie Hanappi. Wegen dieser benötigten Fähigkeitenvielfalt gab es nur wenige hochklassige Akteure. Und gleichzeitig konnten viele Spieler, die diese Position auf hohem Niveau bekleideten, oftmals im Laufe ihrer Karriere auch auf anderen Positionen agieren.
Hanappi variierte nicht nur zwischen der Position des Mittelläufers und des Halbläufers im Mittelfeldband, sondern konnte auch in der späteren 3-2-2-3-Formation als Halbstürmer, Sechser oder linker Verteidiger agieren. Beispielsweise bildete er mit Ernst Happel bei der WM 1954 die Abwehr, wo er neben Happel in der Verteidigung agierte – aber er konnte auch neben oder gar hinter Ocwirk im Mittelfeld agieren.
Dies erklärt auch seine langlebige Nationalmannschaftskarriere. Mit 19 debütierte er und hielt sich 14 Jahre lang, er bestritt 92 Länderspiele und erzielte dabei 12 Tore. Noch besser war seine Torquote bei Rapid Wien, wohin er in der Saison 1950 wechselte. Dabei gestaltete sich der Wechsel überaus schwierig: Wacker wollte ihn partout nicht zum Lokalrivalen ziehen lassen, weswegen Rapids Sektionsleiter Franz „Bimbo“ Binder ihn versteckte! Zu jener Zeit war das übrigens durchaus Gang und Gäbe, Ernst Happel tat dies einige Jahre später mit dem Jugoslawen Milanovic, den er aus Jugoslawien über die Grenze schmuggelte und sich dabei eine kleine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert haben soll.
Hanappi, die Rapid-Legende
Zurück zu Hanappi: Nach einem halben Jahr ohne Spiel gab Wacker den amtierenden Österreichs Fußballer des Jahres auf und Hanappi wechselte zu Rapid. Der 169cm große „Gschropp“ wurde dort zu einer Vereinslegende. Er wurde wieder vermehrt im Mittelfeld eingesetzt und agierte teilweise auch als offensiver Mittelfeldspieler, mit 114 Toren in 333 Partien kam er im Schnitt auf ein Tor alle drei Spiele. Schon in seinem ersten Jahr bei Rapid kam es zu einem symbolträchtigen Aufeinandertreffen.
1951 schaltete Rapid im Zentropa-Cup (einem Vorläufer der Champions League) im Halbfinale Lazio Rom mit 5:0 aus und traf im Finale auf Hanappis altes Team, den SC Wacker Wien. Hanappis Ex-Team wurde bezwungen und die Dominanz Rapids zeigte sich in den Folgejahren auch national. In 14 Jahren mit Hanappi holten sie siebenmal den Titel; die letzten sieben Jahre war Hanappi auch Kapitän der Rapidler.
In einer Saison wurde er sogar Torschützenkönig und galt als die Stütze des Wiener Fußballs, der in diesen Jahren eine Glanzzeit erlebte. Besonders beeindruckend war die Saison 1955/56, wo er in 25 Spielen ebenso viele Tore erzielte. Zwei Jahre zuvor hatte er in 24 Partien 21 Treffer verbuchen können; die anderen Jahre kamen meistens wegen einer tieferen Ausrichtung nicht an diese Quote heran. In den beiden Paradesaisonen agierte er als Stürmer.
Erfolge gab es dennoch auch in seinen defensiveren Jahren. 1961 erreichten die Rapidler zum Beispiel unter Führung des Kapitäns Hanappi das Meisterpokal-Halbfinale und galten lange Zeit als eine der besten Mannschaften Europas. Hauptverantwortlich war, natürlich, der Gschropp.
Hanappi als Symbolfigur
Seit dem Abgang dieser goldenen Generation fehlte der österreichischen Nationalmannschaft der Hanappi-Faktor. Seine speziellen Eigenschaften sind bis heute Standard bei vielen Topteams und Weltklassefußballern, doch in Österreich werden diese Fertigkeiten bis auf einige sehr wenige Ausnahmen wie etwa beim jungen David Alaba schmerzlich vermisst. Um es mit den Worten von Hanappis Teamkollegen Walter Nausch zu sagen: „Der konnte überall spielen“.
Hanappi konnte das aber nicht nur „irgendwie“, sondern auf höchstem Niveau und variabel. Er überzeugte durch Timing, Intelligenz, Schnelligkeit, Ausdauer, Dynamik und Antizipation. Auf der Sechs fühlte er sich ebenso heimisch wie auf dem Flügel, in der Verteidigung oder als Offensivspieler. Vermutlich hätte der dribbelstarke, bewegliche und reaktionsschnelle Hanappi in heutiger Zeit auch als spielmachender und einrückender Flügelstürmer agieren können.
Auf dieser Vielzahl von Positionen erfüllte er auch unterschiedlichste Aufgaben. Ob Torabschluss, das selbstlose Öffnen von Räumen oder spielmachende Fähigkeiten: Hanappi war ein Allrounder im wahrsten Sinne des Wortes. Er konnte jede Position wirklich spielen – und nicht nur sie suboptimal ausfüllen.
Diese Eigenschaft zeigt auch den Unterschied Hanappis zu seinen vielen vermeintlichen Nachfolgern bei Rapid und in der österreichischen Nationalmannschaft. Tolle Fußballer auf einzelnen Positionen hatte Österreich seit Hanappis Karriereende durchaus. Einen neuen Hanappi – einen wahrlich totalen Fußballer – hatte man seither aber nicht.
Rene Maric, abseits.at
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