Anekdote zum Sonntag (107) – Die Abenteuer des Baron Bobby
Sonstiges 17.Dezember.2017 Marie Samstag 0
Wenn Fußball zum Gesellschaftsereignis wird – wenn es beispielsweise etwas zu feiern gibt – treffen die Kicker nicht nur auf jede Menge Schulterklopfer, Stars und Sternchen, sondern auch auf zwielichtige Gestalten. So machten die Rapid-Meisterkicker in den 80ern ganz leger Bekanntschaft mit einem gewissen „Roten Heinzi“, der damals den Wiener Strich beherrschte. Erst gegen Ende der Party in einem Nachtlokal, dämmerte so manchem, wer der freundliche Herr gewesen sein könnte.
Kurier-Journalist Wolfgang Winheim lernte 1968 beim Abschiedsspiel der ungarischen Legende Ferenc Puskás im Bernabeu gegen Rapid Wien (!) einen kultivierten Herrn im schnittigen Anzug, der eloquent und charmant Konversation machte, kennen. Vorgestellt wurde ihm dieser Mann von Welt als „Bobby, der Baron“ von niemand anderem als Max Merkel, der sich mit diesem „Bruder im Geiste“ bestens zu verstehen schien. Später verwandelte der Wiener in seinen „Max merkelt wieder“-Kolumnen seine Talente auf dem rhetorischen Gebiet in Banknoten, wenn er mit spitzer Feder und Zunge über die Fußballwelt lästerte. Zwischen Bobby und Max rannte der Schmäh und Winheim, zu diesem Zeitpunkt ein Jung-Schreiberling von 22 Jahren, beeindruckten die mondänen Abenteuer des Herrn Baron ebenso wie Merkels Anekdoten vom Fußballplatz. Bis spät in die Nacht floss der Champagner. Nur drei Tage nach dem ersten Treffen sah man einander beim Europacupfinale Ajax gegen den AC Milan wieder. Erneut tauchte Merkel mit Bobby im Schlepptau auf und überredete Winheim nach getaner Arbeit zu dritt Mailand unsicher zu machen. Man zog durch die berühmtesten Bars der oberitalienischen Stadt und lachte sich – wie einst in Madrid – durch die Nacht. Bobby eröffnete ein wahres Pointenfeuerwerk, er schien überall Leute zu kennen und zahlte zahlreiche Getränkerunden an diesem Abend. Als der Morgen graute, fragte Merkel den Kurier-Reporter, ob er ihn und Bobby nicht nach Mallorca begleiten wolle. Merkel besaß dort eine hübsche Finca, wo der Journalist selbstverständlich gratis wohnen könne. Winheim sagte zu und saß bald darauf im Flieger Richtung Balearen.
Man amüsierte sich weiter köstlich und auf der Insel angekommen erfuhr Winheim endlich, womit Bobby sein Geld verdiente. Kurioserweise hatte er nie erzählt, welcher Beruf ihn zu seinen berichteten Abenteuern trieb. Tatsächlich war er Kunsthändler und hatte auf der spanischen Insel eine Vernissage organisiert. Diese besuchte das trio infernale nun und Bobby hatte Winheim und Merkel gebeten, die ausgestellten Werke lauthals zu bewundern und so die Werbetrommel für die Bilder zu rühren. Tatsächlich schienen die weingeschwängerten „Ahs!“ und „Ohs!“ der beiden Österreicher zu fruchten und Bobbys Gemälde verkauften sich wie die warmen Semmeln. Die sonnige Woche war im Nu wieder vorbei und Winheim flog zurück nach Wien. Als er abends die Wohnungstür seiner Eltern aufschloss, hörte er wie sich seine Mutter im Wohnzimmer die beliebte Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ ansah. Mithilfe des TV-Publikums sucht die Polizei bis heute in „Aktenzeichen“ unbekannte Täter im deutschsprachigen Raum. Winheim betrat gerade das Wohnzimmer, als er den damaligen Moderator Eduard Zimmermann folgende Meldung vorlesen hörte: „Gesucht wird ein Mann, der im internationalen Kunsthandel seine Opfer findet. Er verkauft gefälschte Bilder. Der Mann ist in ganz Europa unterwegs und sucht immer wieder Kontakt zu berühmten Personen…“ Winheim erstarrte.
Auf dem Fernsehbildschirm blickte er nun mitten in das Gesicht von Bobby, dem Baron! Der Journalist wähnte sich bereits als Mittäter, hatte er am Vorabend doch noch die gefälschten Bilder angepriesen. Ihm wurde übel. Was jetzt? Tagelang überlegte er, ob er sich „stellen“ sollte. Allerdings wusste er nicht in welchem Verhältnis Merkel zu Bobby stand. Vielleicht gefährdete er am Ende eventuell seinen Landsmann, der ihm so imponierte. Monate vergingen. Als er beruflich schließlich erneut auf Merkel – diesmal allein – traf, sprach er ihn gleich auf die Vorkommnisse an und war erstaunt zu hören, dass auch der ehemalige Rapid-Verteidiger seinen vermeintlichen „Zwilling“ gar nicht richtig gekannt hatte. Es stellte sich heraus, dass der damalige Nürnberg-Trainer Bobby erst auf Puskás‘ Abschiedsfeier kennengelernt und nicht im Entferntesten geahnt hatte, was der Betrüger auf dem Kerbholz haben könnte. Die spanische Polizei jedenfalls schnappte den Betrüger bald nach der Ausstrahlung von „Aktenzeichen XY ungelöst“ und brachte ihn hinter Schloss und Riegel. Obwohl sein Lügengebäude zerbrochen war, besaß Bobby die Chuzpe sich nochmals bei Merkel zu melden. Max war außer sich: „Weißt was der will? Ich soll ihm Dressen von Sevilla in den Häfn bringen. Er hat dort eine Mannschaft gegründet und ohne Dressen können sie nicht spielen.“ Merkel war natürlich nicht bereit auch nur einen Finger zu rühren. Sowohl er als auch Winheim mussten feststellen, dass die Freundschaft zu dem großzügigen, weltmännischen und charmanten Bobby zu schön gewesen war, um wahr zu sein.
Marie Samstag, abseits.at
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