„Was sich liebt, das neckt sich.“, lautet ein Sprichwort. Besonders die Liebe zwischen Geschwistern, zwischen Brüdern ist mitunter eine Feurige: Man würde zwar alles für einander tun, hält gegen Dritte wie Pech und Schwefel zusammen und zankt sich doch von früh bis spät. Zwischen dem kindlichen Sandkistenstreit, Verbalinjurien, Zwicken und Kratzen blüht eine große geschwisterliche Zuneigung. Franz Hasil war der Mittlere von drei Buben: Mit dem sechs Jahre älteren Ernst verband ihn nie sonderlich viel. Der sechs Jahre jüngere Johann dagegen blieb ihm stets ein guter Kumpel. Die Beziehung der beiden Männer ist bis heute intakt. Während Hasil mit Frau und Kindern in Gelsenkirchen lebte, pflegte der Teenager Johann die Strecke in den Ruhrpott regelmäßig mit dem Auto zurückzulegen um seinen großen Bruder zu besuchen. Mit im Gepäck: Gumpoldskirchner Wein, roter Sooser, Krachmandeln, Drageekeks, Mannerschnitten, Weinbeißer und andere österreichische Köstlichkeiten.
Johann Hasil ist damals fußballbegeistert: Er kennt alle Mitspieler und Gegner seines Bruders, verfolgt die Resultate noch mühsam mittels Zeitungsberichten. Für ihn ist es das Größte Bruder Franz im Einsatz zu sehen. Trotzdem ist dieser äußerst knausrig was das Verschenken von Eintrittskarten anbelangt. Als der 18-Jährige wieder einmal auf Kurzbesuch in Deutschland weilt, steht ein Heimspiel Schalkes auf dem Programm. Franz will sich auf den Weg zum Match machen und Johann bittet um eine Eintrittskarte. Der Offensivspieler behauptet jedoch, dass er im Moment keine zur Hand hätte. Schon sooft wurde in dieser Anekdotenserie über den Charakter des Herrn H. berichtet. Hasil war eben ein Bruder (!) Leichtfuß, der sich um nichts so richtig kümmerte, wenn er keine Lust hatte. Wegen Johanns „Schnoferl“ lässt er ihn jedoch ins Auto einsteigen und fährt mit ihm gemeinsam zur „Glückauf-Kampfbahn“. Dort angekommen führt Hasil seinen jüngeren Bruder in einen Sektor, wo zunächst keine Menschenseele sitzt. Er selbst verschwindet in den Katakomben um sich auf das Spiel vorzubereiten. Johann genießt die Atmosphäre des sich langsam füllenden, legendären von zahlreichen Schalke-Fans erbauten Stadions. Hier lebt Fußball. Nach und nach strömen die Menschen herein, doch in Johanns Sektor ist immer noch niemand. Endlich, knapp vor Anpfiff, betritt eine junge Frau in ihren 20ern die Tribüne, eine weitere ist knapp hinter ihr. Schon bald ist der Österreicher von einer Gruppe Damen umringt, die ihn verstohlen mustern. „Tschuldigen Sie ‘mal.“, spricht eine der Frauen den 18-Jährigen schließlich an: „Was machen Sie da?“ „Na, I sitz da!“, reagiert Johann patzig. Annegret Becher, Ehefrau von Abwehrspieler Hans-Jürgen Becher, wird nun ebenso bissig: „Wer sind Sie denn? Das ist der Sektor der Spielerfrauen und in diese Kategorie können Sie nicht passen!“. Jetzt muss Johann schmunzeln: Das sieht seinem Bruder wieder einmal ähnlich. Er hat ihn doch tatsächlich ohne Information auf den Stammplatz seiner Frau Ingeborg gelotst. Johann erklärt den Damen wieso und weshalb er hier ist und die Aufregung legt sich schließlich. Franz Hasil war immer für eine Überraschung gut, aber das wusste Johann: Er kannte ihn schließlich schon ein Leben lang.
Marie Samstag
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