Ein Fußballklub ist kein Kirchenchor. Die Sitten sind rauer, weil Männersport und so. Trotzdem gibt es immer wieder emanzipierte Herren, die so manche Unart anprangern. Nicht jeder fühlt sich wohl, wenn immer auf einem herumgehackt werden muss. Gewisse Vorkommnisse sind sogar strafrechtlich belangbar. Diese Geschichte spielt zu Beginn der Bundesligasaison 2006. Peter Pacult hatte nach Zellhofers achtmonatigem Engagement eine durchgeschüttelte Rapid übernommen.
Der Ex-Dresden-Coach und seine Co’s Barisic und Canestrini planten eigentlich eine Konsolidierung der Mannschaft über den Winter, allerdings ging vieles schief: Mit 13 Punkten aus den ersten zwölf Spielen war Rapid plötzlich Sechster – mit nur einem Punkt Abstand vor dem Letzten Ried. In der siebzehnten Runde folgte mit einem Platzsturm und einer Bierdusche für Sportdirektor Schöttel der negative Höhepunkt. Schöttel trat daraufhin zurück. Rapid konnte sich erst nach der Winterpause halbwegs erfangen und beendete die Meisterschaft schließlich auf Platz vier. Es war eine nervenaufreibende Saison für jeden Grün-Weißen. Kurioserweise lief es bei den Amateuren der Hütteldorfer wie am Schnürchen. 2006 gewann man die Wiener Stadtliga und setzte seinen Erfolgslauf in der Regionalliga Ost fort. Andreas Reisinger coachte damals die späteren Profis Kayhan, Schrammel, Drazan, Prokopic und Gartler. Mit Andi Lukse stand ein großes Talten zwischen den Pfosten. Als Sechsjähriger war der Wiener zu Rapid gekommen und galt als Rohdiamant. Furore machte der Torhüter allerdings erstmals 2008 mit „Eskapaden in der Vorweihnachtszeit“ – wie es auf wikipedia festgehalten ist. Lukse musste 12.000€ als Geldstrafe brennen und bekam eine Abmahnung des Vereins. Der Durchbruch bei den Grün-Weißen blieb dem „Kronprinzen“ verwehrt, er wurde nach Leoben, Graz und zur Vienna verliehen. Jahre später gab der Goalie zu, dass sein damaliger Lebensstil nicht gerade vorbildhaft war: „Es ist nicht leicht, wenn du schon als 20-Jähriger gutes Geld verdienst und deine eigene Wohnung hast. In Wien lässt es sich noch dazu sehr gut leben. Und das habe ich auch in vollen Zügen genossen. Doch das kann man dann eben nicht gut mit dem Profi-Sport kombinieren.“ Plötzlich stand Andi ohne Verein da und musste zum AMS. Sein Retter hieß Damir Canadi: Dieser holte ihn nach drei Monaten Arbeitslosigkeit nach Lustenau, wo Lukse seine Chance nutzte. Nach einem Intermezzo in Kapfenberg, war es erneut der spätere Kurzzeit-Rapidtrainer der den Blondschopf in sein Altacher Erfolgsteam lotste. 2015 wurde Andreas Lukse sogar ins Nationalteam einberufen.
Damals 2006 – als Lukse noch bei den Amateuren im Tor stand – lag er einmal auf der Massebank des legendären Rapidmasseurs Wolfi Frey und ließ sich durchkneten. Frey machte höflich Konversation und fragte Andi, ob er nicht Lust hätte langsam bei der Ersten zu Einsätzen zu kommen, schließlich war er beim 2:2 gegen Innsbruck im Herbst erstmals in den Profikader einberufen worden. Lukses freche Antwort: „Ich möchte lieber mit den Amas um den Meistertitel als mit den Profis gegen den Abstieg spielen!“ Nebenan saßen Stefan Kulovits, Kapitän Steffen Hofmann und Martin Hiden und konnte nicht fassen, was sie da mitanhörten. So ein Frechdachs! Sie sponnen einen Racheplan. Im Wintertrainingslager trommelten sie einige Spieler zusammen und enterten nach Zapfenstreich Lukses Hotelzimmer. Der Tormann wurde mit vereinten Kräften in die Wanne seines Badezimmers gehievt und festgehalten. Irgendeiner stöpselte den Haarschneider ein und rasierte dem Wiener eine glänzende Glatze: Lukse bekam für seine Chuzpe eine Kopfwäsche der besonderen Art verpasst. Er glich nun dem zweiten Rapidmasseur, dem ebenfalls haarlosen Wolfgang Skalsky. Ob er es lustig fand oder nicht, ist nicht überliefert. Meister wurde der Glatzkopf (wieder mit Haaren) übrigens 2008 mit Rapids Profis.
Marie Samstag, abseits.at
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