Anekdote zum Sonntag (158) – Einsatz mit Blaulicht
Sonstiges 19.Februar.2023 Marie Samstag
Diese Anekdote dreht sich nicht um den Fuß- sondern um den Tennisball. Protagonist der Story ist aber der altbekannte Otto „Stopperl“ Fodrek, der auch schon in mehreren Alt-Anekdoten vorkam. Fodrek wurde im Herbst 1921 geboren. Er verbrachte zwanzig Jahre als Spieler, Funktionär, Masseur und Trainer beim Wiener AC und gehörte später zu den ehrwürdigen Alt-Herren des Wiener Fußballs.
90-jährig galt er als ältester Fitnesstrainer der Hauptstadt, ehe er sein Studio im Happelstadion zusperrte. Fünf Jahre später starb „Stopperl“ und mit ihm endete ein kleines Stück rot-weiß-rote Fußballgeschichte. Der nur 1,65 Meter große Verteidiger stand mit allen Stars – von Happel über Stojaspal bis Puskás – auf Du und Du. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete er nicht nur als Fußballtrainer, sondern auch als Fitness- und Konditionscoach. Der Ex-Kicker absolvierte eine Ausbildung zum Masseur und war neben diversen Fußballvereinen auch für den ÖFB tätig. In dieser Zeit sammelte Fodrek fleißig Anekdoten und witzige Erlebnisse wie diese Geschichte beweist:
„Stopperl“ war so gefragt, dass er vom österreichischen Industriellen und Tennispionier Gustav Mautner Markhof beauftragt wurde die Kondition des von ihm gegründeten Schwechater Tennisclubs zu verbessern. Fodrek war zur dieser Zeit im Brotberuf eigentlich Vienna-Coach und fand nur abends Zeit für das mühsame Lauftraining mit den niederösterreichischen Tennispieler:innen. Doch die Doppelbelastung machte sich bezahlt und so wanderten einige Staats- und Vizestaatsmeistertitel nach Schwechat. Beispielsweise hatte „Stopperl“ Hans Redl unter seinen Fittichen, der in den 30er-Jahren Österreichs bester Tennisspieler gewesen war, im Zweiten Weltkrieg aber einen Arm verloren hatte. Redl spielte trotz seiner Behinderung mit Sondergenehmigungen im Profi-Tennis weiter und kam im Doppel bis ins Viertelfinale von Wimbledon.
Aber zurück zu „Stopperl“: Schon einige Jahre vor seinem Engagement in Schwechat, hatte der Wiener Einsatz für Tennisspieler gezeigt. Im Jahr 1980 fand ein Exhibitionsturnier im (heute abgerissenen) Ferry-Dusika-Stadion statt. Stars der Veranstaltung waren die US-Amerikaner Jimmy Connors und Stan Smith, den Sneaker-Sammler auch von der ihm gewidmeten Schuhmarke eines deutschen Sportartikelherstellers kennen. Beide Profis hatten aber nicht viel Lust auf das Turnier auf österreichischem Boden: In der Kabine, knapp vor Matchbeginn fingen sie an über Schmerzen im Nacken und Schulterbereich zu klagen. Der Veranstalter Karl Scheibmaier, der sonst vorwiegend als Musikmanager in Erscheinung, trat, hatte daraufhin Schweißperlen auf der Stirn. Das Vorspiel war bereits im Gang, die Halle ausverkauft. Das tennisbegeisterte Wien hatte sich so auf die amerikanischen Starspieler gefreut.
Scheibmaier hatte nur mehr einen letzten Pfeil im Köcher: Er telefonierte mit der Kantine des Sportklubplatzes in Wien-Hernals. Beim WSC war „Stopperl“ gerade als „Mädchen für alles“ beschäftigt. Fodrek, der dem angespannten Scheibmaier anhörte, dass es für ihn quasi um Leben und Tod ging, war bereit alles stehen und liegen zu lassen. Der Musikmanager ließ sich nicht lumpen und schickte seinem Freund eine standesgemäße Eskorte vorbei: einen Polizeiwagen mit Blaulicht. Mit Folgetonhorn und Karacho raste dieser mit dem Ex-Kicker an Bord aus Dornbach Richtung Wien-Leopoldstadt. Dort angekommen wurde Otto als „best masseur from Vienna“ angepriesen und bearbeitete in Windeseile die Rückenpartien der beiden Tennisprofis. Connors und Smith absolvierten kurz darauf ohne Meckern ihre Spiele und der Abend war für alle gerettet. Scheibmaier fiel ein Stein vom Herzen, Fodrek hatte sich als Retter in der Not erwiesen. Er bedankte sich tausendfach bei dem ehemaligen Verteidiger und dieser schmunzelte über eine neue lustige Episode seines Lebens: Mit Polizeieskorte zum Masseureinsatz.
Marie Samstag, abseits.at
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