„Ich bin nicht mehr fremdgetrieben und kann entscheiden, was ich tue.“, so hat Martin Hinteregger im Frühling 2023 sein jetziges Leben auf den Punkt... Anekdote zum Sonntag (183) – Jagdgeschichten von Martin

„Ich bin nicht mehr fremdgetrieben und kann entscheiden, was ich tue.“, so hat Martin Hinteregger im Frühling 2023 sein jetziges Leben auf den Punkt gebracht. Der 30-jährige ist seit Juni letzten Jahres Fußballfrühpensionist: Er beendete seine Karriere überraschend jung bei noch laufendem Vertrag und begründete dies damit, dass sich die letzten Siege seiner Laufbahn nicht mehr so gut angefühlt hätten, dafür aber jede Niederlage doppelt so weh getan hätte. Ein untypisches Ende für einen untypischen Profi: „Hinti“ machte schon in seinen Zwanzigern als Salzburger Stammkraft nicht nur mit seinen sportlichen Leistungen, sondern auch mit kernigen Aussagen von sich reden. Das setzte er während seiner Zeit in Deutschland fort. Außerdem geriet er wegen seiner Liebe zu feucht-fröhlichen Partys, wegen Zuspätkommens und Schlamperei immer wieder ins mediale Kreuzfeuer. 2021 ließ der Innenverteidiger dann in seinem Buch „Innensicht“ die Hosen herunter und protokollierte seine Fehltritte von A wie Alkohol bis Z wie Zielbogendiebstahl. Für manche war der langjährige RB-Profi einer der letzten „echten Typen“ des Fußballgeschäftes, andere sahen ihn als unprofessionellen „Bruder Leichtfuß“. Und ich, ich hab‘ ihn nie verstanden.

Tatsache ist, dass der gebürtige Kärntner für einen Profikicker jedenfalls außergewöhnliche Hobbys pflegte: Während viele seiner Kollegen im eigenen Pool entspannten oder ausgedehnte Shoppingtouren veranstalteten, entdeckte Martin dank der TV-Serie „Der Bergdoktor“ das Hubschrauberfliegen für sich. Er lernte außerdem per Videostudium steirische Harmonika zu spielen, um beim Après-Ski für Gaudi zu sorgen. Darüber hinaus machte „Hinti“ schon in jungen Jahren den Jagdschein: Zwar relativierte der Defensivkicker sein Hege-und-Pflege-Hobby einst mit dem Statement „Das kommt immer so rüber, als wäre ich der Überjäger, bin ich aber nicht. Die Prüfung habe ich mit 18 gemacht, weil ich im Dorf mitreden wollte.“. Jedenfalls gibt es eine Anekdoten rund um Martin und das Weidwerk: Jagdunfälle quasi.

Dass Hinteregger nie ein disziplinierter Musterprofi war, hat er nicht zu verschleiern versucht: Neben seinen Problemen mit der Pünktlichkeit, gehörte der Europa League-Sieger von 2022 auch nicht zur Fraktion der Ordentlichen und Organisierten. Diese Tatsache sollte ihm einmal eine besonders unangenehme Geschichte am Salzburger Flughafen einbrocken: Wie so oft konnte der damalige RB-Profi kurz vor einem internationalen Spiel seinen Reiserucksack nicht finden und wie so oft, war er spät mit dem Packen seiner Sachen dran. Also musste Martins grüner Leinenrucksack – mit dem er sonst auf die Pirsch schlich – für seine Habseligkeiten herhalten. Rasch stopfte er Reisepass, Handyaufladegerät und Co. in den Ranzen und eilte damit zum Teamtreffpunkt. Bei der Flughafensicherheitskontrolle erlebte der Spieler jedoch eine fiese Überraschung: Das Personal fand es gar nicht witzig, als man eine leere Patrone, die von einem Jagdausflug übriggeblieben war, im Gepäck des Kärntners fand. Die Salzburger Betreuer mussten mit Engelszungen auf die Security einreden, damit der Innenverteidiger mitfliegen durfte. Zwar ging die Sache letztendlich glimpflich aus, doch Hinteregger war wieder einmal durch ein selbstverursachtes Drama getaumelt.

Schon vier Jahre zuvor – Martin war damals gerade 19 Jahre alt – verhinderte sein Hobby einen Wechsel in die Serie A: Zwar behauptete der Spieler später, seine Oma hätte ihm den Transfer zu ACF Fiorentina verboten, damals ließ er seinen Manager jedoch wissen, dass er sich nicht vorstellen könne in der Toskana seiner aktuell liebsten Freizeitgestaltung zu frönen: „Wo soll man denn dort jagen gehen?“

Wann immer es möglich war, begleitete Hinteregger während seines Engagements in Wals-Siezenheim seine Jagdkumpeln bei Heimaturlauben auf die Pirsch rund um Sirnitz. „Mein erstes Stück habe ich aber auf einer Jagd mit dem Berufsjäger von Herrn Mateschitz geschossen, er hat mich damals einmal in sein Revier eingeladen.“, erinnert sich „Hinti“. Als er 2016 zu Mönchengladbach verliehen wurde, war Schluss mit der Schießerei auf Hasen und Rehe: Seine Kärntner Heimat war für Jagdausflüge nun zu weit weg, weshalb sich Hinteregger damit begnügte seine grüne und braune Funktionskleidung im Alltag zu tragen, um sich wenigstens wie auf der Pirsch zu fühlen. Auch später in Frankfurt stolzierte Martin mit Janker und Filzhut in die Profikabine der Eintracht. Kollegen wie Luka Jović oder Kevin Trapp staunten nicht schlecht über diese Portion Mode-Exzentrik. Das Prädikat „saucooler Hund“ hatte der Defensivspieler schnell weg; er liebte eben die Natur und stellte das offen zur Schau. In der Börsenstadt vermisste Hinteregger die Berge, der Taunus – das Mittelgebirge um die hessische Metropole – konnte ihn nicht überzeugen: „Ja, genau, ein Berg mit 900 Metern.“, ätzte der 67-fache ÖFB-Teamspieler.

Als Profi in Salzburg dagegen war es vorgekommen, dass der dreifache Double‑Sieger zwischen zwei Trainingseinheiten einen kurzen Abstecher in nahe Jagdgründe machte. Einmal kehrte „Hinti“ mit blutverschmierter Steppjacke zum Nachmittagstraining zurück. Seinen Fußballkollegen stand damals eine Mischung aus Irrglauben, Bewunderung und Unverständnis ins Gesicht geschrieben, doch Martin interessierte das nicht: „Ich bin, wie ich bin, und das schätzen die Leute.“, sagte er noch als Profi. Als Privatier wird er das heute auch noch denken. Zeit fürs Jagen bleibt dem Fußballpensionisten jetzt jedenfalls genug.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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