Es ist schon längere Zeit her, dass Andi Herzog anlässlich eines Interviews zugegeben hat, einer seiner Ticks sei es, vor dem Schlafengehen viel zu... Anekdote zum Sonntag (201) – Der süße Wahn

Es ist schon längere Zeit her, dass Andi Herzog anlässlich eines Interviews zugegeben hat, einer seiner Ticks sei es, vor dem Schlafengehen viel zu naschen.  Im letzten Sommer veröffentlichte der ehemalige ÖFB‑Rekordspieler ein Foto, dass ihn im Mallorca-Urlaub in Badehose zeigte und schrieb dazu selbstironisch: „Früher sagte Otto Rehhagel immer zu mir: ‚Andreas, Sie haben einen Körper wie Adonis.‘ Heute sieht er eher aus wie Tonis.“ „Herzerl“ konnte sich einen kleinen Seitenhieb auf seinen Ex-Kollegen und Freund Toni Polster mit Augenzwinkern nicht verkneifen.

Tatsächlich schleppen beide ehemalige Profisportler seit dem Ende ihrer Fußballkarrieren einige Kilos zu viel mit sich herum. Andi Herzog hat aber schon als Spieler nie einen Hehl aus seiner Vorliebe für Süßigkeiten gemacht. Der Mehlspeisentiger schaffte es als Profi allerdings diese Extra-Kalorien mit Training zu verbrennen, obwohl er sich vor Waldläufen gelegentlich drückte. Wie an dieser Stelle vielleicht noch zu berichten sein wird…

Als Hans Krankl 2002 Teamchef wurde, war dem Goleador die zuckerreiche Ernährung seines Spielmachers jedoch ein Dorn im Auge. In einem Trainingslager in Henndorf am Wallersee Anfang der 2000er erteilte der ehemalige Barcelona-Stürmer Naschkatze Herzog daher ein ausnahmsloses Schokoladeverbot. Andi nahm selbiges zähneknirschend zur Kenntnis. Der Mann, der Sachertorte als perfekten Abschluss für sein Traummenü bezeichnete, rannte nach einiger Zeit ohne Zucker sprichwörtlich am Zahnfleisch: Er fantasierte von Mannerschnitten und Marmeladepalatschinken, musste sich aber mit einfacher Sportlernahrung zufriedengeben.

Es kam schließlich, wie es kommen musste: Nach vier Tagen Entzug machte sich der Neo-Rapid-Regisseur auf den Weg vom – für ihn – kargen Frühstück zurück aufs Zimmer als er beim Buffet an einem Korb voller Mini-Nutella-Packungen vorbeikam. Wie ferngesteuert griff Herzog zu und beförderte die Bonus-Kalorien – drei Packungen Haselnusscreme ‑ schnell wie der Wind in seine Hosentasche. Doch ein Mitspieler hatte ihn beobachtet und verpetzte seinen Teamkameraden prompt: „Hans, Hans, der ,Herzerl‘ hat was mitgehen lassen!“, brüllte der Kicker seinem Trainer quer durch den Frühstückssaal zu. Übeltäter Herzog ergriff daraufhin die Flucht, raste in sein Zimmer im zweiten Stock und knallte die Tür zu. Blitzschnell überlegte er und entschied sich schließlich für ein Ablenkungsmanöver: Andi warf eine Packung Nutella in den Mistkübel, behielt die übrigen zwei aber in der Hosentasche.

Schon trommelte ein entrüsteter ÖFB-Trainer an seiner Zimmertür. Aufgebracht forderte Krankl den deutschen Meister von 1993 auf das Diebesgut herauszugeben. Zu seinem Erstaunen fuhr Herzog bereitwillig in die Hosentasche. Das machte den ehemals besten Torschützen Europas stutzig: „Das ist doch nicht alles.“, vermutete Krankl und deutete auf die beiden Packungen. „Doch, Trainer, ich schwöre!“, sagte Herzog und mimte den Unschuldigen. Krankl fixierte ihn mit zu Schlitzen verengten Augen.

Mit dem, was nun folgen sollte, hatte der Ex-Bremen-Legionär nicht gerechnet: Teamchef Krankl machte Nägel mit Köpfen. Er, Ex-Goalgetter, Meisterkicker, Nationalheld, Feschak und Part-Time-Sänger, ging vor Andi und seinem Zimmerkollegen Franz Weber auf die Knie und durchsuchte persönlich die Kemenate der beiden Spieler. Zuerst inspizierte Krankl robbend den Stauraum unter den Betten, hob dann die Matratzen hoch, öffnete Schubladen und Kastentüren, durchwühlte schließlich das Gepäck. Die beiden Anwesenden bogen sich dabei vor Lachen. Nur einmal verstummte Herzog kurz: Der schlaue Johann K. öffnete tatsächlich per pedes den Mistkübel, um auch den Abfall der beiden Spieler zu begutachten. Der Schreckensmoment dauerte aber nicht lange, schließlich hatte der – nicht minder schlaue – Andreas H. den süßen Aufstrich in Windeseile gut getarnt unter dem übrigen Müll versteckt.

Kurz und gut: Krankl konnte der fehlenden Nutella-Packung nicht habhaft werden. 15g (zukünftiges) Hüftgold blieben spurlos verschwunden. Jedoch wurde der Teamchef bei Franz Weber fündig: Dieser hatte sich erst am Tag zuvor vom Zeugwart zwei Tafeln Milchschokolade und eine Familienpackung Chips holen lassen und diese unter seiner Matratze gebunkert. Triumphierend präsentierte Krankl den nährstoffarmen, aber kalorienreichen Schatz und beide Spieler blickten wie Schulbuben, die man bei einem Streich ertappt hatte. Herzog beteuerte – diesmal wahrheitsgemäß – seine Unschuld, Weber wurde rot und schwieg. Der Goleador konfiszierte die Beute und zog ab. Das restliche Trainingslager im Salzburger Land labten sich Herzog und Weber an einer Probepackung Nutella. Kalter Zuckerentzug – Strafe genug.

Marie Samstag

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