Als 1920 die erste Steirische Meisterschaft ausgetragen wurde, waren der GAK und Sturm auch nur zwei von vielen Klubs, die in der grünen Landeshauptstadt... Anekdote zum Sonntag (231) – „Wetten, dass…?“

Als 1920 die erste Steirische Meisterschaft ausgetragen wurde, waren der GAK und Sturm auch nur zwei von vielen Klubs, die in der grünen Landeshauptstadt beheimatet waren: In der Liga kickten neben dem SC Hakoah Graz (aufgelöst: 1938) oder dem heute in der Gebietsliga Mitte agierenden Grazer Sportclub auch Vereine wie die mittlerweile nicht mehr existierenden Rapid Graz oder die Amateure Graz. Schon bald kristallisierten sich aber der 1902 gegründete und als „Akademikerverein“ geltenden Grazer Athletiksportklub und der etwas jüngere Grazer Fußballclub „Sturm“, der seinen Namen einem Prager Verein entlehnt hatte, als die tonangebenden Mannschaften der Stadt heraus. In den kommenden Jahren sollten sich die beiden Teams die Meisterschaft fast immer untereinander ausmachen und etablierten sich so als Rivalen, deren Derby das ultimative Kräftemessen darstellte. In dieser Zeit – in den 30ern des vergangenen Jahrhunderts – gründete sich auch eine steirische Fleischerei, die später eine gewisse Rolle in diesem Konkurrenzkampf spielen sollte. Der Sohn des Gründers des Familienunternehmens, Franz Zotter junior, begann nämlich viele Jahrzehnte später die Grazer Stadtderbys auf sehr spezielle Art zu zelebrieren:

Der eingefleischte Sturm‑Anhänger Zotter arrangierte erstmals 1968 mit dem Küchenchef eines Lokals der Innenstadt, Peter Bumsenberger, eine flotte Wette für das kommende „Spiel der Spiele“, die Zotter prompt verlor. Um seinen Wetteinsatz einzulösen, musste der schwarz-weiße Fleischermeister in der Folge ein geschlachtetes Schaf aus seinem Kühlraum auf den Schultern von der legendären „Gruabn“ bis in die Gleisdorfer Gasse tragen. Während der Prozedur baumelte Zotter zum Gaudium des anwesenden Straßenpublikums ein Riesenschild mit der Aufschrift: „Wir zwei Hammel glaubten an einen STURM SIEG!“ vom Hals. Dieser „Cabanossi“- äh „Canossa“-Gang wurde mit großem Zuschauerinteresse verfolgt und auch medial dokumentiert. Letztendlich rührte er die Werbetrommel für Zotters Fleischerei, sodass der Chef plante seine kreativen Wetten zur Tradition zu machen: So kam es, dass schon nach dem nächsten Derbyduell, das keiner der Vereine gewinnen konnte, beide Wettpartner den ca. 1,6 km langen Fußmarsch zusammen bewältigten – – jeder mit Schild und totem Tier im Nacken.

Getreu dem Werbeslogan „Wetten in einer anderen Liga“ spann Zotter an immer absurderen Ideen als Wetteinsatz und fand sich immer neue Herausforderer, die gegen ihn auf einen GAK-Sieg setzten, während er auf einen vollen Erfolg seiner „Schwoazn“ baute. Im Laufe der nächsten Jahre rollte der Verlierer des inszenierten Derby-Wettstreites u.a. ein riesiges Weinfass durch die Gassen der Grazer Innenstadt oder schleppte selbiges den berühmten Schlossberg hoch. Auch einen Esel namens „Susi“ sowie alte Ochsen, die später von Zotter verarbeitet wurden, wurden zum Gaudium Schaulustiger durch die Straßen getrieben – ein Unterfangen, das heute wohl behördlich untersagt werden würde. Für spöttische Lacher sorgten dabei stets die „Schilder der Schande“, die der jeweilige Verlierer vor sich trug: So hieß es während des Spazierganges mit Huftier Susi etwa: „Wir zwei Esel, Groß und Klein, wollen Derbysieger sein.“ Die härteste Aufgabe war aber ein Fußmarsch vom Grazer Stadtzentrum nach Gleisdorf – schlappe viereinhalb Stunde lang. Die Niederlage im Duell der Stadtrivalen tat dem Verlierer damals doppelt weh.

Zotter hatte es geschafft: Der Schlusspunkt der jeweiligen Wetten – die „Bezahlung“ der Ehrenschulden – war bald eine Art Tradition und führte zu Massenaufläufen in der Altstadt. Als gewiefter Geschäftsmann hatte der Fleischer damit seine helle Freude; er schenkte Freibier aus und verkaufte Würstel, Leberkäse und Co. aus seinem Geschäft. Fast jede Grazer Derbywette mündete so in einem „Fest der Feindschaft“ bei dem sich GAK- und Sturm-Fans trafen, bei Speis und Trank miteinander plauderten und sich gegenseitig aufzogen. „Gesunde Rivalität“ war damals – abgesehen von Einzelfällen – kein Fremdwort. Irgendwann war jedoch Schluss mit Zotters Späßen; er überließ die Fleischhauerei seinem Sohn und veranstaltete auch seine legendären Derbywetten nicht mehr.

Ein gewisser Hannes Kartnig versuchte in den 90ern Zotters Inszenierung als PR-Gag neu aufleben zu lassen: So musste der wortgewaltige Sturm-Präsident nach einer Niederlage im Stadtduell in rotem Trainingsanzug Fanartikel des Stadtrivalen feilbieten. GAK-Präsident und Intimfeind Fischl fands witzig. Auch 2005 verlor der Werbeunternehmer eine Wette über den Ausgang des steirischen „Spiels der Spiele“ und fand sich deswegen hinter der Budel eines Franchise-Fastfood-Lokals, das seinem (neuen) Kontrahenten Sükar gehörte, wieder. Letztendlich machte Kartnigs kratzige Art und insbesondere sein rücksichtsloser Umgang mit der Fanszene der Hoffnung, er könne an die irren Wetten des Franz Z. und somit an die alte Zeit anknüpfen, aber schnell den Gar aus. Alles hat eben ein Ende – nur (Zotters) Wurst hat zwei.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag