Schon mehrmals wurde an dieser Stelle vom legendären Masseur der Wiener Austria Georg „Schurli“ Schreitl berichtet.Zuletzt besuchte der mittlerweile Hochbetagte anlässlich seines 94. Wiegenfestes... Anekdote zum Sonntag (235) – Hexer hexen

Schon mehrmals wurde an dieser Stelle vom legendären Masseur der Wiener Austria Georg „Schurli“ Schreitl berichtet.Zuletzt besuchte der mittlerweile Hochbetagte anlässlich seines 94. Wiegenfestes ein Heimspiel seiner Violetten: Flankiert von Toni Polster und Herbert Prohaska betrat Schreitl am 14. November 2023 den Rasen der Generali-Arena, um dort von der Klubführung geehrt zu werden. „Schurli“, der zwei Monate zuvor Geburtstag gefeiert hatte, wurde ein Trikot überreicht; die Fans würdigten ihn mit gebührendem Applaus. Recht so, schließlich bezeichnete ihn eben jener Herbert Prohaska einst als violetten „Jahrhundert-Masseur“, denn der gebürtige Wiener hatte 31 Jahre lang nicht nur die Wadln der Austrianer bearbeitet, sondern – sowohl freiwillig als auch unfreiwillig – für heitere Momente gesorgt.

Nach langen Jahren als Bäcker sattelte Schreitl 1955 auf die Bearbeitung der menschlichen Muskulatur um und absolvierte einen Massagekurs. Erste Sporen verdiente er bei den Wiener Klubs Rapid Oberlaa, WAC und Wienerfeld ehe er für Jahrzehnte beim FK Austria andocken sollte. Tatsächlich schien der 1929 Geborene für den physiotherapeutischen Beruf perfekt zu sein: Nicht nur, dass er „heilende Hände“ bewies, schnell wurde er auch zur Vertrauensperson für die von ihm betreuten Sportler. So mancher schüttete ihm während der Behandlung – liegend und ohne Augenkontakt, Sigmund Freud gefällt das! – das Herz aus und „Schurli“ Schreitl missbrauchte dieses Vertrauen nicht. Im Gegenteil: „Der Papa ist immer für euch da!“, garantierte er den Sara-Brüdern, Ogris, Daxbacher und Co. und diese wussten das zu schätzen. Eine Massage garniert mit ein paar Späßen und die Schmerzen waren für viele Spieler schnell vergessen.

Apropos vergessen – es scheint, dass bei „Papa“ Schreitls menschlichen Qualitäten, seinen Sangeskünsten und seiner Tendenz in Fettnäpfchen zu treten, die Tatsache, dass er über Fachwissen, das weit über das erlernte Handwerk hinausging, verfügte, kaum mehr präsent ist. Seine Behandlungserfolge verschafften ihm den Spitznamen „Hexer von der Fischhofgasse“. Um es mit Prohaskas Worten zu sagen: „Er hat Tote zum Leben erweckt.“:

Mitten in der Nacht bekam Schreitl einmal einen besorgten Anruf von Erich Obermayers Frau, die ihn bat sofort in ihre Wohnung zu kommen: Ihr Mann habe 41 Grad Fieber, weigere sich jedoch mit der Rettung ins Spital zu fahren. Obermayer wolle zunächst vom „Papa“ persönlich behandelt werden. Schreitl fuhr sofort durchs nächtliche Wien zu seinem Libero und brachte ihm etwas Fiebersenkendes.

Ein anderes Mal verweigerte Edi Krieger die Visite des Arztes und wollte zunächst von Schreitl versorgt werden. Kriegers Ischias-Nerv war eingeklemmt, der Arzt stand ratlos daneben, während „Schurli“ Hand anlegte. Einige Momente später war Krieger einsatzbereit und der anwesende Medizinmann kratzte sich staunend am Kopf: „Wofür habe ich studiert?!“, wunderte sich der „Gott in Weiß“. Schreitl war eben mehr als ein Wiener Original. Er allein kümmerte sich um die gesamte Austria-Kampfmannschaft und ab 1978 auch um das österreichische Nationalteam: Als Masseur, Faktotum und Legende ging er in die Geschichte der Violetten ein. Möge er noch lange leben!

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag