Jeden Spätsommer gibt es in Österreich unterklassige Fußballvereine, die das Glück haben in den ersten Cuprunden gegen namhafte Bundesligisten antreten zu dürfen. Die ungleichen... Anekdote zum Sonntag (245) – Textilvergehen

Jeden Spätsommer gibt es in Österreich unterklassige Fußballvereine, die das Glück haben in den ersten Cuprunden gegen namhafte Bundesligisten antreten zu dürfen. Die ungleichen Duelle mutieren in vielen ländlichen Regionen zu Volksfesten und zum Spiel des Lebens für so manchen Amateur. Wenn Austria, Sturm Graz und Co. mit ihrem Fananhang in kleine Gemeinden reisen, dann sind die hiesigen Sportplätze voll, Gastronomen machen ein Bombengeschäft und Groß und Klein können mit ihren Lieblingsspielern auf Tuchfühlung gehen. Rekordmeister Rapid ist dabei immer noch der beliebteste Gast; denn obwohl die Hütteldorfer seit 2008 titellos sind, sorgt die grün-weiße Faninvasion auch auf Dorfplätzen für eine unvergleichliche Fußballstimmung. Zudem gibt es – vorrangig in den östlichen Bundesländern – zahlreiche „grüne Nester“, voller Exil-Rapidler:innen, deren Herzenswunsch in Erfüllung geht, wenn ihr Lieblingsverein gegen die lokale Mannschaft antritt: Rapid zu Gast bei Freunden. Besonders wenn die Wiener im Burgenland spielen, ist Ausnahmezustand vorprogrammiert:

So auch am 15. August 2009 als die Hütteldorfer in der ersten Cuprunde beim SC/ESV Parndorf, dem damaligen Tabellenführer der Regionalliga Ost, gastierten. Pikanterweise stand der jetzige Austria-Trainer Stephan Helm im Kader der Burgenländer. Aus sportlicher Sicht sollte es eine klare Sache für Rapid werden, doch erst in der 120. Minute gelang es dem Favoriten dank eines Treffers von Christopher Drazan den Widerstand des Regionalligisten zu brechen. „Ich bin stolz auf die Burschen, das war eine tolle Leistung: 0:2 aufholen gegen Rapid und so mitzuhalten bis zur letzten Sekunde.“, resümierte der damalige Trainer Roman Mählich die knappe 2:3-Niederlage seiner Mannschaft.

Anfangs spielte Rapid gut, erarbeitete sich viele Chancen und nach zwei Kopfballtoren des neuen Sturmduos Jelavić und Maierhofer führten man schließlich nach dreißig Minuten. Doch als Hofmann, Patocka und Co. in der Folge die Zügel aus der Hand geben, kam Parndorf mit ebenfalls zwei (!) Kopfballtoren zurück in die Partie. Plötzlich hatte der Underdog das Momentum auf seiner Seite und Rapid wurde nervös. Erst ein Foul an Mario Konrad direkt an der Strafraumgrenze führte in der Verlängerung zu jenem Freistoß aus dem Drazan den Siegestreffer erzielte. Es war ein heißer Cupfight am Feiertag mit toller Stimmung und dem glücklicheren Ende für den grün-weißen Goliath.

Dass an diesem Tag nicht alles nach Plan für Rapid laufen sollte, kündigte sich irgendwie bereits vor Anpfiff an: Das Parndorfer Heidebodenstadion war gesteckt voll; gefühlt verfolgte die gesamte Region das Match. Viele Burgenländische Rapidfans und die traditionell zahlreich erschienene organisierte Fanszene der Wiener sorgten für einen dichte Atmosphäre. Weil die Sonne an diesem Augustnachmittag erbarmungslos stach, hängten die Rapid-Ersatzspieler ihre Trikots so über die Auswechselbank, dass sie während der 90 Minuten nicht geblendet werden sollten ehe sie zum Aufwärmen übergingen. Als Verteidiger Christian Thonhofer jedoch von diesem zurückkam, musste er feststellen, dass sein so drapiertes Dress verschwunden war. Nach Diskussionen mit den Mitspielern, blieb nur mehr die Möglichkeit offen, dass ein Fan hinter der Auswechselbank unbemerkt zugegriffen haben musste. Thonhofers Trikot blieb wie vom Erdboden verschluckt. Rapids Zeugwart Ramhapp schüttelt erstaunt den Kopf: In 26 Jahren Arbeit im Dienste des Rekordmeisters hatte „Johnny“ so etwas noch nicht erlebt: Einem Spieler das Trikot als Souvenir vor dem Match zu stehlen, ist ein Textilvergehen der besonderen Art. Glücklicherweise blieb – der übrigens damals im Burgenland wohnhafte – Thonhofer an diesem Nachmittag ohne Einsatz.

Heute arbeitet Christian Thonhofer als Polizist und wüsste genau, wie in einem solchen Fall vorzugehen wäre. Den Dieb hätte er aber vermutlich auch nicht erwischt; Verdächtige gab es schließlich an diesem Augustnachmittag genug. Eine Frage bleibt aber offen: Handelte es sich bei diesem Trikotklau um einen qualifizierten Diebstahl im Zuge von Religionsausübung? Schließlich gilt für viele Grün-Weiße: Rapid ist Religion; das Trikot eines Rapidspielers somit eine Art Reliquie. Ein Fall für das Jüngste (Sport)gericht.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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