Alfred Tatar, der „Tat-aar“ ausgesprochen wird, wie er seinem einstigen Moderationskollegen Thomas Trukesitz live auf Sendung mitteilte, ist Kult unter den österreichischen Fußballexperten. „Fredl“... Anekdote zum Sonntag (265) –  Co-Pinkeln

Alfred Tatar, der „Tat-aar“ ausgesprochen wird, wie er seinem einstigen Moderationskollegen Thomas Trukesitz live auf Sendung mitteilte, ist Kult unter den österreichischen Fußballexperten. „Fredl“ verleiht jenem Sport, der seinen Ruf als „Proletenspaß“ immer noch nicht abgelegt hat, schon durch sein unkonventionelles Auftreten und seine geschliffene Sprache Stil. Zwar gleichen Tatars Prognosen und Spieltagstipps oft Vorahnungen à la Nostradamus – seiner Reputation als Fachmann kann dies jedoch wenig anhaben. Viele schätzen Tatars elegant dargebotene Expertise als Auflockerung einer sonst hemdsärmeligen oder nichtssagenden Fußballberichterstattung.   

Die vielversprechende Spielerkarriere des 1963 Geborenen versandete einst durch eine unglückliche Entscheidung, die der junge Alfred Tatar als Spieler des Wr. Sport-Clubs getroffen hatte. Damals galt der U20-Nationalmannschaftskapitän als Zukunftshoffnung und wollte nach zwei Saisonen bei den Schwarz-Weißen den nächsten Schritt machen. Dem damaligen Regelwerk zu Folge mussten die Dornbacher einem Wechsel des Mittelfeldspielers jedoch auch nach Vertragsende zustimmen: Es kam, wie es kommen musste: Die Parteien konnten sich nicht einigen, Tatar schaltete auf stur und meldete sich beim Verband als Spieler ab. Diese Entscheidung bedeutete damals, dass er 18 Monate „stehen“ musste, bevor er bei einem anderen Verein wieder kicken durfte. Eineinhalb Jahre ohne Profifußball verkraftete Tatars junge Karriere nicht: „Als 19-jähriger Dummkopf hatte ich nicht den Überblick.“, erzählte der Fußballexperte einmal.

Mit dem Kicken hatte der gebürtige Niederösterreicher einst in seiner Heimat begonnen und als 17-jähriger unter Kulttrainer Gerdi Springer für den SC Wiener Neustadt in der Zweiten Liga debütiert. Nach seinem unfreiwilligen „Urlaub“ vom Profifußball versuchte Tatar später u.a. bei Mödling, der Vienna oder St. Pölten wieder in die Spur zu kommen. Schließlich sattelte der passionierte Schwammerlsucher jedoch um und begann als Co-Trainer zu arbeiten. Wie kurios sein erstes Engagement als „Zweiter“ des mittlerweile verstorbenen Helmut Kronjäger bei der SV Ried zustande kam, soll an dieser Stelle erzählt werden:

Im Juni 2000 fuhr der frischgebackene Ried-Cheftrainer Helmut Kronjäger nach Wien. Er hatte gerade erfahren, dass er Heinz Hochhauser, dessen Assistent er zunächst gewesen war, ersetzen sollte. Zuvor hatte Kronjäger bei der Wiener Austria im Nachwuchs und im Merchandise gearbeitet, weshalb er in Wien eine Wohnung unterhielt. Nun wollte der gebürtige Grazer einige Dinge aus seinem damaligen Hauptwohnsitz ins Innviertel schaffen.

Aus dem Westen kommend fuhr Kronjäger in die Stadt. Als er vor Schloss Schönbrunn an der Ampel hielt und zur Seite blickte, staunte „Petz“, wie Kronjäger von vielen gerufen wurde, nicht schlecht. Am Steuer des neben ihm zum Stehen gekommenen Wagens saß niemand geringerer als Alfred Tatar. „Hey, Fredl, rechts ist nie gut.“, rief Kronjäger seinem Freund lachend zu. Tatar machte große Augen. Als er den Steirer erkannte, deutete er ihm wenige Meter weit entfernt zu parken. Die beiden stellten ihre Fahrzeuge – wider die Straßenverkehrsordnung – ab, stiegen aus und begrüßten einander herzlich. Da sie sich lange nicht mehr gesehen hatten, hatten sie einander viel zu erzählen. Gespannt lauschte Tatar Kronjägers Erzählungen über den Innviertler Profifußball, während sie durch die ausladende Schönbrunner Schlossallee spazierten. Bei einem alten Baum übermannte beide Herren schließlich ein dringendes Bedürfnis: „Fredl“ und „Petz“ pinkelten Seite an Seite an einen ehrwürdigen Baum, an dem einst sämtliche Personen des k.u.k.-Hofstaates vorbeigeritten waren. Helmut Kronjäger durchfuhr bei Entleerung seiner Blase plötzlich ein Gedanken; die zufällige Begegnung schien ihm wie ein Wink des Schicksals. Während er Wasser ließ, fragte er den ebenfalls beschäftigten Tatar beiläufig: „Fredl, ich brauch noch einen Co-Trainer in Ried. Bis du dabei?“ Tatars Herz machte einen Hüpfer; er kickte damals noch in der Landesliga beim ASV Radlberg und war dabei sich beruflich neu zu orientieren. Ohne zu zögern, willigte der einstige U-Nationalspieler ein. Noch bevor die Hosen der beiden Ex-Kicker wieder geschlossen waren, war das Trainer-Duo der SV Ried komplett. Ein unkonventionelles „Bewerbungsgespräch“ – wie es zu Alfred Tatar passt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag