Der Wiener Kabarettist Helmut Qualtinger hat den practical joke für den deutschen Sprachraum erfunden: Ein ausgeführter Streich, der das/die Opfer in eine peinliche Lage... Anekdote zum Sonntag (52) –  Jedem Ende wohnt ein Anfang inne

Zoran Barisic 2_abseits.atDer Wiener Kabarettist Helmut Qualtinger hat den practical joke für den deutschen Sprachraum erfunden: Ein ausgeführter Streich, der das/die Opfer in eine peinliche Lage bringen soll. Qualtinger lockte beispielsweise die österreichische Presse per PEN-Klub-Briefpapier zur Ankunft eines vermeintlichen Eskimodichters an den Wiener Westbahnhof: Dem Zug entstieg dann der verkleidete Qualtinger selbst.

Am Berüchtigtsten waren jedoch des Meisters Telefonanrufe bei denen er mit verstellter Stimme zu Werke ging: So bot er einem berühmten Theaterkollegen, der sich ärgerte immer nur den „komischen Alten“ darzustellen, am Telefon endlich eine tragische Rolle an. Die Voraussetzungen um diese Figur zu verkörpern, schraubte Qualtinger als scheinbarer Regisseur allerdings immer höher: Als er von „Sie müssen sich den Schädel rasieren“ zu „Sie müssen sich auch kastrieren lassen“ kam, durchschaute der Kollege den Witzbold und sprach ein ganzes Jahr lang kein Wort mehr mit korpulenten Wiener.

Qualtingers Bruder im Geiste war Zoran „Zocki“ Barisic. Bereits während seiner Zeit als Rapid-Spieler fand er in Didi Kühbauer einen genialen Kompagnon für deftige Späße, später bei Wacker Innsbruck betätigte sich „Zocki“ vorwiegend als Callboy, wenn er die Neuzugänge als Lokalreporter anrief um ihre Lebensgeschichte zu erfahren. Meistens ließ er die versammelte Mannschaft mithören und stellte immer dreistere Fragen, bis es dem Betroffenen zu bunt wurde. 1998 kam ein junger Kölner namens Markus Anfang nach Innsbruck. Der 24-jährigen Mittelfeldspieler, der sich zuvor weder bei Leverkusen, Fortuna Düsseldorf und Schalke 04 durchsetzen konnte, wurde von seinen Kollegen gewarnt, dass Barisic mit einem Scherzanruf vorstellig werden würde. Gerade als Deutscher wäre Anfang ein prädestiniertes Lieblingsopfer für den gebürtigen Wiener. Anfang war auf der Hut. Nach einiger Zeit klingelte tatsächlich sein Telefon und ein gewisser Dieter Hoeneß von Hertha BSC Berlin erkundigte sich nach Anfangs Wechselabsichten. Er machte ihm klar, dass er ihn gerne in der deutschen Hauptstadt sehen würde. Anfang war perplex. Er konnte nicht glauben, dass er so schnell wieder Interesse in Deutschland geweckt hatte und dachte an einen Spaß. Zwar musste er Barisic riesiges Talent als Stimmenimitator zugestehen, jedoch wollte er sich keine Blöße geben. „Zocki, leck mich am Arsch!“, meinte Anfang und legte auf. Selbst als sich die Anrufe wiederholten, blieb Anfang überzeugt, dass es sich bei dem Anrufer nur um seinen Kollegen handeln könnte. Schließlich sprach er den Wiener auf die Begebenheit an, dieser schwor auf die eigene Großmutter, dass er nicht auf die Idee gekommen sei, ihn als Hoeneß zu kontaktieren. Jedoch fände er die Situation ungemein komisch und ließe es sich durchaus hoch anrechnen, dass er den Neuzugang ohne eigenes Zutun gehäkerlt habe. Anfang aber wurde ganz schwindlig zu Mute: Hatte er doch dem echten Dieter Hoeneß eine brüske Absage erteilt. Die Berliner meldeten sich nie wieder bei ihm und so setzte Markus Anfang nach vier Jahren Tirol seine Karriere in Kaiserslautern fort. In der Pfalz war ihm das Glück nicht hold und er wanderte von Klub zu Klub: Durchschlagenden Erfolg hatte er nirgends.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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