Sein zweiter Vater sei er gewesen, der Kommerzialrat Leopold Böhm. Von Anfang an war der Textilunternehmer, Millionär und Gönner der Veilchen, Herbert Prohaskas Bezugsperson bei der Wiener Austria. Mitte der Siebziger belohnte Böhm die violette Meistermannschaft mit einem viertägigen Paris-Trip. Im „Crazy Horse“ und im „Lido“ knallten die Champagnerkorken und es wurde bis zum Morgengrauen gefeiert. Der mitreisende Böhm versprach für nächstes Jahr einen einwöchigen Las-Vegas-Urlaub, falls das Double gelingen sollte.
Die Violetten schafften zwar den Cupsieg, in der Meisterschaft landeten sie jedoch nur auf Platz Drei. Die reale Umsetzung von „The Hangover“ fand also nicht statt. Laut Prohaska war das auch besser so, denn schon der Aufenthalt in der Seine-Metropole hatte die Gesundheit einiger Kicker gehörig strapaziert. Einen Trip nach Nevada hätten vielleicht nicht alle lebend überstanden, orakelte Österreichs Jahrhundertfußballer.
Leopold Böhm war jedoch nicht nur bei Meisterprämien großzügig. Gab es ein Loch im Budget oder Zahlungsschwierigkeiten – auf den Unternehmer war immer Verlass: Millionen Schillinge butterte er in seinen Herzensverein, für den er sich auch sonst tatkräftig engagierte. Von 1973 bis 1977 fungierte er als Präsident – Sponsor, Mäzen und Menschenfreund blieb er immer und das obwohl ihm selbst übel mitgespielt worden war: Als Sohn einer jüdischen Familie konnte der 1922 Geborene zwar rechtzeitig aus Wien fliehen, seine Eltern wurden jedoch ermordet. Böhm kämpfte für die britische Armee, investierte nach dem Krieg in eine Ölplattform in Haifa und kehrte Anfang der 50er nach Österreich zurück. Hier machte er als Textilunternehmer und später auch in der Immobilienwirtschaft Karriere und sein Vermögen erlaubte es ihm daher in seiner Sponsorentätigkeit großzügig zu sein. Wollte er einen Spieler bei den Veilchen sehen, verschaffte er diesem Handgeld aus seiner Privatkasse. Als es Robert Sara finanziell schlecht ging, stellte ihn Böhm als Chauffeur ein. Seinem Freund Prohaska bot er oft Investitionsmöglichkeiten an – immer mit dem Zusatz: „Versuch es, wenn‘s nicht klappt, bekommst du dein Geld zurück.“ Das es „nicht klappte“, kam nie vor.
Als Schneckerl seine dritte Saison bei den Violetten spielte, hatte Präsident Böhm bereits einen Narren an dem gebürtigen Simmeringer gefressen. Er setzte es sich in den Kopf den Mittelfeldregisseur zum Krone-Fußballer des Jahres zu machen. Der legendäre Austria-Masseur „Schurli“ Schreitl wurde entsandt um so viele Stimmzettel wie möglich aufzutreiben und „richtig“ auszufüllen. Schreitl durchstöberte vor allem Favoritner Mistkübel auf der Suche nach unbenutzten Seiten der Tageszeitung: Er schnitt die Zettel heraus, vervollständigte sie und schickte sie ab. Der Plan ging tatsächlich auf.
Der frischgebackene Fußballer des Jahres wurde in der Folge in die Redaktionsräume der Zeitung gebeten um seinerseits Glücksengerl zu spielen: Schließlich winkten allen Einsendern drei tolle Preise: Der Hauptgewinn war eine Reise nach Glasgow zum Finale des Meistercups zwischen Bayern München und St. Etienne. Schneckerl rührte in den Zetteln und fischte unter tausenden eine Karte heraus. Als er den Namen entzifferte, war er wie vom Donner gerührt: Er hatte es geschafft seinen eigenen Schwiegervater zu ziehen und ihm so quasi eine Reise nach Schottland geschenkt. Der Ausfüller der zweiten Karte war ihm – Gott sei Dank – unbekannt, bei der dritten Ziehung gefror Prohaska aber erneut das Blut in den Adern. Wieder stand in sauberen Blockbuchstaben „Franz Bublak“ auf dem dünnen Papier. Diesmal handelte es sich um Bublak junior – Prohaskas Schwager, den Bruder seiner Frau Elisabeth. Überzeugt davon, dass ihm niemand glauben würde, er hätte keine Manipulation begannen, entschloss er sich die Karte augenblicklich zurückzuwerfen und eine neue zu ziehen: Der letzte Versuch war von Erfolg gekrönt. Prohaska atmete auf, es war geschafft. Dass er seinen eigenen Schwiegervater aber so zu einem prestigeträchtigen Match geschickt hatte, kam natürlich heraus, als dieser von einem Journalisten interviewt wurde. Die Nummer Acht beteuerte ihre Unschuld und hakte das Erlebnis als Laune des Schicksals ab.
Was wohl Franz Junior gesagt hat, als er erfuhr, dass ihn sein lieber Schwager um einen Preis betrogen hatte? Bruderzwist im Hause Prohaska-Bublak? Man weiß es nicht.
Marie Samstag, abseits.at
Marie Samstag
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