Am 4. Juni 1936 schiffte sich die Kampfmannschaft des Wiener Sportklubs mit einigen Funktionären und Mitarbeitern auf der „Johann von Oldenbarnevelt“ in Genua Richtung... Anekdote zum Sonntag (96) –  Aus dem Tagebuch des Friedrich Franzl

Am 4. Juni 1936 schiffte sich die Kampfmannschaft des Wiener Sportklubs mit einigen Funktionären und Mitarbeitern auf der „Johann von Oldenbarnevelt“ in Genua Richtung Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, ein. Das Reisetagebuch des Tormanns Friedrich Franzl gewährt Einblicke in diese außergewöhnliche Tournee: „Um 8 Uhr waren wir bei strömendem Regen im Hafen von Batavia angelangt. lm Rauchsalon der ersten Klasse war der erste Empfang, wo wir von unserem Konsul, Herrn Neumann, vom Vorsitzenden des hiesigen Verbandes Maastenbroek, vom Vorsitzenden des Bundes der Österreicher, Herrn Bruckmüller, mit seinen Damen und Herren, darunter Herrn Dr. Schöppel, einem alten persönlichen Freund Dr. Luegers […] und den nie fehlenden Photographen begrüßt wurden. Nach dem Verlassen des Schiffes gab es das erste Staunen. Zur Fahrt in unser Logis, dem Hotel der Neederlanden, das zweitbeste Hotel Batavias, stand ein eigener Autobus, ein großer Chevroletwagen, an seinen Wandseiten in den Flaggen Österreichs und Hollands gehalten und mit der Aufschrift „Javatour Wiener Sportklub“ bereit.“

Kurz nach der Ankunft spielten die Wiener ihr erstes Match: „Samstag, den 27. Juni war unser sportliches Debut auf Java, wo wir uns dem ersten Gegner, einem Team aus Buitenzorg und Soekaboema stellten. Es begann das Spiel mit dem Ehrenanstoß durch den österreichischen Konsul Herrn Neumann. In der 3. Minute erzielte Dallinger nach einem schönen Pass von Geiter den ersten Treffer: 1:0. In der 7. Minute erhöhte Gallas mit einem Prachtschuss auf 2:0. 16. Minute Pillweins Alleingang: 3:0 und schließlich Kral in der 30. Minute auf 4:0. Nach der Halbzeit ein herrlicher Treffer von Facco aus einem Corner mit Kopf: 5:0, 22. Minute Gallas: 6:0 und 32. Minute Dallinger: 7:0. Es wurde wunderbar gespielt, Publikum begeistert. Wäre der gegnerische Tormann nicht so glänzend gewesen, wäre eine noch größere Trefferausbeute möglich gewesen. Gespielt werden alle Spiele hier nur zweimal 35 Minuten. 8.000 Zuseher. Schiedsrichter van der Horn sehr gut. Das Spiel wurde von Herrn de Fries per Radio für ganz Indien übertragen.“

 Zwischen den Spielen gewannen die Fußballer zahlreiche Eindrücke von Land und Leuten. So schilderte Franzl eine Busfahrt: „Die Fahrt war am Anfang interessant, da sich auf und längs der Straße ein buntes Leben und Treiben abspielt. Da sieht man die Chinesen und Malaien, welche den Großteil der Bevölkerung ausmachen, vor ihren Bambushütten. Meistens kauend und in hockender Stellung. Das Kauen dürfte eine Leidenschaft sein. Man sieht meistens die Frauen, welche irgendeine Masse kauen und dann schaut es so aus, als ob sie vom Mund bluten würden. Auch ist es keine Seltenheit, wenn man Frauen mit nacktem Oberkörper sieht, also mit einem Wort: Ein erfreulicher Anblick. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass die Mädchen mit 12 oder 13 Jahren heiraten und viele Kinder bekommen. Dagegen sind die Männer kräftige Gestalten. Landschaftlich hatte die Fahrt auch einen eigenen Reiz, da die gute Straße meistens durch Palmen-und Bananenwälder führt, und zwar sind es meistens Kokospalmen, welche voller Früchte sind. Auch die Bananenbäume tragen Früchte, aber viele sind noch unreif. Trotzdem bekommt man hier schon zum Frühstück Bananen.“

Dem Sportklub wurde viel Gastfreundschaft entgegengebracht. Besonders jene Auslandsösterreicher, die es in der holländischen Kolonie zu achtbaren Positionen in der Tourismusbranche gebracht hatten, ließen es sich nicht nehmen ihre Landsleute zu bewirten. So erhielt der Sportklub-Funktionär Karl Kestler nach einem Besuch des „Deutschen Clubs“ nicht nur einen Wimpel, sondern auch eine handgefertigte Karikaturenzeichnung der Sportklub-Stars. An spielfreien Tagen besichtigten die Fußballer Kaffee-, Kakao- und Tabakplantagen. Franzl bemerkte zu den Arbeitsbedingungen: „Die Arbeiter – Malaien, Chinesen, Javaner – sind sehr schlecht bezahlt. Sie bekommen für 10 Kilo gepflückten Kaffee, das ist eine Tagesleistung, 8 Cent.“ Auch die Untertänigkeit mit der die Hackler ihren Vorgesetzten begegnen müssten, war den Österreichern fremd. Während rings um sie Armut herrschte, wurden die Spieler reichlich bewirtet und jammerten dennoch: „Enten bekommen wir hier jeden zweiten Tag. Einmal Schnitzel, dann Ente, hie und da was anderes. Es ist keine Abwechslung in dem Essen.“

Am 1. August 1936 trug der Sportklub gegen eine kombinierte Mannschaft aus Sumatra das letzte seiner insgesamt 19 Spiele in Übersee aus. Franzl schätzte die Stärke der Teams auf „gute zweite Klasse in Wien“. Die Wiener verloren nur ein Spiel und schossen 79 zu 10 Tore: „Wir spielen wieder gegen ein Bundesteam, die alle in der Spielstärke ziemlich gleich sind, auch in der Schnelligkeit, die zeitweise erstaunlich ist. Nach Schluss des Spieles überreicht uns der Bürgermeister mit einer zündenden, deutschen Ansprache einen wertvollen Silberpokal.“ Danach fuhr man mit dem Schiff wieder nachhause. Franzl notierte während der letzten Zugfahrt Richtung Wien: „Wenn ich jetzt zurückdenke an all das, was ich sah, so muss ich sagen, dass es trotz der großen Strapazen eine schöne Reise war. Ich mache es so, wie der Vorsitzende des Soerabaja-Clubs gesagt hat. Wir sollen das Unangenehme in Indien lassen und die schönen Erinnerungen mit nachhause nehmen.“ Am 23. August wurden die Mannschaft von ihren Angehörigen, zahlreichen Fans, der Presse und Repräsentanten wichtiger Positionen, wie dem Wiener Vizebürgermeister oder Präsidenten anderer Fußballvereine am Südbahnhof herzlich empfangen.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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