Nach 120-minütigem K(r)ampf ist es nun Gewissheit: Rapid verabschiedet sich im Achtelfinale aus dem ÖFB-Samsung-Cup und wird daher auch 2011/12 keinen Titel feiern. Denn der aktuellen Mannschaft des SK Rapid Titelchancen in der heimischen Bundesliga zu attestieren, ist illusorisch. Rapids nächste Chance auf Titel ergibt sich somit erst wieder im Sommer 2013…
…womit der Rekordmeister erneut mindestens fünf Jahre ohne Titel da steht. Der fünfte Platz, den Rapid aktuell in der Meisterschaft bekleidet ist ebenfalls leistungsgerecht. Die Qualifikation für einen internationalen Bewerb, also das Erreichen der obersten drei Plätze, wäre mit der aktuellen Elf eine kleine Sensation. Beim Cupspiel gegen eine gut eingestellte SV Ried wurde einmal mehr deutlich, wie gering die aktuelle Qualität der Grün-Weißen ist. Im Anschluss der Partie wurde außerdem veranschaulicht, wie niedrig die Ansprüche in Wien-Hütteldorf binnen weniger Jahre wurden. Aber alles der Reihe nach.
Salihi auf verlorenem Posten
Rapid präsentierte sich zunächst durchaus engagiert, aber völlig ideenlos. Einzig der agile Christopher Drazan und der langsam zu seiner Form findende Kapitän Steffen Hofmann spielten nahe ihrer Normalform. Alle anderen Spieler waren Licht und Schatten, so etwa Michael Schimpelsberger, der eine gute erste und schwache zweite Halbzeit absolvierte. Die Totalausfälle Rapids waren gestern im Sturm zu Hause: Guido Burgstaller lässt verständlicherweise noch Matchfitness vermissen, agiert oft sehr unglücklich. Hamdi Salihi hingegen war unsichtbar, bekam kaum Bälle. In der Öffentlichkeit bzw. auf den Tribünen wurden in den letzten Monaten immer wieder Rufe laut, dass der Albaner mit der beachtlichen Trefferquote spielen muss. Schließlich wüsste er wie man Tore macht. Das Problem, das die breite Masse nicht sieht: Wenn Salihi defensiv nicht antizipiert und sein Mittelfeld zu ideenlos ist, um ihm seine dringend benötigten Vorlagen zu liefern, kann auch der beste Knipser nichts ausrichten. Spielt Rapid zurzeit in einem 4-4-2-System und mit Salihi an vorderster Front, dann fühlt sich das aufgrund der eklatanten Unbeweglichkeit und des kleinen Aktionsradius des Albaners an, als würde man zu zehnt spielen.
Payer als defensives Grundproblem
Probleme gibt’s auch in der Abwehr: Mario Sonnleitner und Harald Pichler – eine zu hektisch agierende Konstellation ohne echten Chef – können als Innenverteidigerduo nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Auch Markus Katzer, der sich zuletzt verbessert zeigte, war gegen die SV Ried nicht mehr sattelfest, verlor unter anderem den entscheidenden Zweikampf vor dem 0:1 durch Thomas Hinum gegen den Spanier Nacho. Ein defensives Grundübel ist allerdings Torhüter Helge Payer. Der 32-jährige Welser, der mittlerweile seine elfte Saison für den SK Rapid bestreitet, stürzte innerhalb von sechs Jahren von einem der besten Keeper der Liga zum unterdurchschnittlichen Schlussmann ab. Jede Flanke des Gegners ist eine Gefahr und die Probleme mit Payers Strafraumbeherrschung werden nicht weniger, sondern immer offensichtlicher und schwerwiegender. Der Torhüter hält keine „Unhaltbaren“ mehr, was er etwa in der Meistersaison 2004/05 immer wieder bewerkstelligen konnte. Seine Präsenz im Strafraum ist mittlerweile katastrophal – zeigt sich der Interviewpartner Payer stets breitbrüstig und selbstbewusst, ist der Torhüter Payer ein scheues Mäuschen geworden. Obwohl abgefälscht und daher tückisch war auch das 0:1 nicht unhaltbar. Die allgemeine Unsicherheit des Rapid-Rückhalts, der eigentlich keiner mehr ist, färbt auf die Verteidiger ab. Man kann dem Rapid-Urgestein kaum noch vertrauen, dadurch wirken auch die Defensivspieler selbst verunsichert. Die Defensivprobleme Rapids beginnen also ganz hinten.
Hofmann angefressen
Im Mittelfeld fehlt es an spielerischer Klasse. Man versucht alle Verfehlungen mit Dynamik und Schnelligkeit wett zu machen, was jedoch nichts hilft, wenn entscheidende Pässe prinzipiell um ein bis zwei Meter ihr Ziel verfehlen (selbst wenn die Pässe einfacher nicht sein könnten). Es gibt niemanden im zentralen defensiven Mittelfeld, der Druck macht, einen Überraschungsmoment forciert. Markus Heikkinen ist ein Schatten seiner selbst, Thomas Prager noch lange nicht in Topform. Es hängt wieder einmal an Steffen Hofmann, der sich sehr verärgert darüber zeigte, dass man in den letzten Transferperioden nicht nachrüstete, keinen Spieler von Typ und Klasse eines Branko Boskovic verpflichtete, um den Kapitän im Mittelfeld zu entlasten. Auch ein damit verbundener Abgang des desillusionierten Kapitäns steht immer wieder im Raum.
Kein einziger Neuer half sofort
Recht hat Rapids 11er! Die Neuverpflichtungen entpuppen sich nun nach einigen Monaten allesamt als „Aufbauspieler“. Keiner aus dem mehr oder weniger regelmäßig spielenden Quartett Burgstaller, Alar, Prager und Pichler konnte Rapid auf Anhieb helfen. Schrammel und Novota verletzten sich schwer, Thonhofer wird bei Rapid ein ewiger Bank- oder Tribünenwärmer sein. Euphorisierten Fans, die sich nach dem Meistertitel 2007/08 eine weitere Verbesserung der Vereinsstruktur und des Kaders wünschten und erwarteten, wurde mit der Formation zu Beginn der Verlängerung gegen die SV Ried (nachdem Kapitän Steffen Hofmann ausgewechselt wurde) eine kalte Dusche verpasst:
Payer; Schimpelsberger, Sonnleitner, Pichler, Katzer; Heikkinen, Prager; Burgstaller, Drazan; Alar, Nuhiu.
Das ist es, was von einer Mannschaft übrig blieb, die vor ein bis zwei Jahren noch Fußballer wie Boskovic, Jelavic, Korkmaz, Kavlak, Hoffer oder Maierhofer in ihren Reihen hatte. Es ist eine Mannschaft, die qualitativ gerade mal gut genug ist, um den Kampf um die Plätze 4 bis 6 aufzunehmen. Das 1:2 gegen die SV Ried war eine weitere sportliche Bankrotterklärung und ein alarmierendes Signal dafür, dass sich bei Rapid etwas Grundlegendes ändern muss. Nicht nur weil der über die vollen 120 Minuten nahezu schockgelähmte Block West nach dem Abpfiff erneut den Kopf des Vorstands forderte, sondern auch aus sportlich-rationalen Gründen. Wenn Rapids Verantwortliche die lethargische, übervorsichtige und vor allem kurzsichtige Schiene weiter befahren, wird der Platzsturm vom 22.Mai nicht die einzige Entgleisung bleiben. Ein weiteres Jahr ohne Europacup-Teilnahme würde Rapids Führungsebene endgültig das Genick brechen. Und selbst Rapids wichtigste Mitarbeiter müssen sich beim Blick auf diese Aufstellung eingestehen: Um eine derartige Mannschaft zusammenzustellen braucht man kein achtstelliges Budget – das schaffen Innsbruck, Mattersburg und Co. auch…
Handlungsaufruf
Der Absturz des Rekordmeisters geht auch deshalb unaufhörlich weiter, weil man sich selbst nur zu gerne Mut zuspricht. Nach dem Cup-Spiel hieß es von Trainer Peter Schöttel, dass die Fans ein „ausgeglichenes Spiel“ sahen, das auch anders hätte enden können. Es endete aber nicht anders – daher unser Vorschlag wie das nächste Flashinterview nach einem ähnlichen Spiel aussehen könnte: „Ich entschuldige mich bei den Fans für dieses schreckliche Spiel und muss zugeben, dass wir aktuell nicht die Qualität besitzen, um eine Mannschaft wie Ried spielerisch zu beherrschen. In meiner Doppelfunktion als Trainer und Sportdirektor werde ich jedoch im Winter handeln und x neue Spieler nach Hütteldorf holen.“ – und ja, das kann er tatsächlich. Rapid ist nämlich finanziell flüssiger, als man es öffentlich zugibt…
Ried spielte so, wie man in Hütteldorf muss
Zu den positiveren Aspekten des gestrigen Cup-Nachmittags: Auch die SV Ried spielte keinen feinen Fußball, verkörperte aber alle Tugenden, die man braucht um im Hanappi-Stadion zu bestehen. Wie immer wechselte das typisch Gludovatz’sche 3-3-3-1-System in Rückwärtsbewegung in ein 5-4-1, was Rapid das Flügelspiel sehr schwer machte. Selbst wenn die Grün-Weißen an den Außenbahnen durchbrechen konnten, wurde die Flanke von einem der gut stehenden Rieder Verteidiger aus der Gefahrenzone geköpft. Ried nützte die Schwächen der Rapidler mit großer Konsequenz und Effizienz, fuhr somit als verdienter Sieger zurück ins Innviertel.
Supertore von Drazan und Hadzic
Last but not least: Tore, wie sie Christopher Drazan und Anel Hadzic in diesem Spiel erzielten, fallen nicht alle Tage. Drazan drosch eine Burgstaller-Vorarbeit volley mit links ins lange Kreuzeck. Hadzic machte es in der 114.Minute noch humorloser und knallte den Ball aus 30 Metern unter die Latte. Viel Spaß mit den schönen Treffern!
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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