Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (79): Liebe C.!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an keine Fußballpersönlichkeit im eigentlichen Sinn…

Liebe C.!

In diesen Zeiten muss man nehmen, was man bekommt: Sicher, als Journalist kriegt man immer irgendwie Karten für die Pressetribüne, aber wenn man Fußballspiele im Freundeskreis verfolgen will, gibt’s keine Extrawürscht‘ und man muss sich wie jeder andere um Plätze bemühen. Dieses Mal warst du so nett, dich um Tickets anzustellen, damit wir als erlesene Gruppe das Cupduell Austria gegen Sportclub verfolgen können. Leider waren deine Versuche vergeblich noch Restkarten für uns zu ergattern, weswegen wir das „kleine“ Wiener Derby vor dem Fernseher verfolgen mussten.

Die Veilchen haben sich schließlich zurecht mit 3:1 durchgesetzt, ein spielerisches Highlight haben wir jedoch nicht versäumt. Oder doch?

Liebe C., wir sind schon öfters zusammen in Hernals zu Gast gewesen. Wir lieben Unterhaus-Fußball, obwohl es oft mehr Kampf als Kunst ist. Aber es ist ein ehrliches Kräftemessen in einem Rahmen, der uns einfach gefällt. Am Freitagabend war der Rasen in Wien 17 jedoch ein Schlammschlachtfeld, auf dem die armen Akteure den Ball oft nicht richtig berechnen konnten. Es ist schade, dass dem Regionalligisten als Heimteam ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde. Sogar Herbert Prohaska, der Jahrhundert-Austrianer, sagte in der Analyse des Spiels, dass er die Sportclub-Anhänger immer bewundert hat: „Besonders die Friedhofstribüne“. Das feuchtfröhliche Rumrutschen, das stetige Unterstützen des Underdogs, der Goliath ins Ohr beißen möchte: Freitag stand der natürliche Reiz des Fußballs am Programm.

Doch weißt du, liebe C., warum wir gerne auf den Sportclub-Platz und nicht so oft in Bundesliga‑Stadien gehen? Was hat sich bei uns verändert? Wir sind älter und vielleicht auch reifer geworden und wollen nicht (mehr) im Auge des Orkans von negativem Bashing stehen oder Fußball als Produkt verkauft bekommen. Wir wollen aktive Zuschauer sein, aber keine Hardcore-Fans oder bloße Konsumenten. Fußball ist nicht unser Leben, kein Krieg, es ist unser ernstgemeintes Hobby. Natürlich dürfen Andere sich so ausleben, wie sie es wollen, aber es sollte Möglichkeiten für alle geben. Der Sportclub-Platz schafft diesen Raum mit eigener Atmosphäre. Das hat man auch an den Interviews der Protagonisten nach dem Spiel erkennen können. Da redete man sich nicht auf die schlechten Verhältnisse – die ja für beide Mannschaften gleichermaßen galten – raus und zollte dem Gegner Respekt. Die Alszeile scheint abzufärben. Nur die Organisation der Tickets könnten die Funktionäre der Schwarz-Weißen besser hinkriegen. Das war nicht gerade das Gelbe vom Ei – wie du Montagnachmittag am eigenen Leibe feststellen musstest. Deswegen – wegen des Zitterns und Schnupfens – geht dieser Brief an dich. Bis bald! Deine

Marie Samstag, abseits.at

Stefan Karger