Ende März hat ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer vermeint, dass dem Amateurfußball weiter jegliche Perspektive fehlt. Diese Momentaufnahme ist zu Ostern 2021 durchaus richtig gewesen und... Kommentar: Keine Perspektive ist auch eine Perspektive

Ende März hat ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer vermeint, dass dem Amateurfußball weiter jegliche Perspektive fehlt. Diese Momentaufnahme ist zu Ostern 2021 durchaus richtig gewesen und man nimmt diese mittlerweile auch sehr gelassen hin. An die emotionalen Rückschläge der Nichtöffnungsschritte im Bereich des Amateurfußballs hat man sich bereits gewöhnt und so kann man auch etwaige Zeitspannen, ob es in naher Zukunft etwas besser werden könnte, doch realistisch einschätzen.

Ostern 2020 war hingegen emotional sehr hart, zumal man vier Wochen zuvor aufgrund der COVID-19-Pandemie plötzlich aus dem gewohnten Umfeld gerissen wurde und es damals nur schwer fassbar war, dass das Zeit seines Lebens gewohnte Freizeitumfeld auf einmal nicht mehr existent war und Stadionbesuche, genauso wie das aktive Fußball spielen, an sich auf unbestimmte Zeit aufgeschoben waren. Bei frühlingshaftem Wetter im Mai 2020 waren die Geisterspiele in der deutschen Bundesliga und die Wiederaufnahme des Amateurfußballs in Tschechien die bedeutenden Schritte zurück in eine zuvor als selbstverständlich wahrgenommene und gewohnte Normalität.

Diese Normalität war allerdings im vergangenen Sommer und Herbst nur von kurzer Dauer. Stadionbesuche waren sowieso nur mit enorm eingeschränkten Kapazitäten möglich und der Amateurfußball steht spätestens seit Anfang November 2020 fast überall in Europa still. Zu Ostern 2021 ist die Situation ähnlich der des letzten Jahres, denn trainieren oder aktives Fußballspielen ist nicht erlaubt und auch auf einen Stadion- oder Sportplatzbesuch muss nach wie vor verzichtet werden.

Doch der Profifußball zeigt sich mittlerweile von der Pandemie völlig unbeeindruckt. Es ist schon vor COVID-19 im internationalen Fußball vieles austauschbar gewesen. Die Normalität der Geisterspiele ließ wohl bei einigen das letzte Interesse an diesem endgültig im Keim ersticken. Bei vielen hat sich somit ein in den letzten Jahren eingesetzter Prozess abgeschlossen. Fernsehrechte, Investoren sowie stereotype Vereine und Spieler haben die Fans immer mehr ins Hintertreffen gebracht. Wer als Verein im modernen Fußball-Business nicht mitziehen will oder kann, bleibt übrig. Beispiele hierfür findet man schnell und zahlreich auf allen Ebenen. Im internationalen Profifußball verdeutlicht dies der Wandel der Champions League massiv.

Persönlich war ich vor der COVID-19-Pandemie schon weit vom Profifußball entfernt. Seit längerem könnte ich das Gras im Stadion nicht mehr riechen und selbst im Fernsehen wurden die Spiele auch immer weniger verfolgt. Doch seit über einem Jahr lassen mich auch die nationalen Tragödien im Fußball kalt. Das sang- und klanglose Ausscheiden den österreichischen Vertreter in der K.O.-Phase der Europa League und die endgültige Bankrotterklärung des Nationalteams im Heimspiel gegen Dänemark verschwinden somit bald wieder aus meinem Gedächtnis. Es bleiben hingegen andere Umstände in Erinnerung. So in etwa, dass Österreich in Schottland fast ohne deutsche Legionäre antreten hätte müssen, weil deutsche Vereine aufgrund der deutschen Quarantäneregelungen keine Abstellungspflicht in Risikogebiete hatten und das Vereinigte Königreiche bis Mitte März eben als ein solches galt. Schon einen Monat zuvor führten Einreisebestimmungen in bestimmten Ländern zu einer Reisetätigkeit von den internationalen Bewerben noch tätigen Vereinen, die im Zuge der europaweiten Pandemie eigentlich verhindert werden sollte. So musste der norwegische Verein Molde FK aufgrund der strengen Einreisebestimmungen seines Landes gegen die deutsche TSG Hoffenheim in Spanien spielen, während der spanische Vertreter Real Sociedad gegen Manchester United aufgrund restriktiver spanischer Einreisebestimmungen gegen Personen aus dem Vereinigte Königreich im italienischen Turin antrat. Die österreichischen Einreisebestimmungen gegen das Vereinigte Königreich trafen auch den WAC, der sein Heimspiel gegen Tottenham Hotspur in Budapest austrug, obgleich die Londoner in Österreich nur nicht landen hätten dürfen. Nach Slowenien fliegen und mittels Bus nach Klagenfurt zu fahren, wäre hingegen erlaubt gewesen.

In Budapest spielten aufgrund der Einreise- und Quarantänebestimmungen in Sachsen auch der FC Liverpool und RB Leipzig beide Partien dieses K.O.-Duells in der Champions League. Auch wenn beide Teams über die Spielortsverlegung einig waren, gab es für Leipzig eine Strafe in Form einer in den UEFA-Regularien vorgesehenen millionenschweren Kompensationszahlung, weil Liverpool aufgrund der deutschen Einreisebestimmungen sein Heimspiel in der ungarischen Hauptstadt austrug. Eine praktikable Nachvollziehbarkeit dieser Bestimmungen und der einhergehenden Wandertätigkeiten war da bei vielen wohl nicht mehr gegeben.

Es wird deutlich, dass es wichtig ist, dass Gewinne weiterhin eingefahren werden. Solange für die teure erkauften Übertragungsrechte gezahlt wird, muss geliefert werden. Wichtig ist, dass die Fernsehgeräte an sind, ob dann tatsächlich jemand davorsitzt, ist jedenfalls Nebensache. Es zeigt sich in der Pandemie ganz deutlich, dass sich die Blase Profifußball noch weiter und schneller von den Fans und wirklich Fußballbegeisterten wegbewegt.

Offen bleibt, ob Profifußballer und deren Stab, die seit einem Jahr in einer „Bubble“ leben und immer getestet werden, nun auf einmal eine Gefahr zur Verbreitung von Viren sind. Es ist leider Letzteres anzunehmen, zumal es immer wieder Fälle im Bereich der Profifußballer gibt und diese „Bubble“ doch durchlässiger ist – wie die Fälle durch die positiv getesteten italienischen Nationalspieler bei der Rückkehr vom letzten Lehrgang zu ihren Clubs gezeigt haben –, als gedacht. Zuletzt sorgte auch die UEFA für Aufsehen, die in weniger als zwei Monaten die EURO in teils vollen Stadien abhalten möchte. Während ganz Europa zu diesem Zeitpunkt noch weit weg von einer Vollimmunisierung sein wird, wird sich COVID-19 weder durch PCR-Tests noch von den zahlreichen Flugreisenden abschrecken lassen und fröhlich über ganz Europa weiterverteilt werden.

Im Amateurfußball stellt sich die Situation völlig differenziert dar. Spätestens seit Anfang November 2020 ruht hier in weiten Teilen Europas der Ball. So wie bei den zahlreichen Spielern und noch zahlreicheren Sportplatzbesuchern, ist es auch bei mir ist es mittlerweile schon wieder über fünf Monate her, dass man das Gefühl auf einem Sportplatz zu sein, genießen konnte. Es werden wohl noch mindestens zwei weitere Monate vergehen, bis es wieder so weit ist, dass man wieder auf den Sportplatz gehen kann.

Der Optimismus, dass sich die Lage nach Weihnachten 2020 wieder ändern würde und man mit vollem Elan auch noch die vom Herbst nachzuholenden Spiele im Februar 2021 austragen können wird, erfüllte sich leider nicht. Seitens der Politik gab es hier etwa durch die geplante „Freitestmöglichkeit“ Mitte Jänner und dem Sportgipfel Anfang März einige Hoffnungsschimmer, dass der Kontaktsport wiederaufgenommen werden würde. Auch wenn sich diese Hoffnungen seitens der Politik – abgesehen von kontaktlosem Training für Schulkinder –leider nicht erfüllten, kann man der Politik keinen Vorwurf an der derzeitigen Situation machen. Dass der Spielbetrieb nicht hochgefahren wurde, stellte sich mittlerweile sogar als Glücksfall heraus, denn im März überrollte eine weitere COVID-19-Welle weite Teile Europas. Dass hierfür insbesondere die Britische Mutation verantwortlich war, entbehrt auch nicht einer gewissen Komik, zumal gerade in Großbritannien der Fortschritt bei den Impfungen so groß war, dass bereits erste Öffnungsschritte im Bereich des Sports gesetzt worden sind und Zuschauer auch bald wohl wieder bei großen Bewerbsspielen zugelassen sein werden.

Hierzulande sind die Zahlen leider zu hoch und die Intensivbetten zu voll, um solche Gedankenspiele anstreben zu können. Das einzige Gedankenspiel, das zulässig ist, ist jenes, dass spätestens ab Ende März ein hochgefahrener Spielbetrieb im Amateurfußball sowieso wieder zum Pausieren gezwungen worden wäre. Viele Landesverbände sind realistisch und haben nach der Absage der kompletten Frühjahrssaison bereits ein Ultimatum gesetzt, ab wann Kontaktsport wieder zugelassen werden muss, um zumindest die Herbstsaison noch durchboxen zu können, damit diese Saison gewertet werden könnte. Doch man muss hierbei Realist bleiben und sich damit auseinandersetzen, dass es zumindest in den meisten Bundesländern wohl einen erneuten Saisonabbruch geben wird und so werden wohl noch einige Bundesländer dem Beispiel Niederösterreichs folgen, wo die heurige Saison bereits abgebrochen wurde. Im Optimalfall könnte Ende Mai/Anfang Juni der Spielbetrieb wiederaufgenommen werden und dafür ist Nutzen der Vereine, die davor auch eine vierwöchige Vorbereitung machen müssten, doch eher gering.

Die meisten Landesverbände haben immerhin schon angekündigt, dass in dieser Saison auf Absteiger verzichtet wird. In der Aufstiegsfrage ist man sich hingegen noch uneins. Ein uneingeschränktes Aufstiegsrecht ist – so wie ein völliger Verzicht auf Aufsteiger –, wohl die einfachste Variante, aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Jedenfalls sollte es eine Lösung mit pragmatischen Ansatz für Vereine geben, die bereits zum zweiten Mal ihre Spielklasse zum (etwaigen) Abbruchzeitpunkt überlegen angeführt haben und die ein weiteres Mal unverschuldet um die Früchte ihrer Arbeit gebracht wurden.

Eine rosige Perspektive gibt es derzeit im österreichischen Amateurfußball daher nicht wirklich. Doch man sollte die Dinge nicht allzu negativ sehen, denn bezüglich Test- und Impfkapazitäten hat Österreich seine Hausaufgaben im Jahr 2021 doch ordentlich erledigt und auch diese Welle, die andere Länder Europas viel stärker getroffen hat, wird wieder abflachen. Bis dem so weit ist, wird sich auch bald die Durchimpfungsrate auf ein Niveau begeben, dass die Intensivbetten durch COVID-19-Fälle nicht mehr belastet werden. Jedenfalls kann man positiv in den Juli blicken, wo das Schlimmste wohl überstanden ist und der Amateurfußball wohl wieder seinen Spielbetrieb aufnehmen wird können. Dass dem auch wirklich so sein kann, dafür kann bald jeder von uns etwas beitragen, in dem er sich gegen COVID-19 impfen lässt, zumal in naher Zukunft die Impfung wohl für jedermann zugänglich sein wird. So haben wir es auch bald überstanden, dass wir im Amateurfußball keine Perspektive mehr haben.

Heffridge, abseits.at

Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.

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