Politische Bezirke haben die österreichische Fußballlandschaft bis dato noch nicht wirklich beeinflusst. Zwar hat jedes Bundesland seinen eigenen Fußballverband, aber die Bezirksgrenzen folgen, selbst... Niederösterreich und seine Bezirkshauptstädte (5) – Aufwärtstrend nach langen Durststrecken

Politische Bezirke haben die österreichische Fußballlandschaft bis dato noch nicht wirklich beeinflusst. Zwar hat jedes Bundesland seinen eigenen Fußballverband, aber die Bezirksgrenzen folgen, selbst wenn es in manchen Bundesländern Bezirksligen bzw. Bezirksklassen gibt, nicht diesen Grenzen. Sie sind für einen Bürger auch nur relevant, wenn er verwaltungsrechtliche Angelegenheiten zu erledigen hat und im Alltag wohl nur auf den Autokennzeichen ein sichtbarerer Begleiter.

Doch im Jahr 2020 war so vieles anders und so wurden in diesem im niederösterreichischen Fußball die Bezirksgrenzen auf einmal relevant, weil die niederösterreichische Landesregierung verordnete, dass innerhalb den Bezirken, auf denen die Coronaampel auf orange oder rot steht, keine Zuschauer bei Fußballspielen zugelassen sind. So beschäftige ich mich letzten Herbst emsig mit den Bezirksgrenzen und stellte dabei fest, dass ich mit dem Besuch in Scheibbs in jeder Bezirkshauptstadt bzw. Statutarstadt des Bundeslandes ein Spiel gesehen habe. Doch da ging mir auch der Gedanke durch den Kopf, ob die Bezirkshauptstadt auch zugleich das Fußballzentrum des Bezirks ist und wenn nicht, in welcher Spielklasse kickt dann der jeweilige Verein der Bezirkshauptstadt bzw. der bestplatzierte Verein des Bezirks.

So entstand ein der Bericht, der ein kurzweiliges Eintauchen in eine regionale Fußballwelt, gepaart mit etwas Geographie und ein wenig Geschichte darstellen soll.

Der „Bezirk“ Waidhofen an der Ybbs (WY) – SG Waidhofen/Ybbs

Bei Waidhofen an der Ybbs stechen einem die Anführungszeichen bei Bezirk sofort ins Auge, ist Waidhofen an der Ybbs doch eine Statutarstadt und der Terminus Bezirk nicht wirklich auf diese anwendbar. Im Vergleich zu den drei anderen Statutarstädten des Bundeslandes hat Waidhofen nämlich keinen dazugehörigen Umlandbezirk, zumal die Gebiete nördlich und südlich der Stadt allesamt zum Bezirk Amstetten gehören.

Dadurch muss man auch nicht ziemlich lange überlegen, welcher Verein in der knapp über 11.000 Einwohner zählenden Stadt im Mostviertel am höchsten spielt, denn es gibt seit 1973 überhaupt nur mehr einen Verein in Waidhofen an der Ybbs. Damals entstand aus einer Fusion des 1. Waidhofner Sportklubs und Union Waidhofen der FC Waidhofen/Ybbs. Drei Jahre nach der Gründung stieg der Verein in die drittklassige Regionalliga Ost auf. Bis zur vorübergehenden Auflösung der Liga in der Saison 1979/80 war der FC auch ein Bestandteil dieser. Nach dem 1985 die Regionalliga Ost wiedereingeführt wurde, dauerte es acht weitere Jahre, bist der FC Waidhofen wieder Meister in der Landesliga wurde und somit zum zweiten Mal den Aufstieg in dritthöchste Spielklasse feiern konnte. Dort spielte man bis Sommer 2011 ununterbrochen und konnte in der Saison 2009/10 sogar den größten Erfolg der Vereinsgeschichte zu verzeichnen, als der FC Waidhofen/Ybbs Meister der Regionalliga Ost wurde.

Aus finanziellen Gründen verzichtete der Verein 2010 nicht nur auf den möglichen Aufstieg in die 2.Liga, sondern entschloss sich im Sommer 2011 auch dazu, freiwillig aus der Regionalliga Ost abzusteigen. Daraufhin verließ die gesamte Mannschaft den Verein, der danach kurz vor der Auflösung stand. Das Dilemma wurde dann dahingehend gelöst, dass der SC Waidhofen gegründet wurde, der sogleich eine Spielgemeinschaft mit dem FC Waidhofen einging. Unter dem Namen SG Waidhofen/Ybbs stieg der Verein dann in der 2. Klasse Ybbstal ein. Danach folgten ziemlich enthaltsame Fußballjahre im Waidhofner Alpenstadion, das erst zur Jahrtausendwende generalsaniert wurde und 3.000 Besuchern Platz bietet.

Zwar konnte Waidhofen bereits im Jahr 2013 wieder aufsteigen, doch man stieg danach gleich wieder aus der 1.Klasse West ab und gewann die 2.Klasse Ybbstal im Jahr 2015 ein weiteres Mal. Seither spielte man in der 1.Klasse West auch meist gegen den Abstieg. Doch in dieser Saison ist alles anders. Die SG Waidhofen an der Ybbs führt noch ohne Punktverlust überlegen die 1.Klasse West an und alles andere als ein Aufstieg in die Gebietsliga West wäre eine große Überraschung.

Eine zweite Mannschaft gibt es aber dennoch zu erwähnen. Dies ist der 1969 gegründete SV Gaflenz. Nur wenige Kilometer westlich von Waidhofen an der Ybbs gelegen, befindet sich Gaflenz bereits in Oberösterreich. Im dortigen Fußballverband wollte der Verein auch ab 1981 am Meisterschaftsspielbetrieb teilnehmen. Da er keine drei Mannschaften (Kampfmannschaft, Reserve und Junioren) stellen konnte, wurde er nicht zugelassen. Der Verein stellte daher ein weiteres Ansuchen an den Niederösterreichischen Fußballverband, der dem Verein entgegenkam und ihn in die 2. Klasse Ybbstal eingliederte.

Nach mehreren Aufstiegen über die Jahre, gelang im Spieljahr 2007/08 der Aufstieg in die niederösterreichische Landesliga. Dort wurde man gleich auf Anhieb Meister. Damit wurde man nicht nur als erster oberösterreichischer Verein Niederösterreichischer Meister, sondern auch erster oberösterreichischer Teilnehmer an der Regionalliga Ost.

Doch schon bald musste der Verein wieder den Gang in die Landesliga antreten. Durch den Gewinn des Meistertitels 2009 stieg der SV Gaflenz erneut in die Regionalliga Ost auf und nahm somit ab der Saison 2009/10 an der dritthöchsten Leistungsklasse teil. Nach dem erneuten Abstieg aus der Regionalliga Ost war der Verein jedoch wieder jahrelang ein fixer Bestandteil in der niederösterreichischen Landesliga.

In diesem Jahr zog man sich aus der vierthöchsten Spielklasse zurück und begann wieder in der 2.Klasse Ybbstal. Das Engagement in der letzten Leistungsstufe war bislang noch nicht von Erfolg gekrönt, denn mit gerade einmal zwei erspielten Punkten ziert man dort das Tabellenende.

Der Bezirk Neunkirchen (NK) – SC Neunkirchen

In Neunkirchen wird auch bereits seit über 100 Jahren Fußball gespielt. 1913 wurde der SC Neunkirchen offiziell gegründet und man nahm nach dem ersten Weltkrieg am geregelten Meisterschaftsbetrieb teil. In den 1950er Jahren hatte man aber gegen die Werksmannschaften aus dem benachbarten Ternitz und Wimpassing das Nachsehen, sodass man den Verein sogar kurze Zeit vom Meisterschaftsbetrieb abmeldete. Doch es ging danach auch wieder mit dem Fußball in Neunkirchen aufwärts und so konnte im Jahr 1973 der Aufstieg in die Landesliga erreicht werden.

1984 kam es zum Abstieg in die 2. Landesliga und zehn Jahre später musste der SC Neunkirchen sogar den Gang eine weitere Klasse tiefer, in die Unterliga, antreten. Eine Erfolgsära sollte es wieder um die Jahrtausendwende geben. Zu dieser Zeit marschierte der SC Neunkirchen von der 1.Klasse in die 2.Landesliga durch. 2005 stieg der SC Neunkirchen in die viertklassige Landesliga auf und belegte dort in der ersten Saison den achtbaren achten Tabellenplatz. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit dem Verein. Im Dezember 2005 stirbt überraschend Herbert Kautz, der nicht nur Bürgermeister und Landtagsabgeordneter war, sondern auch jahrelang als Obmann sowie als Präsident und Ehrenobmann im Verein tätig war. Da sich kein Nachfolger fand, der den Verein auf diesem Niveau weiterführen konnte, rutschte der SC Neunkirchen nahezu jährlich eine Liga weiter in die Bedeutungslosigkeit ab. Der Tiefpunkt war sicher die Saison 2010/11, in der man in die 2. Klasse Wechsel als Tabellenschlusslicht beendete. Auch in der Saison 2011/12 kam Neunkirchen nicht über einen 12. Platz in dieser Liga hinaus.

Sportlich sollte noch einige magere Jahre in der letzten Spielklasse folgen, jedoch schaffte man es den Verein im Hintergrund wieder finanziell auf gesunde Beine zu stellen und investierte in den Nachwuchs, um in absehbarer Zeit wieder zu einem Standort im niederösterreichischen Fußball zu werden, der es einer Bezirkshauptstadt mit über 12.000 Einwohnern würdig ist. 2019 konnten erstmals die Früchte dieses Konzepts geerntet werden, denn man schaffte den Aufstieg in die 1.Klasse Süd. Dort befindet man sich in der aktuellen Saison auch in Spitzengruppe. Die Trendwende wurde beim SC Neunkirchen mit Sicherheit geschafft und es sollten sich wieder bessere Zeiten in Niederösterreichs südlichster Bezirkshauptstadt einstellen. Derzeit gibt es in Neunkirchen jedoch noch einiges an Luft nach oben.

Aktuell ist der USV Scheiblingkirchen/Warth das Maß aller Dinge im Bezirk Neunkirchen. Der Verein aus der Wechselregion liegt derzeit an zweiter Stelle in der Landesliga und ist nach Verlustpunkten sogar Tabellenführer. Dass man in Scheiblingkirchen einmal an die Tür zur Regionalliga Ost klopfen wird, vermuteten bei der Vereinsgründung im Jahr 1950 nur die wenigsten. Doch der Verein ging Ende der 2000er Jahre eine Spielgemeinschaft mit der SVg Pitten ein und schaffte es so binnen kürzester Zeit von der 1.Klasse Süd in die 2.Landesliga Ost. Bis 2017 spielte man, schon längst wieder als eigenständiger Verein, in dieser Liga, ehe der Aufstieg in die Landesliga gelang, in der man auch heute noch sehr erfolgreich unterwegs ist.

Der derzeitige Tabellenführer der 2.Landsliga Ost stammt mit dem SV Gloggnitz ebenfalls aus dem Bezirk Neunkirchen. Die Gloggnitzer können ihrerseits schon auf Erstligaerfahrung zurückgreifen, zumal sie in der Saison 1949/50 in der Staatsliga A spielten. Doch in den folgenden Jahrzehnten kam es auch hier zu einem sportlichen Absturz, von dem man sich erst wieder in den 1980er Jahren erholte. Damals konnte man sogar ein Jahr wieder in die Landesliga aufsteigen. Es folgten danach aber wieder zahlreiche Jahre in der 2.Landesliga, in der Gebietsliga und sogar in der 1.Klasse.

Nach dem Meistertitel in der Gebietsliga Süd/Südost in der Saison 2017/2018 spielt der SV Gloggnitz seither wieder in der 2. Landesliga Ost. Im Juni 2019 wurde der SV Gloggnitz NÖ-Cupsieger und ist daher noch immer der aktuelle Titelträger in diesem Bewerb.

Ebenfalls in der 2.Landeliga Ost spielt die SVg Breitenau/Schwazau, die aus einer Fusion bereits im Jahr 1954 entstanden ist. Sportlich machte man aber erst in der jüngeren Geschichte wirklich auf sich aufmerksam. 2014 wurde man Meister in der 1.Klasse Süd und 2019 schaffte dann den weiteren Aufstieg aus der Gebietsliga in die 2.Landesliga Ost. In dieser ist man zwar im unteren Tabellendrittel klassiert, hat aber alle Möglichkeiten den Abstieg zu vermeiden.

Sonstige Vereine des Bezirks spielen allesamt in der ersten oder zweiten Klasse. Unter anderem auch der ASK Ternitz, der aus der bevölkerungsreichsten Stadt des Bezirks stammt.

Der Bezirk Hollabrunn (HL) – ATSV Hollabrunn

„Hollabrunn is hoit a Hondboistodt!“ Dieses Zitat beschreibt es wohl am besten, dass man 12.000 Einwohner großen Bezirkshauptstadt nur einen Verein hat, der in der 2.Klasse Donau mitspielt. In dieser, doch starken 2.Klasse, ist der ATSV Hollabrunn heuer immer an zweiter Stelle und somit noch im Rennen um einen Aufstiegsplatz. In der 2.Klasse Pulkautal/Schmidatal, wo sonst nahezu alle Vereine des Bezirks in dieser Spielklasse tätig sind, würde der ATSV wohl durchmarsschieren, aber der NÖFV kann sich eben nicht an die Grenzen der politischen Bezirke halten, gibt es doch weniger 2.Klassen als Bezirke und haben diese Bezirke auch noch eine unterschiedliche Größe und Einwohnerdichte.

In Hollabrunn existierten sogar fast über 60 Jahre lang zwei Vereine, ehe man sich im Jahr 2007 dazu entschloss, die Kräfte zu bündeln und man als FK Blau-Weiß Hollabrunn versuchte, dass aus der Bezirkshauptstadt doch auch noch eine Fußballhauptstadt wird. 2008 wurde man überlegen Meister in der 2.Klasse Donau und zwei Jahre später wurde man auch Meister in der 1.Klasse Nordwest. Nach dem Aufstieg in die Gebietsliga wurde man dort gleich Vizemeister und holte somit die beste Platzierung in der jüngeren Hollabrunner Fußballgeschichte. 2014 stieg man als Tabellenletzter wieder in die 1.Klasse ab und machte gleich einen Durchmarsch in die damals noch existierende 2.Klasse Schmidatal.

Nach einem Jahr war dann Schluss mit dem FK Hollabrunn und man spielt seither wieder unter dem Namen ATSV Hollabrunn. Mit mäßigem Erfolg, denn man belegte in der Saison 2016/17 in der 2.Klasse Schmidatal nur den vorletzten Endrang in der Tabelle. Seit 2018 spielt man wieder in der 2.Klasse Donau um Punkte.

Kurioserweise kommt die beste Mannschaft der Stadt eigentlich aus Horn, zumal der SV Horn für seine in der Gebietsliga spielenden Amateure und seinen Nachwuchs die ehemalige Frank-Stronach-Akademie in Hollabrunn zum Nachwuchsleistungszentrum des Zweitligisten umfunktioniert hat.

Doch im Bezirk Hollabrunn, der in den letzten Jahren auch zahlreiche Vereine durch Spielbetriebseinstellungen verloren hat, ist fußballerisch bei Weitem nicht alles trist. Dafür sorgt vor allem der SC Retz. Die Geschichte des Retzer Fußballs geht bis in Jahr 1921 zurück, doch den Namen SC Retz gibt es erst seit 1956, als sich der ATSV Retz und die Union Retz zusammenschlossen. Doch die ersten Jahrzehnte des SC Retz spielen sich zumeist in den unteren Spielklassen ab, ehe man Ende der 1980er Jahre einen Aufschwung erlebte und 1994 sogar Meister der 2.Landesliga West wurde. Dadurch steig der SC Retz erstmals in die Landesliga auf. In dieser dauerte es 18 Jahre lang, bis in der Saison 2011/12 ein weiterer Meistertitel eingefahren werden konnte. Mit dem damit verbundenen Aufstieg in die Regionalliga Ost wurde der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte gefeiert. Zwei Jahre später musst man jedoch wieder in die Landesliga absteigen. Dort macht man allerdings seither eine gute Figur und ist meistens im oberen Tabellendrittel klassiert. So auch in dieser Saison, wo man nach acht Spielen noch ungeschlagen ist.

Die Nummer zwei im Bezirk Hollabrunn ist übrigens der in der Gebietsliga Nord/Nordwest spielende SK Wullersdorf. Bis vor zehn Jahren feierte der 1969 gegründete Verein kaum nennenswerte Erfolge. 2011 und 2013 wurde man immerhin Meister in der 2.Klasse Pulkautal. 2018 konnte man auf der modernisierten Karl Amon-Sportanlage auch den Aufstieg in die Gebietsliga Nord/Nordwest miterleben, in der der Verein auch heute noch erfolgreich spielt. Als kleines Kuriosum am Rande, ließ der ehemalige Bundesligatormann Szabolcs Sáfár mit weit über 40 seine Karriere in Wullersdorf, wo er bis Sommer 2019 noch Stammkeeper war, ausklingen.

Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.