Politische Bezirke haben die österreichische Fußballlandschaft bis dato noch nicht wirklich beeinflusst. Zwar hat jedes Bundesland seinen eigenen Fußballverband, aber die Bezirksgrenzen folgen, selbst... Niederösterreich und seine Bezirkshauptstädte (6) – Die Schlusslichter

Politische Bezirke haben die österreichische Fußballlandschaft bis dato noch nicht wirklich beeinflusst. Zwar hat jedes Bundesland seinen eigenen Fußballverband, aber die Bezirksgrenzen folgen, selbst wenn es in manchen Bundesländern Bezirksligen bzw. Bezirksklassen gibt, nicht diesen Grenzen. Sie sind für einen Bürger auch nur relevant, wenn er verwaltungsrechtliche Angelegenheiten zu erledigen hat und im Alltag wohl nur auf den Autokennzeichen ein sichtbarerer Begleiter.

Doch im Jahr 2020 war so vieles anders und so wurden in diesem im niederösterreichischen Fußball die Bezirksgrenzen auf einmal relevant, weil die niederösterreichische Landesregierung verordnete, dass innerhalb den Bezirken, auf denen die Coronaampel auf orange oder rot steht, keine Zuschauer bei Fußballspielen zugelassen sind. So beschäftige ich mich letzten Herbst emsig mit den Bezirksgrenzen und stellte dabei fest, dass ich mit dem Besuch in Scheibbs in jeder Bezirkshauptstadt bzw. Statutarstadt des Bundeslandes ein Spiel gesehen habe. Doch da ging mir auch der Gedanke durch den Kopf, ob die Bezirkshauptstadt auch zugleich das Fußballzentrum des Bezirks ist und wenn nicht, in welcher Spielklasse kickt dann der jeweilige Verein der Bezirkshauptstadt bzw. der bestplatzierte Verein des Bezirks.

So entstand ein der Bericht, der ein kurzweiliges Eintauchen in eine regionale Fußballwelt, gepaart mit etwas Geographie und ein wenig Geschichte darstellen soll. Zum Abschluss sehen wir uns die Schlusslichzer an – Wo in der Bezirkshauptstadt die 2.Klasse Alltag ist:

Der Bezirk Scheibbs (SB) – SV Scheibbs

SV Scheibbs hatte in der jüngeren Geschichte der letzten 20 Jahre nicht wirklich viel zu lachen. Im Jahr 2006 musste man aus der fünftklassigen 2.Landesliga West absteigen und nur zwei Jahre später erfolgte ein weiterer Abstieg aus der Gebietsliga West. In der 1.Klasse West konnte man im Jahr 2013 zwar noch Vizemeister werden, zwei Jahre später musste man allerdings den Gang in die 2.Klasse Alpenvorland antreten. In der Saison 2016/17 konnte man dieser Liga zwar entfliehen, aber auch nur, weil man eine Saison in der 2.Klasse Ybbstal eingeteilt war. In der Vorsaison war man zum Abbruch der Meisterschaft Tabellenführer der 2.Klasse Alpenvorland, doch die Corona-Pandemie machte den Bezirkshauptstädtern bezüglich eines möglichen Aufstieges in die 1.Klasse West einen Strich durch die Rechnung. Da die diesjährige Herbstsaison auch so gar nicht nach Wunsch verlief, muss das Thema Aufstieg auch in der aktuellen Saison wohl schon wieder ad acta gelegt werden.

Die zur Jahrtausendwende noch innegehabte Vormachtstellung des SV Scheibbs ist somit passé. Im eher dünn besiedelten Bezirk, dessen Einwohner meist entlang des Erlauftals leben, befinden sich die fußballerischen Zentren wenige Kilometer nördlich der Bezirkshauptstadt, nämlich in Purgstall und Wieselburg.

Der SV Wieselburg wurde zwar bereits 1934 gegründet, hatte jedoch nur Meistertitel der 1. und 2.Klasse in seiner Vita vorzuweisen. Auch wenn die Ligen damals nicht derselben Nomenklatur wie heute folgten, blieben die ganz großen Erfolge aus. Nachdem man 2011 erneute Meister in der 1.Klasse West wurde, konnte man drei Jahre später den Aufstieg von der Gebietsliga West in die 2.Landesliga West feiern. In dieser konnte man gleich als Aufsteiger den Vizemeistertitel einfahren. Aktuell spielt man noch immer in der 2.Landesliga West, wo man derzeit an vierte Stelle liegt. Damit ist die Nummer eins im Bezirk und löste die SVg Purgstall, die in der Vorsaison dasselbe Schicksal wie der SV Scheibbs erlitt, denn man war zum Abbruch der Saison sogar der Tabellenführer der 2.Landesliga West, ab.

Purgstall, das sich zwischen Wieselburg und Scheibbs befindet und der Heimatort von Paul Scharner ist, befindet sich in der aktuellen Saison an sechster Stelle in der 2.Landesliga West. Erst im Jahr 2019 steig man aus der Gebietsliga West auf, wo man zum meisterschaftsentscheidenden Spiel gegen den ASK Kematen an der Ybbs im Fliederstadion 800 Besucher empfangen konnte. Dies war der Höhepunkt eines Erfolgslaufs des Vereins der 2015 mit dem Gewinn der 2.Klasse Alpenvorland startete und 2016 mit dem Meistertitel in der 1.Klasse West sowie des Gewinns des NÖ-Landescups fortgesetzt wurde. Doch zuvor war der Verein seit 2008 nur in der 2.Klasse, nachdem der Ausflug in die Gebietsliga West in der Saison 2006/07 mit einem Durchmarsch ganz nach unten endete.

Nummer drei im Bezirk ist der SV Oberndorf. Der Verein aus dem Dorf an der Melk spielt aktuell in der sechstklassigen Gebietsliga West, wo man im Mittelfeld klassiert ist. Dort spielt Oberndorf übrigens schon seit 2012, nachdem der Verein gleich ein Jahr nach dem Wiederaufstieg in die 2.Landesiga West wieder abgestiegen ist. In dieser spielte man zuvor viele Jahre erfolgreich. In den Saisonen von 1996/97 bis 1998/99 spielte Oberndorf sogar einige Saisonen in der niederösterreichischen Landeliga mit und war damit auch für kurze Zeit die Nummer eins im Bezirk.

Der Bezirk Gänserndorf (GF) – SV OMV Gänserndorf

Gänserndorf ist zwar ein einwohnerstarker und flächenmäßig großer Bezirk und verfügt mit der nahezu 12.000 Einwohner zählenden Bezirkshauptstadt auch über eine Stadt, die nicht zu den kleinsten im Bundesland zählt, jedoch war man im Fußball noch nie wirklich erfolgreich. Zwar existiert in Gänserndorf schon seit 1919 ein Verein, der als SC Gänserndorf gegründet wurde und 1959 in SV OMV Gänserndorf umbenannt wurde, weil der Mineralölkonzern mit seinem Einstieg den Verein damals rettete. In den 1970er Jahren hatte der Verein seine Hochblüte und spielte sogar in der Oberliga Ost mit. In den 1990er Jahren erfolgten dann die Absteige in die 1.Klasse Nord (1993) und 2.Klasse Marchfeld (1999). Zwar schaffte man den sofortigen Wiederaufstieg in die 1.Klasse Nord, doch seit dem erneuten Abstieg im Jahr 2005 spielt man ununterbrochen in der 2.Klasse Marchfeld, wo man aktuell, wie so oft, im Mittelfeld der Tabelle klassiert ist.

Mit dem FC OMV Gänserndorf Süd gibt es noch einen zweiten Gänserndorfer Verein in der 2.Klasse Marchfeld. Der Verein stammt aus der gleichnamigen Siedlung Gänserndorf Süd, die sich allerdings weiter von Gänserndorf entfernt befindet, als so mancher Nachbarort der Bezirkshauptstadt. Sportlich hat man allerdings nicht sehr viel zu melden, ziert man doch meist das Tabellenende der 2.Klasse Marchfeld. Siege feiert man kaum und man kassiert in einer Saison weit über 100 Gegentore.

Im Marchfeld befinden sich aber auch die Fußballzentren des Bezirks. Eines davon war in Untersiebenbrunn. Der 1932 gegründete SC Untersiebenbrunn war seit den 1970er Jahren der erfolgreichste Verein des Marchfelds und spielte seither immer in der Regional- oder in der Landesliga. 1996 gelang ein Wiederaufstieg in die Regionalliga Ost. Zwei Jahre später wurde man dort auch Meister, verlor aber die Relegation gegen den FC Kärnten. Ein Jahr später sollte es aber mit dem Aufstieg in die 2.Liga klappen, denn nach dem erneuten Meistertitel in der Regionalliga Ost, bestand man diesmal die Relegation gegen den SV Spittal an der Drau. Bis zum Jahr 2005 spielte der Verein auch erfolgreich in der zweithöchsten österreichischen Spielklasse, ehe das wirtschaftliche Aus kam. Der Verein wurde aufgelöst und stieg als Neugründung in der 2. Klasse Marchfeld ein. Im März 2017 wurde dieser Verein dann stillgelegt und schied aus dem Meisterschaftsbetrieb aus. 2018 nahm man einen erneuten Anlauf in Untersiebenbrunn, doch dieser Versuch endete bereits kurz nach Beginn der zweiten Saison. Da man keine konkurrenzfähige Mannschaft stellen könnte, zog der Verein seine Mannschaft bereits im September 2019 zurück. Seither rollt der Ball in Untersiebenbrunn nicht mehr.

Während der Traditionsverein aus Untersiebenbrunn in naher Zukunft keine Spiele austragen wird, schafften es gleich zwei Vereine aus dem Marchfeld, dieses Vakuum zu füllen. Diese spielen mittlerweile auch beide in der Regionalliga Ost. Der eine ist der SV Stripfing, der 1951 gegründet wurde und fast 60 Jahre in den Tiefen des niederösterreichischen Unterhauses tätig war. Was Geld alles bewirken kann, das kann man am Bespiel Stripfing ganz gut beobachten. Nachdem die Investitionen in diesen Verein begannen, stieg man in der Saison 2011/12 ohne Niederlage als Meister der 2. Klasse Marchfeld in die siebtklassige 1. Klasse Nord auf. Dort verlor man ebenfalls kein einziges Spiel und stieg als Meister 2013 in die sechsthöchste Spielklasse auf. In der Gebietsliga Nord/Nordwest konnte man den Erfolgslauf fortsetzen und wurde erneut Meister. Erst in der 2. Landesliga Ost konnte man keinen Durchmarsch schaffen und konnte erst eine Saison später, nämlich 2015/16, in die Landesliga aufsteigen. Dort verpasste man zwar den sofortigen Aufstieg, allerdings konnte der Verein in jener Saison den niederösterreichischen Landescup gewinnen. Nachdem Stripfing in der Saison 2017/18 den Meistertitel denkbar knapp verpasste, zumal der SV Leobendorf bei Punktegleichheit das bessere Torverhältnis hatte, sollte im darauffolgenden Jahr der Aufstieg in die Regionalliga Ost problemlos gelingen. In dieser Saison hat man aus sechs Partien 15 Punkte geholt. Ein weiterer Aufstieg scheint jedoch aufgrund der mangelnden Infrastruktur illusorisch, sodass es diesem Projekt sowieso an Nachhaltigkeit mangelt. Die Erfolgsära in Stripfing hat auch nur solange Bestand, solange die Investoren dieses Hobby betreiben wollen. Ein Fanbasis oder eine sonstige Verwurzelung mit der Bevölkerung gibt es in Stripfing nicht.

Auf eine ähnliche Geschichte wie der SV Stripfing kann der SC Mannsdorf, der sich seit der Fusion mit dem SC Groß-Enzersdorf im Jahre 2018 FC Marchfeld-Donauauen nennt, zurückblicken. Nach dem zweiten Weltkrieg nahm man einige Saisonen (bis 1952) an der Meisterschaft teil, jedoch sollte es bis in 1980er andauern, bis der Verein wieder in den Ligabetrieb einstieg. 2003 begann dann der Höhenflug des Vereins. Mit dem Gewinn der 2.Klasse Marchfeld stieg der Verein in die 1.Klasse Nord auf, die er fünf Jahre später gewinnen konnte. In der Saison 2009/10 konnte Mannsdorf die Gebietsliga Nord/Nordwest mit einem Rekordvorsprung für sich entscheiden. Zwei Jahre später schaffte man dann den Aufstieg von der 2.Landesliga Ost in die viertklassige Landesliga. 2016 gelang der Aufstieg in die Regionalliga Ost, in der man heute noch erfolgreich spielt. Da man zuletzt auch dort in den oberen Tabellenregionen rangierte, wurden auch Überlegungen angestellt, die Infrastruktur auf Zweiligastandard zu bringen. Dies zeigt jedenfalls, dass man in Mannsdorf auch etwas an die Nachhaltigkeit bedacht ist. Ansonsten hat man hier puncto Fanbasis und Verwurzelung in der Bevölkerung wohl dieselben Probleme wie in Stripfing.

Die Nummer drei im Bezirk Gänserndorf ist mit dem in der 2.Landesliga Ost spielenden SC Leopoldsdorf/Marchfeld ein weiterer Verein aus dieser Region. Auch in der Gebietsliga ist der derzeit bestplatzierte Verein mit dem SC Lassee ein Verein aus dem Marchfeld. In dieser Liga befinden sich mit dem ASV Hohenau und dem SC Prottes auch erstmals Gänserndorfer Bezirksvereine, die nicht aus der Marchfeldregion stammen.

Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.

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