Altach scheiterte in der abgelaufenen Spielzeit am eigenen Aktionismus. So schlecht agierte das Team unter Adi Hütter nicht, ein gewisses Spielpech war nicht abzusprechen. Nachfolger Edi Stöhr ist zwar unbestritten ein Fachmann, aber eng mit dem Lokalrivalen Austria Lustenau verbunden gewesen und im Endeffekt scheiterte er. Mit Rainer Scharinger fischte der SCR Altach in Baden – mutig.
Name: Rainer Scharinger
Nationalität: Deutschland
Geburtsdatum: 4. März 1967
Alter: 45
Position als Spieler: Mittelfeld
Vereine als Spieler: Karlsruher SC, VfR Mannheim, 1. FC Pforzheim, SSV Ulm 1846, Stuttgarter Kickers, SV Sandhausen, Bahlinger SC
Vereine als Trainer: SV Sandhausen, Bahlinger SC, TSG Hoffenheim (Co-Trainer, Trainer der zweiten Mannschaft), VfR Aalen, Karlsruher SC
Kein Teil des Ulmer Märchens
Beinahe wirkt es mittlerweile wie normal, wenn ein deutscher Fußballlehrer keine große Spielerkarriere hinlegte. So war es auch bei Rainer Scharinger. Nach der Jugendzeit im Karlsruher Stadtteil Durlach beim ortsansässigen Sportverein, wechselte der Mittelfeldspieler 1987 zum großen KSC. Für die damals sehr erfolgreiche erste Mannschaft reichte sein Können aber nicht, er absolvierte gerade einmal ein Spiel für den Sportclub. 1993 ging er nach etlichen Einsätzen in der zweiten Mannschaft zum VfR Mannheim in die Regionalliga Süd. In zwei Jahren absolvierte er 65 Spiele, erzielte neun Tore. Er wechselte 1995 in die vierte Liga zum 1. FC Pforzheim und begann, aufzublühen. In zwei Jahren spielte er zwar mit 51 Partien weniger als in Mannheim, war mit 17 Treffern aber sehr erfolgreich. Er versuchte sein Glück wieder beim KSC, pendelte zwischen 1997 und 1999 aber wieder zwischen erster und zweiter Garnitur, kam auf elf Einsätze in der Ersten.
Scharinger wechselte zur Saison 1999/2000 zum SSV Ulm 1946, den Ralf Rangnick sensationell in die Bundesliga gebracht hatte. Der Mann, der am 19. Dezember 1998 im ZDF der deutschen „Rumpelfußballnation“ die Viererkette erklärte, hatte die Ulmer 1997 übernommen und war 1999 nach zwei Aufstiegen in Folge von der Regionalliga sensationell in die Bundesliga aufgestiegen. Noch kreuzten sich aber die Wege der beiden nicht, da Rangnick nach dem Aufstieg zum VfB Stuttgart wechselte. Der Mittelfeld-Spieler wiederum absolvierte 29 Partien, erzielte vier Tore in der Bundesliga, konnte aber den Abstieg nicht abwenden. Dieser begann mit einer verheerenden 1:9-Niederlage am 25. Spieltag bei Bayer Leverkusen. Ulm fiel in der Folge tief. Scharinger blieb noch bis 2001 in der Universitätsstadt in Baden-Württemberg, ehe er zum SV Sandhauen in die Oberliga wechselte. Dort begann er ab dem 18. Oktober 2002 seine Karriere als (Spieler-)Trainer.
Spieler, Trainer, Rangnick
Sandhausen landete mit Scharinger in Doppelfunktion auf dem passablen vierten Platz, mit großem Abstand auf Meister Stuttgart II und Respektrückstand auf die Verfolger Ulm und Freiburg II. In der Folgesaison musste er nach dem neunten Spieltag und einer Niederlage gegen Ludwigsburg gehen, heuerte aber knapp zwei Monate später beim Bahlinger SC ebenfalls als spielender Coach an. Er machte 2005 den Trainerschein und spielte von 2003 bis 2006 noch insgesamt 25 Mal in der Oberliga. Im Juli 2006 holte ihn Ralf Rangnick zur TSG 1899 Hoffenheim, die damals noch in der Regionalliga Süd spielte. Der mittlerweile ehemalige Mittelfeldspieler übernahm zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Co-Trainer 2007 die zweite Mannschaft, erlebte den Höhenflug der Kraichgauer bis zum Herbstmeistertitel 2008 hautnah mit. 2009 trat er dann aus dem Schatten und wurde vom VfR Aalen verpflichtet.
Vier Tage vor Saisonende übernahm er die Baden-Württemberger von Petrik Sander, nachdem diese in akute Abstiegsgefahr geraten waren. Zwar erreichte er sofort ein Unentschieden gegen den SC Paderborn und einen 4:1-Sieg gegen die Stuttgarter Kickers, zwei Niederlagen zu Saisonende besiegelten aber den bitteren Gang in die Regionalliga Süd. In „seiner“ Liga konnte Scharinger aber überzeugen, setzte sich am 4. Spieltag auf Platz eins fest, verließ diesen ab der 18. Runde auch nicht mehr und feierte den Aufstieg in die dritte Liga. Sein Team wies einen Altersdurchschnitt von nur 23 Jahren auf, das Torverhältnis von 51:19 spricht Bände. Der direkte Wiederaufstieg wurde mit elf Punkten Vorsprung auf Nürnberg II perfekt gemacht. In der dritten Liga klappte es aber kaum, nachdem Aalen mit nur einem Punkt Vorsprung auf die Nichtabstiegsränge überwintern sollte, wurde der Trainer entlassen. Ralph Hasenhüttl übernahm, sicherte den Klassenerhalt und in der nächsten Saison den Aufstieg in die zweite Bundesliga.
Wieder Rückkehr zum KSC
Er blieb allerdings nicht lange arbeitslos. Bereits in der Winterpause war gemunkelt worden, er könne nach Karlsruhe wechseln. Am 2. März 2011 übernahm er tatsächlich den KSC von Uwe Rapolder. Die Badener lagen zu diesem Zeitpunkt auf dem Relegationsplatz. Der, der es als Spieler nie geschafft hatte, hielt „seinen“ Verein in der Liga. In der nun abgelaufenen Spielzeit lief es aber gar nicht gut. Nach dem 13. Spieltag zogen die Verantwortlichen die Reißleine, Karlsruhe lag am 17. Tabellenplatz, konnte nur zwei Siege vorweisen. Das Torverhältnis von 13:29 in dreizehn Spielen sprach dabei eine genauso deutliche Sprache, wie beim Aufstieg mit Aalen.
„Ich habe jetzt 25 Jahre lang in diesem Profizirkus alles Mögliche gemacht und war ziemlich ausgebrannt“, erklärte Scharinger im April 2012 in der Pforzheimer Zeitung. In der fußballlosen Zeit zwischen Oktober 2011 und dem Amtsantritt in Altach genoss der Trainer vor allem die Zeit mit seiner Familie. Daneben dozierte er an der Verwaltungsschule Karlsruhe und beriet seinen ehemaligen Verein Bahlinger SC im Abstiegskampf in der Oberliga, der letztlich gelang. Der Vater zweier Kinder gab damals an, sich „auch gut vorzustellen, wieder in meinem Beruf als Verwaltungswirt zu arbeiten und nebenher einen unterklassigen Verein zu trainieren. Mir geht es auch ohne Profifußball gut.“ Vor ein paar Tagen präsentierte Altach den Deutschen als neuen Cheftrainer: „Uns steht viel Arbeit bevor. Ich bin aber überzeugt, dass wir einen guten gemeinsamen Weg gehen werden. Die Mannschaft hat Potenzial.“
Taktik als deutsche Wertarbeit
Ganz der deutsche Fußballlehrer setzt Scharinger auf ein 4-2-3-1. Die Ausrichtung muss differenziert betrachtet werden. Mit Aalen kann er vor allem dank der Aufstiegssaison eine Bilanz von 1,66 Punkten pro Spiel sowie ein Torverhältnis von 1,38 zu 1,02 vorweisen. Als Coach von Hoffenheim II schraubte er die Werte auf 1,9 bzw. 2,03:0:73. Beim Abstiegskandidaten KSC machte er unter einen Punkt pro Spiel, kassierte im Schnitt gut zwei Treffer pro Spiel. Nachdem Altach aber in die Bundesliga zurück will, wird man sich eher an den Werten aus Aalen orientieren können. Scharinger bevorzugt den Typ Stoßstürmer, der gefüttert werden soll und die offensive Dreierreihe mit Bällen bedient.
Die Ausrichtung des Teams ist schwierig. Insgesamt erreichte der Deutsche eine Sieg-Unentschieden-Niederlagen-Quote von ungefähr 40-20-40 Prozent. Im Ländle kann man sich also mehr oder weniger auf Hopp oder Tropp einstellen, sollte sich im letzten halben Jahr an der Philosophie nichts Grundlegendes geändert habe. Ein Vorteil für die Vorarlberger ist, dass er sich auf den Nachwuchs gut versteht und auch Spieler aus den Unterklassen so weit bringen kann, dass sie mitspielen können.
Altach und Baden – passt das?
Nach der ausgerufenen 3-2-1-Ausrichtung der Spielzeit 2011/12 möchte das Präsidium den Trainer – „Wir sind davon überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben“, so Aufsichtsratvorsitzender Karl-Heinz Kopf – nicht unnötig durch Parolen unter Druck setzen. Diesen soll Scharinger nicht haben: „Im Vorjahr ist ein unnötiger Druck entstanden. Wir wollen natürlich in die Bundesliga, müssen aber nicht.“ Die Marschroute lautet, dass junge Spieler eingebaut werden sollen. Hannes Eder (28) und Petr Vorisek (33) können sich demnach einen neuen Verein suchen. Die jugendliche Ausrichtung und die Möglichkeit auf elektrisierenden Offensivfußball der modernen deutschen Marke sollen in Altach vereint werden.
abseits.at-Fazit
Wie die SV Ried, der SKN St. Pölten oder Austria Lustenau traut sich der SCR Altach, einen Mann zu holen, der weder eine große Spielerkarriere hinter sich hat, noch die ganz großen Erfolge feiern konnte. Das ist grundsätzlich ein schwieriges Unterfangen, trägt aber zur Blutauffrischung im österreichischen Profifußball bei. Trotz seiner erst 45 Jahre hat der Trainerlegionär schon einen großen Erfahrungsschatz, kann durch die Spielerzeit bei Ulm und das zuletzt erfolglose Coaching beim KSC auch auf das Wissen um negative Erfahrungen zurückgreifen. Noch dazu ist er kein Trainer, der das Wort „Taktik“ widerwillig herauswürgt, sondern diese als Spieler, Spielertrainer und Trainer umsetzte, erprobte und entwickelte. Wichtig wird auch der Faktor „Zeit“ werden. Altach muss ruhig und besonnen vorgehen, auch den einen oder anderen Tiefschlag verkraften können. Gerade in einer Übergangssaison ist das wichtig. Realismus sei ganz wichtig, denn „man kann keine Zutaten für einen Marmorkuchen nehmen und denken, es kommt eine Torte heraus.“
Georg Sander, abseits.at
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Georg Sander
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