Vor nahezu ausverkauftem Haus kämpft Rapid heute Abend gegen die SV Ried um den Einzug ins Finale des ÖFB-Cups. Alle erwarten einen Rapid-Sieg und Zoran Barisic mahnte vor der Partie ein, dass man sich nie zu sicher sein sollte. Angesichts der derzeitigen Verfassung der Hütteldorfer nicht unberechtigt.
Von der „Konkurrenz auf Augenhöhe“ wurde Rapid zuletzt überholt. Sturm Graz zeigte am vergangenen Wochenende die mittlerweile deutlichen qualitativen und strukturellen Unterschiede auf. Auch der LASK und die Austria wirken mannschaftlich kompletter und ausbalancierter als Rapid. Der Kampf um die Europacup-Startplätze hat begonnen – und wie so oft ist der Cup die vermeintlich einfachste Möglichkeit für das Ticket nach Europa und zudem die Chance eine verkorkste Saison mehr als nur versöhnlich, nämlich mit dem ersten Titel seit 15 (!) Jahren, ausklingen zu lassen.
Ried im Cup häufig Rapids Sargnagel
Rapid und Ried haben allerdings eine lange Cup-Geschichte. Viermal trafen die beiden Teams aufeinander, dreimal stiegen die Rieder auf. Das letzte Aufeinandertreffen im Cup ging im Februar 2018 erstmals an Rapid: Bei -16°C und damit unter fragwürdigen Bedingungen um Sport zu betreiben, drehte Rapid durch einen Joelinton-Elfer zu Beginn der Rapid-Viertelstunde und einen Kvilitaia-Kopfball das Spiel und gewann noch mit 2:1.
In schlechterer Erinnerung steht das Ausscheiden aus dem Cup-Achtelfinale im November 2011, als ein Gewaltschuss von Anel Hadzic in der 114. Minute Rapids Ausscheiden besiegelte. In der Partie gab es elf gelbe Karten, dazu Gelb-Rot für Christopher Drazan und Michael Schimpelsberger in der Verlängerung. Es war bis heute das einzige Mal, dass Rapid in Hütteldorf gegen Ried verlor.
15 Heimsiege in Serie
Der Hütteldorf-Fluch der Rieder hat bereits epochale Ausmaße angenommen. Noch nie konnten die Innviertler einen Sieg nach 90 Minuten im Westen Wiens bejubeln. 45-mal trat Ried bei Rapid an, 36-mal gewannen die Grün-Weißen, neunmal stand es nach 90 Minuten Unentschieden. Seit der 1:2-Niederlage nach Verlängerung gab Rapid gegen Ried zu Hause keinen einzigen Punkt mehr ab. Die Hütteldorfer gewannen gegen Ried zuletzt also 15 Heimspiele in Serie.
Senft will Ried defensiv stabilisieren
Unter dem neuen Trainer Maximilian Senft wird Ried aber etwas anders auftreten als zuletzt, in einem 5-3-2 vor allem auf defensive Stabilität und gutes Umschaltspiel bedacht sein. Schmerzhaft ist vor allem der Kreuzbandriss von Ex-Rapidler Stefan Nutz, der für die Rieder in der laufenden Saison ein wichtiger Dosenöffner und Ideengeber war.
Druijf und Kühn wieder bereit für einige Minuten
Rapid wiederum kann wieder weitgehend aus dem Vollen schöpfen. Ferdy Druijf und Nicolas Kühn sind matchfit und könnten gegen Ried wieder im Matchkader stehen. Die beiden könnten Rapid im letzten Drittel wichtige neue Impulse geben, die in den letzten Partien immer wieder fehlten.
Druijf wäre auf der Zehn ein wichtiger Wandspieler, der Bälle festmachen und weiterverarbeiten kann. Zuletzt konnten in dieser Zone weder Greil, noch Knasmüllner für die nötige körperliche Präsenz sorgen. Als Resultat daraus musste auch Burgstaller wieder stärker in diese Zone antizipieren und Bälle festmachen. Weil Rapid zuletzt – teilweise auch erzwungen – mit vielen hohen Bällen ins letzte Drittel operierte, könnte der Niederländer zudem ein wichtiger Spieler für Kopfballverlängerungen, aber auch den Kampf um zweite Bälle sein.
Den Spielwitz von Nicolas Kühn könnte Rapids Offensive ebenfalls gut gebrauchen. In den letzten Wochen und Monaten haderte vor allem Marco Grüll mit sich selbst – die Selbstverständlichkeit in den Eins-gegen-Eins-Duellen ist beim Ex-Rieder abhanden gekommen, die Gegenspieler haben sich gut auf Grülls Spielweise eingestellt. Sein letztes Tor erzielte Grüll im November. Die Überraschungsmomente, die Kühns Spiel mit sich bringt, könnten Rapid unberechenbarer machen.
Umstellung in der Innenverteidigung?
Dennoch sind wohl beide Spieler noch kein Thema von Beginn an und diese Aspekte werden wohl lediglich nach deren Einwechslungen schlagend werden. Sehr wohl ein Thema von Beginn an wird allerdings Martin Moormann sein. Der Linksfuß könnte bzw. sollte in die Innenverteidigung rutschen, nachdem der gegen den Ball sehr solide, aber mit dem Ball das Aufbauspiel bremsende Michael Sollbauer zuletzt eine der Schwachstellen im Spiel Rapids war. Gerade gegen tiefstehende Gegner wie die SV Ried, wird eine saubere Spieleröffnung und mehr progressive Pässe aus dem ersten ins zweite Drittel mitentscheidend sein, um Dominanz aufzubauen. Das bringt der 21-Jährige eher mit, als der Kärntner Routinier.
Sauberes Aufbauspiel als Entlastungsaspekt für mehrere Positionen
Damit könnte Rapid die Aufbauprobleme zumindest teilweise abfedern. Die Schwierigkeiten, die die Hütteldorfer im Mittelfeldzentrum haben, werden damit zwar nicht gelöst werden, aber einige Mannschaftsteile könnten durch ein saubereres Aufbauspiel, vor allem aus der linken Innenverteidigerposition heraus, entlastet werden. So zum Beispiel Jonas Auer, der in den letzten Spielen stets der Rapid-Spieler mit den meisten Ballaktionen war, weil der Spielaufbau weitgehend auf ihn geleitet wurde und er somit häufig das erste Pressingopfer des Gegners war.
Anders als in den letzten Partien sollte der Qualitätsfaktor diesmal allerdings für die Wiener sprechen. Mit mehr als 20.000 Zuschauern im Rücken – und das bei einem Flutlichtspiel mit „Europacupcharakter“ – sollten auch der Heimvorteil und die fast makellose Heimbilanz gegen Ried aber ihr Übriges erledigen.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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