Ungarn, Tschechen, Slowaken, Serben, Kroaten – sie alle haben eine große Legionärstradition in den obersten österreichischen Spielklassen. Hingegen nicht alteingesessen sind Spanier, die bis... Spanier-Boom im österreichischen Fußball – doch Nacho, Carril und Co. werden nicht die einzigen Südländer bleiben!

Ungarn, Tschechen, Slowaken, Serben, Kroaten – sie alle haben eine große Legionärstradition in den obersten österreichischen Spielklassen. Hingegen nicht alteingesessen sind Spanier, die bis vor kurzem in Österreich kaum ein Transferthema waren. Doch speziell in den letzten Monaten wurde der Spielermarkt von Kickern der iberischen Halbinsel überflutet. Und es werden noch mehr werden!

Die Gründe dafür sind schnell erklärt: Zahlreiche Klubs der Segunda División und der Segunda B, also der zweit- und dritthöchsten spanischen Fußballligen, haben finanzielle Schwierigkeiten, sind mit Gehaltszahlungen weit im Rückstand. Nicht wenige Spieler warten etwa in Alcalá, Vecindario oder Alicante auf ihr Geld. Obwohl etwa ein spanischer Drittligist nicht mehr zahlen kann, als so mancher österreichischer Zweitligaklub. Und dies stellt wiederum den Vorteil für viele heimische Klubs dar, die im Zuge der Transferzeiten so manches Angebot annehmen, das von Spielervermittlern auf den Tisch gelegt wird. Derzeit werden hunderte spanische Fußballer Vereinen in ganz Europa angeboten. Die Ablösemodalitäten sind nicht schwer zu klären, eine gewisse finanzielle Sicherheit reicht oft schon aus, um die Kicker aus dem Land des Welt- und Europameisters nach Österreich zu locken.

NACHO ALS ERSTES VERSUCHSOBJEKT

Der Spanier-Boom in der heimischen Bundesliga begann im Sommer 2008 mit dem Rieder Nacho, den Manager Stefan Reiter auf Lanzarote fand und verpflichtete. Bereits in seiner ersten Saison gelangen dem pflegeleichten Offensivspieler 14 Saisontore – das erste Spanier-Experiment war erfolgreich und Grund für eine weitere Suche nach billigen und guten Arbeitskräften im Süden. Heute spielen in Ried vier Spanier, wobei Iván Carril und Martí Guillem bereits bewiesen, dass sie eine Bereicherung für die österreichische Liga sein können, erzielten sie doch in der vergangenen Saison zusammen 19 Pflichtspieltore. Auch der Vierte im Bunde, Nacho Casanova, ließ schon ansatzweise seine Klasse bzw. seinen großen Willen aufblitzen. Wacker Innsbruck zog nach, verpflichtete den Basken Iñaki Bea Jauregi und den routinierten Carlos Merino, mittlerweile beides Stammspieler bis Leistungsträger. Selbst Klubs, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen, wie es in Ried und Innsbruck der Fall ist, können sich die Transfers dieser interessanten Kicker leisten. Red Bull Salzburg sowieso und so zog der Mateschitz-Klub mit der Verpflichtung von Chema Anton nach – der siebente Spanier in der Bundesliga.

VIELVERSPRECHENDES IN LIGA ZWEI

Die interessantesten spanischen Neuverpflichtungen tummeln sich allerdings in Österreichs zweithöchster Spielklasse: WAC/St.Andrä verpflichtete den 27jährigen Madrilenen Jacobo, der in der Vorsaison zwölf Treffer für Alcalá beisteuerte, heuer bereits bei vier Toren für die Kärntner steht. Jacobo wirkt etwas leichtfüßig, im Zweikampf nicht immer hundertprozentig entschlossen, was er aber durch eine brillante Technik wettmacht. Vor allem die Schusstechnik des flexiblen Offensivspielers ist nicht selten zum Zunge schnalzen. Jacobo hat das Potenzial schon bald bei einem Bundesligaklub unterzukommen, was auch auf Daniél Lucas Segovia vom SKN St.Pölten zutrifft. Segovia ist nicht derselbe filigrane Feinmechaniker wie Jacobo, dafür aber ein technisch schnörkelloser, abschlussstarker Angreifer, der sich seine Bälle auch mal aus dem Mittelfeld holt. Der 26jährige kam von den Balearen, kickte im Alter von 20 Jahren bereits im B-Team von Olympique Marseille, beweist derzeit in der zweiten Spielklasse, dass er für höhere Aufgaben bereit wäre. Das Kuriose: Sollte ein Bundesliga-Klub eines Tages versuchen einen der beiden Spieler von ihren Klubs loszueisen, würde ihm das voraussichtlich teurer kommen, als wenn er Jacobo aus Alcalá und Segovia von Atlético Baleares geholt hätte. Gut gescoutet ist im Fall der Spanier also doppelt gespart…

BARCA-BOMBER FLOPPTE IN BREGENZ

Der SCR Altach setzt bereits seit über zwei Jahren auf die Dienste des bulligen Stürmers Tomi, der seit Sommer 2009 30 Pflichtspieltore für die Vorarlberger erzielte. Dabei ist Vorarlberg vergleichsweise kein guter Boden für Spanier: Yeray Ortega und Jesus Brenes floppten in Altach und auch einer der ersten spanischen Hoffnungsträger in Österreich floppte im westlichsten Bundesland: Es war die Saison 1999/2000 als Schwarz-Weiß Bregenz den damals 20jährigen David Prats aus der C-Elf des FC Barcelona auslieh. Der Stürmer erzielte in den beiden Jahren davor 54 Tore für Barcas dritte Mannschaft. In Bregenz bestritt er neun Bundesligaspiele und präsentierte sich dabei als nicht bundesligatauglich, wurde alsbald an Terrassa abgegeben. Mittlerweile kickt der heute 32jährige Prats seit sechs Jahren in der dritten Spielklasse für Badalona und erzielte in diesen Jahren 71 Tore, ist absoluter Einser-Stürmer.

FANS: CARRIL BESTER SPANIER

Auch in Grödig hat man mittlerweile die Zeichen der Zeit erkannt: Der Ex-Altacher Ione Agonay ist der neue Abwehrchef in der Elf von Heimo Pfeifenberger, wird von seinem Coach immer wieder für seine Spielstärke und Abgebrühtheit gelobt. Zudem wagt Grödig gerade das Experiment mit dem 26jährigen Außenverteidiger Richard Jimenéz, der zu Saisonbeginn aus Coralejo kam. Der letzte spanische Neuzugang komplettiert die in Österreich spielende Spanier-Riege, mit der man ein ganzes Team aufstellen könnte. In den obersten beiden Spielklassen unseres Landes kicken also zwölf Spanier. Bei einer Umfrage im Austrian Soccer Board, Österreichs größtem Fußballforum, wer der beste Spanier im österreichischen Fußball sei, führt derzeit der Rieder Iván Carril mit großem Vorsprung auf die Innsbrucker Iñaki Bea und Carlos Merino, die gleichauf an zweiter Stelle liegen und damit Jacobo und Chema Antón auf die nächsten Plätze verweisen.

16 SPANIER AUCH AUF ZYPERN

Die Spanier-Invasion ist übrigens kein österreichisches Phänomen. Zahlungsmüde Klubs ermöglichten es, dass noch wesentlich mehr Iberer in andere Ligen wechselten. So zum Beispiel nach Zypern, wo Spanier derzeit ebenfalls „in“ sind: Vizemeister Omonia Nikosia hat zurzeit drei Spanier unter Vertrag, ebenso wie AEK Larnaca. Insgesamt spielten in der Vorsaison zwölf Spanier in der obersten Spielklasse, zudem vier in der zweiten. Die zypriotischen Ligen sind davon geprägt, dass ihre Klubs verhältnismäßig extrem viele Legionäre unter Vertrag haben, obwohl die Klubs international als klein angesehen werden. Die Erfolge der letzten Zeit, etwa die Champions-League-Teilnahmen von APOEL Nikosia und Anorthosis Famagusta, gaben der konsequent aggressiven Transferpolitik der Inselklubs allerdings Recht. Und eben auf Basis des großen Erfolgs in diesem „Vorreiterland für Experimente“ könnte schon bald ein neuer Trend nach Österreich und in andere Länder schwappen…

PORTUGIESEN-INVASION IN DEN NÄCHSTEN JAHREN?

…denn nicht nur spanische Kicker gibt es am Spielermarkt derzeit wie Sand am Meer, sondern auch portugiesische. Auch in Spaniens Nachbarland können sich viele Klubs, speziell die aus der zweiten Liga und einer der drei Regionalligen nicht über Wasser halten, müssen jedes Jahr eine hohe Spielerfluktuation hinnehmen. Alleine bei Meister APOEL und Vizemeister Omonia spielen insgesamt fünf Portugiesen. In der gesamten obersten Spielklasse Zyperns kicken nicht weniger als 37 Portugiesen, alleine zwölf von ihnen bei Doxa Katokopias. Hinzu kommen außerdem 21 „europäische Brasilianer“ in der zweiten Liga, womit wir insgesamt bei sage und schreibe 58 portugiesischen Profikickern auf Zypern sind. Ein Trend, den auch schon unsere Schweizer Eidgenossen entdeckten: In der Schweizer Zehnerliga kicken neun Portugiesen, in der 16 Teams starken zweiten Liga sind es immerhin fünf. Die Spanier waren für österreichische Klubs ein gelungener Feldversuch, aber man darf sich in den nächsten Jahren ebenso auf den einen oder anderen portugiesischen Kicker in den obersten Spielklassen des Landes einstellen. Und so lange es die österreichischen Klubs nicht übertreiben, wie es die Zyprioten gerne machen, kann das nur Farbe und neue Facetten in den heimischen Fußball bringen.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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